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Wettbewerbsnachteil Überregulierung

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Vorstände und Aufsichtsräte bekannter deutscher Unternehmen stehen der zunehmenden Regulierung der Vorstandsvergütung äußerst kritisch gegenüber. Auch lehnen sie weitere Eingriffe in die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats ab, da solche Eingriffe dessen Position teilweise untergraben würden. Erweiterte Rechte der Hauptversammlung bei der Bemessung der Vorstandsvergütung halten die Topentscheider für bedenklich, da der Hauptversammlung aus Sicht der Teilnehmer in vielen Fällen oft die notwendigen Informationen fehlen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Kienbaum-Erhebung unter deutschen Unternehmenslenkern. Im November und Dezember 2013 nahmen rund 80 hochrangige Vertreter bekannter deutscher Unternehmen an der Befragung teil. Knapp 90 Prozent von ihnen sind selbst Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied und somit direkt von den neuen Regulierungen betroffen.

 

63 Prozent der befragten Unternehmenslenker bewerten die zunehmende Regulierung der Vorstandsvergütung in Deutschland negativ. Viele sehen darin eine Aushöhlung der Kernaufgaben des Aufsichtsrats und bemängeln die starke Einschränkung des unternehmerischen Gestaltungsspielraums. Vereinzelte Auswüchse bei der Vorstandsvergütung ließen sich nicht durch staatliche Eingriffe beheben, so der Tenor der Befragten. Gleichzeitig wächst sich nach ihrer Ansicht die Überregulierung zu einem Wettbewerbsnachteil für börsennotierte Unternehmen aus. Rund zwei Drittel der Unternehmenslenker bezeichnen das Niveau der Vorstandsvergütung im sozialen Gefüge „als teils angemessen und leistungsgerecht, teils überhöht“. Nur wenige halten das Vergütungsniveau im sozialen Gefüge für mehrheitlich überhöht.

 

Als Beleg für das überwiegend ausgewogene Vergütungsniveau von Vorständen, Führungskräften und Mitarbeitern werten die Studienteilnehmer die Tatsache, dass sie selten oder nie Spannungen in ihren Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Vergütungsniveaus feststellen.

 

Vertikale Vergütungsvergleiche sind über die Zeitachse aussagekräftiger

 

Gemäß der Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex vom 13. Mai 2013 soll der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung das Verhältnis zum oberen Führungskreis (OFK) und der Belegschaft berücksichtigen. Diese Vorschrift hat aber die Akzeptanz vertikaler Vergütungsvergleiche mit dem OFK bei den Unternehmenslenkern kaum gesteigert. Nicht einmal jeder zweite hält solche Vergleiche für sinnvoll.

 

Manche Studienteilnehmer warnen vor möglichen Fehlanreizen im Kontext des vertikalen Vergütungsvergleichs. So könnten die Ergebnisse des Vergleichs den Vorstand dazu verleiten, das durchschnittliche Gehaltsniveau der oberen Führungskräfte entgegen der eigenen Sorgfaltspflicht und entgegen der Unternehmenspolitik anzuheben. Zudem relativieren die Befragten die Aussagekraft vertikaler Vergleiche. Vielmehr müssten Vergütungsstrukturen in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche sowie der Struktur und wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens betrachtet werden. Der vertikale Vergütungsvergleich, insbesondere die Relation der Vorstandsbezüge und der Bezüge des OFK, werden über die Zeitachse als sinnvoller und aussagekräftiger erachtet, da sie Entwicklungen aufzeigen. Allerdings beklagen knapp zwei Drittel der Unternehmenslenker den hohen Aufwand für den vertikalen Vergleich im Zeitverlauf.

