In Unternehmen, die stark unter dem Einfluss von Corona gelitten haben oder immer noch leiden, führt die Pandemie häufig dazu, dass variable Vergütungsbestandteile des Managements ganz oder teilweise entfallen. Damit entfällt auch ein wichtiges Instrument der Unternehmenssteuerung. Wie kann die Wirksamkeit von Vergütung als Steuerungs- und Retention-Instrument wiederhergestellt werden?
Die Corona-Krise hat die Wirtschaft in Deutschland in sehr unterschiedlicher Art und Weise getroffen. Während Unternehmen mit onlinebasierten Geschäftsmodellen in einigen Fällen sogar von der Krise profitieren können, leiden diejenigen im stationären Handel, Verkehr und Tourismus oder Kultur mitunter sehr stark. Diese Unternehmen befinden sich häufig in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite fallen Auszahlungen aus ergebnis- oder umsatzbezogenen variablen Vergütungsbestandteilen durch die Krise größtenteils oder sogar vollständig aus, da die Ziele ohne eigenes Verschulden verfehlt wurden. Hier zeigt sich, dass variable Vergütung funktioniert, denn das „Atmen der Vergütung“ gibt den Arbeitgebern kurzfristig finanziell etwas mehr Luft. Auf der anderen Seite kann ein spürbarer Rückgang oder Ausfall der variablen Vergütung aber dazu beitragen, dass wichtige Führungskräfte, denen bei der mittel- und langfristigen Bewältigung der Krisenfolgen eine wichtige Rolle zukommt, deutlich leichter von finanziell besser aufgestellten Unternehmen abgeworben werden können. So ist es keine Überraschung, dass gerade in krisengebeutelten Branchen der Kampf um Talente voll entbrannt ist. Daher drängt sich gerade in vielen mittelständisch geprägten Betrieben die Frage auf, wie wichtige Führungskräfte – trotz der finanziell weiter angespannten Lage – an das Unternehmen gebunden werden können.
Wir zeigen einige Ideen auf, wie Arbeitgeber Vergütung als Steuerungselement nutzen können, um die Bindung von Führungskräften zu erhöhen und wichtige Impulse für die Zukunft zu setzen. Da insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – die in der Regel nicht an der Börse gelistet sind – von der beschriebenen Situation betroffen sind, soll der Fokus hier auf nicht aktienbasierten Systemen liegen.
Long Term Incentives als Steuerungs- und Retention-Instrument
Eine Anpassung des bestehenden Vergütungssystems als Reaktion auf den Ausfall der kurzfristigen variablen Vergütung kann durch die Einführung einer zusätzlichen langfristigen Vergütungskomponente erfolgen. Diese sollte
- wichtige Führungskräfte langfristig an das Unternehmen binden,
- die kurzfristige Liquidität nicht zu stark belasten und
- idealerweise zusätzlich einen Fokus auf langfristige, strategische Aspekte legen.
Angesichts vieler Möglichkeiten bei der Ausgestaltung eines Long Term Incentives (LTI) stellt sich die Frage, welche Ausgestaltung die beschriebenen Ziele am ehesten erfüllt. Hier erscheinen insbesondere ein Short Term Incentive mit gestreckter Auszahlung (STI-Deferral) und ein Long-Term-Performance-Cash-Plan als geeignete und pragmatische Mittel. Diese werden im Folgenden vor dem Hintergrund der genannten Ziele beschrieben. Zur besseren Vergleichbarkeit wird für die Darstellung beider Instrumente beispielhaft auf eine vierjährige Laufzeit abgestellt.
Funktionsweise eines STI-Deferrals
Ein STI-Deferral besteht analog zu einem „normalen“ Short Term Incentive (siehe Abb. 1) zunächst aus einer einjährigen Bemessungs- beziehungsweise Performance-Periode. Für diese einjährige Periode werden ein oder mehrere Erfolgsziele inklusive Gewichtung festgelegt. Diese Erfolgsziele können grundsätzlich individuell oder kollektiv sowie finanziell oder nicht finanziell sein, wobei sich momentan kollektive gegenüber individuellen Ansätzen klar durchsetzen. Ein Blick in den Markt kleiner und mittelständischer Unternehmen zeigt, dass einjährige Ziele sich in der Regel an der Budgetplanung orientieren. Sie leiten sich daher zwar indirekt aus der Unternehmensstrategie ab, haben aber meist einen eher kurzfristigen operativen Fokus. Das Erreichen der Ziele sollte anspruchsvoll, aber realistisch sein.
