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Vertriebsvergütung jetzt anpassen

Der digitale Wandel hat auch den Vertrieb erfasst und verändert Sales- und Servicemethoden. In der Pandemie wurde noch mal deutlich, dass Unternehmen nicht nur ihr Personal entsprechend entwickeln, sondern auch ihre Vertriebsvergütung anpassen müssen.

Beschleunigt durch die Lockdown- und Pandemieerfahrungen werden Vertriebs- und Service-Organisationen in Zukunft stärker virtuell operieren. Davon gehen 75 Prozent der Teilnehmer der Vertriebsbefragung von Korn Ferry aus. Ein weiteres Ergebnis: 47 Prozent der Unternehmen wollen die Kommunikation mit den Kunden verändern. Annähernd ein Drittel werden aufgrund sich verändernder Anforderungen die Vertriebs- und Servicekräfte mit anderen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausstatten. Zudem wollen die Befragten aktuell rund  600 Mrd. Dollar in Customer Services sowie technische Unterstützung investieren.

Um das Umsatzwachstum sicherzustellen, das die Investitionen trägt, und um Unternehmen durch die Transformation zu bringen, müssen viele Räder auf geschäfts- und vertriebsstrategischen sowie organisatorisch-prozessualen Ebenen ineinandergreifen. Hinzu kommen Herausforderungen an das Personalmanagement, wie beispielsweise die Rollendefinition, die spezifischen Kompetenzanforderungen, die Erstellung des Soll-Ist-Abgleichs und die Entwicklung des Sales-Beschäftigten – und nicht zuletzt die Anpassung der Vertriebsvergütung.

Vertriebsfunktion und -vergütung neu justieren

Organisationen müssen vermeiden, jetzt Entscheidungen zu treffen, deren Wirkung die Effekte der Krise übersteigen, oder die dazu führen, dass sie Wachstumschancen verpassen, wenn die Wirtschaft wieder anzieht. Den Fokus auf die Motivation und Incentivierung des Verkaufspersonals zu legen, scheint ein guter Weg zu sein. Wie können Unternehmen auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren? Einige Impulse:

Vertriebsrollen: Bisher galt, dass der Vertriebler entweder Neukunden "jagt"und sich auf die Bindung von „Accounts“ fokussiert, oder aber er verstärkt seine Anstrengungen, bei den Kunden neue oder mehr Produkte und Services zu platzieren. Aktuell sehen wir eine Verschiebung von der Neukundengewinnung hin zu mehr Kundenbindung beziehungsweise Durchdringung des Kundenunternehmens. Die typische „Hunter“-Rolle bekommt mehr Customer-Service-Anteile. Die Parameter, die eine typische Vertriebsvergütung treiben, wie beispielsweise die Dauer des Verkaufsprozess, die Anzahl der Kundeninteraktionen, die Art des Umsatzes des und andere, werden auf Stimmigkeit zum Vergütungssystem überprüft. Eventuell passt ein klassisches Bonusprogramm besser zur aktuellen Rolle.

Zielvergütung: In der Regel beziehen 65 Prozent der Vertriebler circa 40 Prozent der Vergütung aus den variablen Anteilen. Steigt das Risiko, bleibt der variable Anteil aus. Zu Beginn steht die Frage nach der Zielvergütung, basierend auf Marktüblichkeit und Bedeutung der Festvergütung. Auf den Ebenen Festvergütung, Incentives und variable Vergütungen werden Zielvergütungen adjustiert. Spezielle Incentives (SPIFF = Sales Performance Incentive Funding Fomula) können dabei die Zielvergütung ergänzen. Die SPIFFs können zwischen drei Prozent und zehn Prozent des Vergütungsbudgets ausmachen und werden häufig verwendet, um besondere Kampagnen zu unterstützen, wie die Generierung von Nettoumsatz, Neuverträgen oder deren Verlängerungen. SPIFFs, häufig als monetäre Anreize verstanden, können aber auch in nicht monetärer Form, zum Beispiel als wertvolle Geschenke oder Events, erfolgen.
Auch Retention-Boni gewinnen wieder an Bedeutung (circa zehn bis zwanzig Prozent des Gehalts), aber nur bei großer Abwanderungsgefahr von Schlüsselpersonen. Auch das Garantieren von Vergütungshöhen, die in regulären Zeiten erreicht worden waren, wird teilweise angewendet. Eine Anpassung der Grundvergütungen kann ebenfalls in Betracht gezogen werden. Problematisch ist jedoch, dass diese Veränderungen nicht so einfach rückgängig gemacht werden können und somit die „Cost of Sales“ dauerhaft belasten. Langfristige variable Komponenten, die auf Unternehmensleistung abzielen, stellen ebenfalls eine zusätzliche Alternative dar.

