Den Vertrieb strategisch zu steuern und zu motivieren, Top-Talente zu gewinnen und zu halten sowie Sales-Kosten adäquat zu managen – das sind von jeher die zum Teil konfliktbehafteten Zielsetzungen der Vertriebsvergütung. Die Funktionen Vertrieb, Personal und Finanzen/Controlling weisen in diesem Kanon den unterschiedlichen Einzelabsichten zumeist abweichende Prioritäten zu. Die eine will den Vertrieb idealerweise bei bester Laune halten, während die andere es traditionell für unverhältnismäßig hält, welche Vergütungshöhen Vertriebler erreichen können.
Einige der Bestandteile der Vertriebsvergütung wie Tarifgehälter und Sozialabgaben lassen sich dabei bestenfalls nur eingeschränkt beeinflussen, sodass sich letztlich die Diskussion um die adäquaten Vertriebsvergütungskosten auf die variable, leistungs- beziehungsweise ergebnisabhängige Vergütung fokussiert. Doch was bedeutet in diesem Zusammenhang adäquat und welche effektiven Stellhebel hat das Unternehmen eigentlich, um objektiv die Vergütungskosten im Verhältnis zur erbrachten Performance zu steuern?
Wie muss ein realistisches Vergütungs-Benchmarking aussehen?
Üblicherweise sehen Vertriebsmitarbeiter das Gras auf der anderen Seite des Zauns grundsätzlich höher wachsen als im eigenen Unternehmen – während bei Finance/Controlling der allgemeine Verdacht besteht, dass der eigene Vertrieb gegenüber dem des Wettbewerbers under-performed. Zumindest die erste stereotype Aussage wurde in der Deloitte-Studie zur Vertriebsvergütung 2019 nicht bestätigt. Demnach waren 73 Prozent der befragten Vertriebler mit ihrem Vergütungsniveau zufrieden, und nur ein Drittel nahm an, dass die eigene Vergütung niedriger ist als die bei Wettbewerbern vergleichsweise erzielbare.
Um subjektiven Meinungen und Bauchgefühlen objektive Daten gegenüberzustellen, spielt das Benchmarking des Marktes für die Definition der „adäquaten“ Vergütungshöhen eine sehr große Rolle. Jedoch wird dieses Benchmarking oft auf die Analyse von existierenden marktweiten Vergütungsstudien beschränkt. Diese sind jedoch häufig nicht ausreichend nah an den spezifischen Gegebenheiten eines Unternehmens orientiert, wenn sie nicht speziell auf die Industrie und die in ihr üblichen Vertriebsrollen ausgerichtet sind. Zudem weisen diese Studien zumeist keine Daten hinsichtlich der für die Erreichung der Zielvergütung zu erbringenden Performance aus und spiegeln somit nur eine Seite der Medaille wider. Angereichert werden diese Daten in der Praxis deshalb – wenn möglich – durch Informationen über die Vergütungspraxis bei Wettbewerbern, die von Fach- und Führungskräften offenbart werden, die das Unternehmen wechseln.
Diese Informationen sollten jedoch einem intensiven Plausibilitäts-Check unterzogen und in einen relevanten Kontext gesetzt werden. Zum Beispiel ist es wenig aussagekräftig, wenn das Unternehmen X eine Provision von acht Prozent auf Umsätze zahlt, während die Provision im Unternehmen Y nur sechs Prozent beträgt. Auch die angebotene Grundvergütung sollte in den Vergleich einbezogen werden sowie neben Provisionen weitere variable Vergütungsbestandteile. Außerdem müssen die üblicherweise erzielbaren Umsätze betrachtet werden. Wenn das Unternehmen Y ein breiteres Produktportfolio, höherpreisige Produkte, niedrigere Rabattniveaus oder eine bessere Marketingunterstützung aufweist, so kann das Produkt aus Provisionssatz und erzieltem Umsatz schnell höher ausfallen. Die Vergütungschancen werden demnach auch durch die Erfolgschancen im Vertrieb bestimmt.