Üblicherweise wird die Zielerreichung beziehungsweise die Auszahlung zudem mit Schwellenwerten und Caps versehen. Im Anschluss an die einjährige Performanceperiode wird auf dieser Basis ein auszuzahlender Betrag ermittelt. Anders als bei einem gewöhnlichen STI findet die Auszahlung bei einem STI-Deferral verzögert statt und hat somit im Vergleich zu Ersteren einen Finanzierungeffekt, sodass auch der kurzfristige Effekt auf die Liquidität geringer ist. Im Beispiel der Abbildung 1 streckt sich diese Auszahlung gleichgewichtet über vier Jahre. Die Auszahlung in den Folgejahren kann dabei an den Verbleib der begünstigten Führungskraft im Unternehmen gekoppelt werden, wobei die Verteilung auf die Folgejahre frei wählbar ist.
Funktionsweise eines Long-Term-Performance- Cash-Plans
Eine weitere mögliche Antwort für die oben beschriebene Herausforderung ist die Einführung eines Long-Term-Performance-Cash-Plans als klassischer LTI. Im Verglich zum STI-Deferral entspricht die Bemessungsperiode der mehrjährigen Laufzeit des Plans. Das führt dazu, dass idealerweise zukunftsbezogene Erfolgsziele für die gesamte Laufzeit festgesetzt werden und die Auszahlung erst nach der gesamten Laufzeit stattfindet. Im Gegensatz zum STI-Deferral sind Erfolgsziele mit längerer Laufzeit in der Regel enger mit der Unternehmensstrategie verknüpft und somit besser zur strategischen Unternehmenssteuerung geeignet. Für ein stark von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie beeinträchtigtes Unternehmen kann dieser Strategiebezug dazu beitragen, den Fokus so früh wie möglich vom stark operativen Krisenmanagement hin zur strategischen Neuausrichtung nach der Krise zu verlagern. Hier bieten sich, je nach Kompetenzbereich, auch Ziele an, die auf die zukunftsorientierte Transformation des eigenen Geschäftsmodells ausgerichtet sind (zum Beispiel Nachhaltigkeit oder Digitalisierung). Die schwierigere mittel- oder langfristige Planbarkeit der Erfolgsziele wird im Markt teilweise dadurch adressiert, dass die Schwellenwerte und Caps einen weiteren Korridor aufspannen als in der Kurzfristplanung. Die im Vergleich zum STI-Deferral spätere Auszahlung kommt zudem einer kurzfristig weiterhin angespannten Liquiditätslage entgegen.
Diskussion
Eine wichtige Funktion variabler Vergütung ist das Atmen der Vergütungshöhe mit der Unternehmensperformance. Dies hat sich besonders in der Krise gezeigt: Der Ausfall variabler Vergütungsbestandteile hat die stark von der Krise betroffenen Unternehmen finanziell entlastet. Allerdings zeigt sich immer deutlicher, dass dieser – in vielen Fällen unverschuldete – Ausfall variabler Vergütung auch negative Folgen hat, insbesondere im Hinblick auf die Bindung von Führungskräften. Dem kann die Einführung einer zusätzlichen, langfristigen Vergütungskomponente entgegenwirken. Aus der Unternehmensperspektive scheint der Performance-Cash-Plan die vorteilhaftere der dargestellten Alternativen, da er die langfristige Mitarbeiterbindung – unter Berücksichtigung der kurzfristigen Liquiditätssicherung – am besten mit der strategischen Perspektive vereint. Begünstigte Führungskräfte könnten hingegen ein STI-Deferral als attraktiver empfinden, da kurzfristige, einjährige Ziele greifbarer erscheinen und schon vor Ablauf der gesamten Laufzeit Auszahlungen erfolgen.
Doktor Maximilian Schmidt
Consultant, Board Services, Compensation & Performance Management
Kienbaum Consultants International GmbH
maximilian.schmidt(*)kienbaum(.)de
www.kienbaum.de
Dr. Sebastina Pacher
Director, Board Services, Compensation & Performance Management
Kienbaum Consultants International GmbH
sebastian.pacher(*)kienbaum(.)de
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