 

Angemessener und tatsächlicher Vorstandsvergleich liegen eng beieinander

 

Vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussionen über Vorstandsbezüge haben die Studienteilnehmer die Fragen beantwortet, welches Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des OFK sie für angemessen halten und wie dieses Verhältnis in ihrem eigenen Unternehmen aussieht. Ein Großteil der Befragten hält ein Verhältnis der Vergütung des Vorstandsvorsitzenden zur Vergütung des OFK von 3:1 bis 5:1 für angemessen. Der Median beträgt dabei 4:1. Beim Verhältnis der Vergütung eines ordentlichen Vorstandsmitglieds zur Vergütung des OFK gibt eine Mehrheit ein angemessenes Verhältnis mit 2:1 bis 3,5:1 an. Hier liegt der Median bei 3:1. Neben dem Median (Med.) zeigen die Abbildungen auch das obere (oQ) und untere Quartil (uQ). Das untere Quartil ergibt sich, indem die Vergütungsrelationen ihrer Höhe nach geordnet und, von unten beginnend, ein Viertel der Werte abgezählt wird. Entsprechend ist, von oben beginnend, bei der Ermittlung des oberen Quartils zu verfahren.

 

Der Median für das tatsächliche Verhältnis der Vergütung des Vorstandsvorsitzenden zum OFK im jeweils eigenen Unternehmen beträgt nach Angaben der Studienteilnehmer 3,25:1, der Median für das tatsächliche Verhältnis der Vergütung eines ordentlichen Vorstandsmitglieds zur Vergütung des OFK liegt in der Realität bei 2,5:1. Die Nähe von angemessenem und realem Verhältnis lässt darauf schließen, dass die Unternehmenslenker die tatsächliche Höhe der Vorstandsvergütung – auch in Relation zum OFK – im Schnitt für angemessen halten.

 

Die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden und die eines ordentlichen Vorstandsmitglieds im jeweiligen Verhältnis zum OFK sind bei den DAX-Gesellschaften deutlich höher als bei den übrigen befragten Unternehmen. Der mittlere Wert der Vergütung des Vorstandsvorsitzenden zum OFK beträgt im DAX circa 8:1 und rund 6:1 beim Verhältnis der Vergütung eines ordentlichen Vorstandsmitglieds zur Vergütung des OFK. Demnach können unternehmensspezifische Eigenschaften wie die Größe oder die Komplexität eines Unternehmens, die bei DAX- Gesellschaften in der Regel deutlich ausgeprägter sind als in anderen Unternehmen, zu großen Schwankungen in der vertikalen Vergütungsrelation führen. Dadurch ist die allgemeine Vergleichbarkeit solcher Relationen fraglich. Auch die Vergütungsrelationen der einzelnen Branchen weisen große Unterschiede auf.

 

Populismus auf der Hauptversammlung befürchtet

 

Die Neufassung der Richtlinie für Aktionärsrechte durch die Europäische Kommission und der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung lassen erwarten, dass die Rechte der Hauptversammlung im Zusammenhang mit der Vorstandsvergütung künftig erweitert werden. Doch 88 Prozent der befragten Unternehmenslenker lehnen ein solches Szenario ab. Das vor allem aus dem Grund, dass der Hauptversammlung – im Gegensatz zum Aufsichtsrat – die notwendigen Informationen fehlen, um angemessen über die Vorstandsvergütung urteilen zu können. Fast jeder zweite Befragte befürchtet zudem einen problematischen Einfluss von Großaktionären auf die Hauptversammlung. Auch könnte es vermehrt zu populistischen Diskussionen auf Hauptversammlungen und zu einer einseitigen Fokussierung auf die Vorstandsvergütung kommen. Damit würde „die Hauptversammlung zum Schlachtfeld für böswillige Attacken und zur Arena für politische Statements“ werden, wie ein Befragter formuliert.

 

Würde die Hauptversammlung eines Unternehmens in Zukunft tatsächlich einmal die Vorstandsvergütung ablehnen, drohten nach Ansicht von knapp drei Vierteln der Befragten Probleme bei der Gewinnung und Bindung von Vorstandsmitgliedern. So würden die mangelnde Vertragssicherheit und die Unsicherheit über die Vergütung den Entscheidungsprozess potenzieller Vorstandsmitglieder komplizierter machen. Bereits heute fällt es vielen Aufsichtsräten schwer, geeignete Kandidaten für den Vorstand zu gewinnen.

 

Dr. Alexander von Preen

Geschäftsführer

Kienbaum Management Consultants GmbH

alexander.vonpreen@kienbaum.de

www.kienbaum-compensation.com

 

Dr. Sebastian Pacher

Consultant,

Kienbaum Management Consultants GmbH

sebastian.pacher@kienbaum.de

www.kienbaum-compensation.com