Die passende Variabilität der Vergütung: zwischen unzureichend und exzessiv
Als Faustformel für die Mindestvariabilität als Teil der Zielvergütung im Vertrieb gilt allgemein unter Experten – und von unseren Projekterfahrungswerten unterstützt – ein Wert von 20 Prozent, um eine gewisse Motivationswirkung auszulösen. Marktstudien weisen für Vertriebe in Deutschland allerdings über alle Branchen hinweg regelmäßig einen Durchschnittswert aus, der unterhalb dieses Schwellenwerts liegt. Auch 54 Prozent der Teilnehmer an der oben erwähnten Deloitte-Studie zur Vertriebsvergütung erhalten maximal einen variablen Anteil von zehn bis 20 Prozent an der Zielvergütung. Dementsprechend bestätigt mehr als die Hälfte der Befragten, dass ihre variable Vergütung maximal einen „gewissen Anreiz“ zur Erbringung hoher Leistungen bietet.
Demnach gibt es in manchen Branchen und Unternehmen in Deutschland durchaus einen Nachholbedarf, das Instrument der variablen Vergütung im Vertrieb ansatzweise effektiv zu nutzen. Das Investment in diese variablen Vergütungskomponenten kann somit im schlimmsten Fall verpuffen, die Performance-to-Cost-Ratio wäre denkbar unattraktiv. Eine Erhöhung der Variabilität geschieht dabei nur selten durch die Absenkung der fixen Vergütung: Häufig wird eine sukzessive Erhöhung der absoluten variablen Zielvergütung (Target Incentive) angestrebt, was das Management der Performance-to-Cost-Ratio umso wichtiger macht.
Am oberen Ende des Variabilitätskontinuums ist jedoch auch eine nominale Variabilität in der Zielvergütung von mehr als 40 Prozent zumindest prüfenswert. Der Grund: Zumeist handelt es sich nicht um eine wirkliche Variabilität, wenn zum Beispiel eine Provision vom ersten gebuchten Umsatz gezahlt wird. Erst ab einem gewissen Umsatzvolumen sollte man von einer zu honorierenden Leistung sprechen. Zudem sind in den letzten Jahren häufig variable Vergütungsanteile als Anreize für nicht Compliance-konformes Verhalten in Verruf gekommen und werden von Mitarbeitern aktuell angesichts der Pandemie als hohes Risiko wahrgenommen. Eine variable Komponente im Korridor zwischen 20 Prozent bis 40 Prozent der Zielvergütung kann allgemein ausreichend bis stark motivierend wirken, wenn sie entsprechend Performance-orientiert gestaltet wird.
Vergütung für Top-Performer: Lame Duck oder Turbo?
Welche Auswirkungen hat die Top-Performer-Vergütung auf die Performance-to-Cost-Ratio? Auch hier gilt zunächst, dass in vielen von uns analysierten Vergütungssystemen in Deutschland und Europa die Anreizwirkung für Top-Performer unzureichend ist. Manche Vergütungspläne sind zu früh gedeckelt, andere weisen beispielsweise einen degressiven Verlauf der Auszahlungskurve für eine Zielerreichung größer als 100 Prozent auf, da das Management einer Übererfüllung anspruchsvoller Ziele generell skeptisch gegenübersteht. Auch ist es gängige Praxis, einem guten Vertriebsmitarbeiter die Freude über eine hohe Zielerreichung und Auszahlung im Vorjahr durch übertrieben höhere Ziele im Folgejahr zu verleiden. Durch solche Praktiken verpassen Unternehmen die Chance, das Verkaufspotenzial leistungswilliger und -fähiger Mitarbeiter abzurufen.
