„Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht immer noch geschwinder als der, der ohne Ziel umherirrt.“ Dieses Zitat von Gotthold Ephraim Lessing lässt sich auf moderne Führungsprinzipien übertragen: Unternehmen sollten Führungskräfte auf die Ziele fokussieren und die Erwartungen seitens des Business klar kommunizieren. Idealerweise umfasst der HR-Performance-Prozess nicht nur die Zielvereinbarungen sowie die Ermittlung konzern-, bereichs- und personenbezogener Leistungszuwächse der jeweiligen Führungskraft, sondern auch regelmäßige Performancegespräche, um den individuellen Input und das allgemeine Leistungsverhalten im Alltagsgeschäft zu eruieren. Bisher wurden Zielvereinbarungs- und Perfor-manceprozesse in der Regel getrennt betrachtet und durchgeführt. Klassischerweise waren und sind Zielvereinbarungen – wenn überhaupt – relevant für eine variable Vergütung. Der Leistungsbewertungsprozess war und ist ein Element für Karrierewege (Potenzialanalyse) und Beförderungsentscheidungen. Allerdings: Durch die unterschiedliche Betrachtung entsteht ein erhöhter Zeitaufwand, der mehr Personal und Kapazitäten bindet. Darüber hinaus können getrennte Prozesse zu Erkenntnis- und Informationsverlusten führen, im ungünstigsten Fall auch zu unterschiedlichen Ergebnissen und Schlussfolgerungen. Eine gemeinsame Betrachtung von Zielvereinbarungs- und Performanceprozessen beinhaltet wiederum den Vorteil, dass über die zu beurteilende Führungskraft eine aussagekräftige Gesamteinschätzung getroffen werden kann. Dieser Beitrag möchte anhand aktueller Erkennt-nisse aus der Praxis aufzeigen, wie die Verzahnung von Gesamtperformance und Zielvereinbarung als Bau-stein eines erfolgreichen Performance-Management-Systems nachhaltig gestaltet werden kann.
Vom Kleinen zum Großen
Nicht nur, aber vor allem im Bereich der Finanzwirtschaft und bei bedeutenden Instituten werden Zielvereinbarungen mit bestimmten Mitarbeitenden aufgrund ihrer Funktion abgeschlossen. Die Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsprozesse müssen regulatorischen Vorgaben entsprechen, da sie als Grundlage für die Gewährung einer variablen Vergütung dienen. Bisher wurden sie gesondert behandelt und nicht mit einem all-gemeinen Leistungsbewertungsprozess in Form eines Gesamtperformancewerts kombiniert. Dies hatte und hat vor allem seinen Grund auch darin, dass zumindest die regulierten Unternehmen es als Risiko eingeschätzt haben, die vergütungsregulatorischen Vorgaben in der Folge auch für den allgemeinen Leistungsbewertungs-prozess anwenden zu müssen.
Aktuell ist allerdings zu beobachten, dass sich dieses Bild wandelt. Zum einen sind Banken inzwischen sehr geübt darin, vergütungsregulatorische Vorgaben nicht nur als „einengendes Korsett“ zu betrachten, sondern auch als Orientierungshilfe im positiven Sinn zu verstehen. Verbindliche und klare Rahmenbedingungen können durchaus hilfreich sein, um in dem vor-gegebenen Korridor Gestaltungsmöglichkeiten gut zu nutzen. Zum anderen entwickelt sich die Regulatorik der Institutsvergütungsverordnung im Zuge der ESG-Gesetzgebung gerade hinsichtlich des Nachhaltigkeitsbegriffs immer mehr zu einem Treiber von nachhaltigen Zielen, die Zukunftserwartung und -pläne greifbar machen. Kurz gesagt: Es ist aktuell einfacher, beide Themen – Projektarbeit in Zielvereinbarungen und das Tagesgeschäft der Leistungsbeurteilung – miteinander zu verzahnen. Banken erhoffen sich durch die zukünftige Kombination von Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsprozessen mit der allgemeinen Leistungsbewertung, ein aussagekräftiges Gesamtbild zu gewinnen. Idealerweise ist dies zusätzlich mit einer Einsparung von Ressourcen verbunden.