Vergütungsmix und Verdienstpotenzial: Einerseits kann die Aggressivität reduziert werden, indem der Risikoanteil bezogen auf die Fixvariable gesenkt wird. Andererseits ist es auch möglich, die Performance Excellence Levels zu senken, um mehr Personen in den obersten Vergütungsbereich gelangen zu lassen. Ebenso kann es sinnvoll sein, die Akzeleratoren, zum Beispiel auf Provisionsraten, anzuheben, sodass ab einem bestimmten Leistungsniveau die Vergütung nicht verdoppelt, sondern um das 2,5-fache angehoben wird.                     
                                                                                           
Planmechanismen: Eine mögliche Anpassung an die derzeitige Vertriebssituation bietet unter anderem das Herabsenken der erwarteten Mindestleistung im wesentlichen Leistungskriterium (Threshold). Diese kann gesenkt oder mit einer schrittweisen Progression versehen werden, sodass die Auszahlungen mit zunehmender Leistung sprunghaft ansteigen. Außerdem kann die Entfernung der ungeliebten „Caps“ Sales-Mitarbeiter zusätzlich motivieren. Dieses Vorgehen ist nur zu empfehlen, wenn eine unzureichende Datenlage und Information über die Märkte bestehen. Außerdem können die Zielwerte für eine exzellente Leistung gesenkt oder die Akzeleratoren für die Auszahlung für exzellente Leistungen angehoben werden. Ein beliebtes Instrument ist die Entfernung der Verknüpfung von Leistungskriterien wie Umsatz, Profit und Stückzahl, damit die Verkäufer nicht bestraft werden, die in einem Kriterium eine hohen Leistung erreichen, aber in einem der anderen unter den Erwartungen bleiben.

Quoten: Die meisten Organisationen nehmen hier Anpassungen vor und senken die Quoten teilweise um 20 Prozent bis 25 Prozent. Auch die Betrachtungszeiträume für die Leistung können verlängert werden. Abschlagszahlungen, die rückzahlbar und teilweise nicht rückzahlbar sind, werden ebenfalls eingesetzt. Wenn die tatsächliche Provision dann verdient ist, wird dies gegebenfalls gegengerechnet. Auch werden Quoten über verschiedene Perioden gemittelt, um die Effekte schlechterer Phasen auszugleichen. Teilweise ist zu beobachten, dass die Quoten außer Kraft gesetzt und die relative Leistung gegenüber Kollegen honoriert wird. Auch die Veränderung von einem Incentive-System hin zu einem mehr bonusorientierten System könnte der aktuellen Situation mehr gerecht werden.

To-Do‘ s in der Vertriebsvergütung

Unternehmen sollten die Auswahl der Crediting Rules in Hinblick auf die Vergütungssituation überprüfen und möglicherweise anpassen.

 

  • Von zentraler Bedeutung ist die Auswertung, sodass  eine kontinuierliche Überwachung der Situation und der Leistung gegeben ist.
  • Die PAR (Penetration, Akquisition und Retention)- Analyse bezogen, auf den Umsatz und wie er sich zwischen diesen Gruppen aufteilt, gibt Aufschluss darüber, ob das Vergütungssystem auf ein neues Umsatzmodell adjustiert werden sollte.
  • Typischerweise sind die Top-Verkäufer auch die Top-Verdiener in einem System, aber vielleicht haben einige Verkäufer herausgefunden, wie das System in ihrem Sinne genutzt werden kann und verdienen an Themen, die nicht durch die Leistung getrieben sind. Korrelation zwischen Bezahlung und Leistung muss sichergestellt werden, sodass Leistung und Auszahlung eng verknüpft bleiben.
  • In den Jahren 2020 und 2021 können sich unter Umständen gute und nicht so gute Leistungsträger sehr ähneln. Es müssen Wege gefunden werden, weiterhin zwischen Top- und Normalleistern zu unterscheiden. Die Leistungsdifferenzierung unterstützt, bei allen Sales-Mitarbeitern die Motivation  hochzuhalten. 
  • Typischerweise erfüllen oder übererfüllen 60 bis 75 Prozent der Verkäufer ihre Quoten zusätzlich, zehn Prozent auf einem exzellenten und weiteren zehn Prozent auf dem Minimalniveau. Wenn die Leistungskurve nicht mehr der Standardverteilung entspricht, sollten entsprechende Kalibrierungen an der Leistungsverteilung vorgenommen werden.
  • Die Vergütungskosten im Verhältnis zum generierten Umsatz liegen nach unseren Beobachtungen durchschnittlich zwischen sieben und acht Prozent und sollten entsprechend überwacht werden. 
    Jeder dieser Bereiche kann helfen, Motivation aufrecht- zuerhalten. In vielen Fällen schauen sich Unternehmen alle Ebenen an, um die Vertriebsvergütung zu adjustieren. Für den nachhaltigen „Rebound“ benötigt es aber konzertierte Maßnahmen aus Strategie, Organisation, Prozess, Technologie und Personalmanagement.

Holger Jahn
Senior Client Partner
Korn Ferry
holger.jahn(*)kornferry(.)com
www.kornferry.com