Jedoch sollte nicht Misstrauen, sondern simple und effektive Mathematik die Grundlage für die Kalibrierung der Top-Performer-Vergütung sein: Als Top-Performer lassen sich die zehn Prozent der Vertriebsmitarbeiter mit der (bei gleich schwierigen Bedingungen) höchsten Verkaufsproduktivität beziehungsweise Zielerreichung definieren. Diese sollten zumindest 200 Prozent der ausgelobten variablen Zielvergütung (bei Provisionen analog der Durchschnittsvergütung) erhalten, um eine deutliche Performance- basierte Einkommensdifferenzierung darzustellen. Diese Marke wird in Deutschland zumeist deutlich unterschritten oder aber exzessiv überschritten, wenn keine klare Logik dieses Verhältnis steuert.
Bemessungskriterien (KPIs) – mehr als nur Umsatz
Die Performance im Vertrieb wird zumeist nach dem erzielten Umsatz bewertet. Jedoch sollten im Sinne einer strategischen Vertriebssteuerung auch weitere Bemessungskriterien betrachtet werden, wie beispielsweise der Deckungsbeitrag, strategische und/oder ertragsreiche Fokusprodukte, Senkung der Rabattquote, Optimierung der Vertragsbedingungen et cetera. Hierdurch steigert sich bei gleichem Umsatz der Ertrag des Unternehmens, und das Investment in die variable Vergütung erzielt einen sehr viel attraktiveren Return, da die fixen Vergütungskomponenten konstant bleiben.
Bonus versus Provision: Was steuert die Performance-to-Cost-Ratio besser?
Unsere Erfahrung zeigt: Ein zielerreichungsbasierter Bonus (also xx Euro für die Erreichung eines Zielwertes) ist der transaktionsbezogenen Provision (x-Prozent zum Beispiel vom erzielten Umsatz) aus mehreren Gründen überlegen, wenn es um die Steuerung der Performance-to-Cost Ratio geht:
- Eine Berechnung der Auszahlung auf Basis eines individuell vereinbarten Ziels erlaubt es, Verkaufspotenziale im jeweiligen Gebiet zu berücksichtigen. Die honorierte Performance trägt somit günstigeren regionalen Verkaufsbedingungen Rechnung und zahlt nicht für ein ohnehin einfach erreichbares Ziel.
- Ein Zielvergütungsbetrag kann über die Zeit bei steigenden Erfolgserwartungen (Zielen) konstant gehalten werden. Kontinuierlich steigende Umsatzerwartungen, zum Beispiel aufgrund von Preiserhöhungen oder Ausweitungen des Produktportfolios, führen hingegen bei Provisionen zu proportional wachsenden Auszahlungen. Zwar könnten – um dem entgegenzuwirken – unter Umständen die Provisionssätze kontinuierlich nach unten angepasst werden. Jedoch sind solche Maßnahmen im Vertrieb sehr unpopulär.
- In der Regel werden Provisionen ab dem ersten gebuchten Umsatz gezahlt. In Bonusmodellen wird meist eine Einstiegsschwelle vereinbart, ab der man wirklich von einer Leistung sprechen kann.
Auch bei Provisionsmodellen gibt es Varianten, die einigen ihrer Schwachpunkte entgegenwirken sollen, aber in der Summe gewinnt der Bonus, wenn es um das Management der Performance-to-Cost-Ratio geht.
Auszahlungshäufigkeit: zeitnahe versus kumulierte Honorierung der Performance
Allgemein gilt der Grundsatz, dass eine zeitnahe, zum Beispiel monatliche oder quartalsweise Honorierung des Verkaufserfolgs, für die Mitarbeiter motivierender ist, als bis zum Abschluss des Geschäftsjahres auf eine Auszahlung für lange zurückliegende Aufträge zu warten. Jedoch bergen kurzfristige Auszahlungen auch Risiken der Überzahlung, insbesondere bei einer kritischen Kombination von Designelementen wie in dieser Konstellation:
- monatliche Auszahlung, die nur den Erfolg im gegebenen Monat bewertet,
- hohe Einstiegsschwelle, die das Risiko einer Auszahlung in Höhe von null Euro in einem Monat steigen lässt,
- hohe Beschleunigung der Auszahlung in oberen Umsatzvolumina beziehungsweise Zielerreichungsgraden,
- Möglichkeit der Verschiebung von Umsätzen zwischen Monaten („Boom-bust“-Verhalten) oder
- unzureichende Saisonalisierung der monatlichen Ziele.
In solchen Konstellationen haben wir in jüngsten Projekten Überzahlungen in der Summe der monatlichen Auszahlungen gegenüber einer kumulierten Jahresbetrachtung von 15 bis 25 Prozent beobachtet. Betroffene Unternehmen öffneten den Mitarbeitenden die Möglichkeit, „to game the plan“. Das ist nicht als Bewertung unmoralischen Handelns zu verstehen, denn letztlich gelten die klassischen Regeln des Incentive-Designs: „You get what you pay for!“ und „The good news is, incentives work. The bad news is, incentives work.“
In den oben geschilderten Fällen kann eine zeitnahe Auszahlung mit einer Kumulierung der Auszahlung für die kumulierte Performance kombiniert werden. Die Komplexität der Berechnung und Kommunikation steigt zwar, doch letztendlich wird hier für tatsächliche und kontinuierliche Performance gezahlt und ein Alignment mit den Unternehmensfinanzen erreicht.
Zielsetzungsverfahren: Untermauerte Ziele sind gute Ziele
Wenn man von Performance-Erwartungen spricht, dann sind natürlich auch die angewendeten Zielsetzungsverfahren zu beleuchten. Wir sehen die Rolle effektiver Vertriebsvergütung als „Enabler“ für die Erreichung anspruchsvoller quantitativer und strategischer Vertriebsziele. Wie hoch darf denn zum Beispiel eine Umsatzzielerhöhung bei gleichzeitig attraktiver Gestaltung der Vertriebsvergütung sein, ohne dass dies von Mitarbeitern frustriert als fauler Zahlenzauber wahrgenommen wird? Letztendlich ist jede Zielvereinbarung eine gute, die darstellt, wie die anspruchsvollen Ziele zu erreichen sind, zum Beispiel durch Ausweisen des ungenutzten Potenzials, der Durchsetzung der Preiserhöhung et cetera.
Planbare Vergütungskosten je nach Performance-Szenario
Die Auswirkungen der jeweilig veränderten Designelemente lassen sich in einer detaillierten Planmodellierung überprüfen, die in einem iterativen Verfahren verschiedene Design- und Kalibrierungsvarianten unter alternativen Performance-Szenarien testet. So bleiben unangenehme Überraschungen nach der Implementierung einer neuen variablen Vertriebsvergütung erspart, und die individuellen Auswirkungen auf einzelne Vertriebsmitarbeiter können genau festgehalten werden, um so die Kommunikation gezielt vorzubereiten.
Fazit: Die Performance-to-Cost Ratio ist kein Zufall
Die gute Nachricht: Die Performance-to-Cost-Ratio der Vertriebsvergütung kann vom Management gesteuert werden, wie die Ausführungen zu verschiedenen Designelementen und die Fallstudien zeigen. Die schlechte Nachricht – gibt es eigentlich nicht. Der erste Schritt zu mehr Effizienz in der Vertriebsvergütung liegt in der Verständigung der Funktionsbereiche auf eine objektivierte Bewertung und Vorgehensweise. Zudem sollte ein Governance-Team mit klaren Monitoringinstrumenten ausgestattet sein, die auch die ungewollte Fluktuation des Personals sowie die Bewertung der Vergütung durch die Mitarbeitenden, zum Beispiel in Pulse-Surveys, einbeziehen. Letztendlich ist die eine Seite der Medaille die Gestaltung der Vergütung. Die andere Seite ist die Kommunikation, mit der die Kernbotschaften des Steuerungsinstruments Vertriebsvergütung an die Mitarbeiter transportiert wird.
Marcus Minten
Director Sales Force Effektiveness
Deloitte Consulting GmbH
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Katrin Sauter
Senior Consultant
Deloitte Consulting GmbH
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Tobias Schlegelberger
Senior Consultant
Deloitte Consultant GmbH
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