Die Neukonzeptionierung
Das aussagekräftige Gesamtbild bedarf einer Neuaufstellung der Verfahren. Im Hinblick auf den bloßen Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsprozess wer-den die relevanten Punkte nach den SMART-Kriterien (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminierbar) implementiert sowie auf Konzern-, Bereichs- und Individualebene festgelegt. Der davon zu trennende Leistungsbewertungsprozess umfasst hingegen regelmäßig eine Bewertung der Arbeitsergebnisse sowie des Arbeits- und des Führungsverhaltens. Sinn der Neuaufstellung ist es, den Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsprozess mit der Leistungsbewertung in Form eines Gesamtperformancewerts zu kombinieren. Bei der Umsetzung der Neukonzeptionierung stellen sich deshalb unterschiedliche rechtliche und praxisrelevante Herausforderungen. Insbesondere muss sie im Ergebnis mindestens die gleiche Effektivität aufweisen wie der zuvor getrennte Prozess.
Rahmenbedingungen und Herausforderungen
Zunächst müssen die regulatorischen Vorgaben bei der Implementierung und Durchführung des Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsprozesses beachtet werden. Sie orientieren sich inhaltlich weiterhin an den SMART-Kriterien und werden zugleich idealerweise auf Konzern-, Bereichs- und Individualebene festgelegt. Die Ziele müssen spätestens zum Ende des 1. Quartals je-des Jahres vereinbart werden. Während der Leistungsbewertungsprozess das bloße Arbeitsverhalten beurteilt und damit eine Erhöhung des Fixgehalts oder eine Beförderung avisiert, sind beim Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsprozess die zusätzlichen Vorgaben zu beachten. Aus regulatorischer Sicht nimmt die Vereinbarung eine Lenkungsfunktion ein, die auf Gewährung einer variablen Vergütung abzielt.
Welche Optionen stehen zur Wahl?
Im Rahmen der Vorbereitungsphase sollten Unternehmen bei einem Transformationsprojekt zunächst evaluieren, welches Modell der Konzeptionierung geeignet ist. Hierbei lassen sich drei Optionen unterscheiden:
- Möglich ist beispielsweise, die Leistungsbewertung als zusätzliches individuelles Ziel in die Zielvereinbarung mit aufzunehmen und damit vollständig zu integrieren. Dementsprechend würde in einer ersten Stufe eine Leistungsbewertung vorgenommen, deren Ergebnis dann in den Zielerreichungsprozess mit einfließen würde. Dieser Ansatz schwächt allerdings die Leistungsbeurteilung als eigenständigen Baustein. Zudem würde die Gewichtung – regulatorisch bedingt – auf maximal zehn bis 15 Prozent des Gesamtwerts sinken. Dies wird in der Praxis nicht als angemessen beurteilt.
- Denkbar ist auch ein zweiteiliges Konzept. Zielvereinbarungs- und Zielerreichungsprozess einerseits und die Leistungsbewertung andererseits werden eigen-ständig und getrennt ermittelt und können dann in ein Gesamtergebnis mit einem Rechenwert über-führt werden. Der getrennt ermittelte und eigen-ständige Zielerreichungswert ist regulatorisch nach der Institutsvergütungsverordnung erforderlich und dient zur Bemessung der variablen Vergütung. Wichtig ist zudem, dass dieser Wert auch eigenständig im HR-IT-System gespeichert werden kann und zum Beispiel für Deferral- und Malus-Prozesse in Zukunft verfügbar ist. Nur den Gesamtperformancewert zu verwenden, würde zumindest bei Banken gegen die regulatorischen Vorgaben verstoßen.
- In einer dritten Variante wird auf die rechnerische Ermittlung eines Gesamtperformancewerts sogar ganz verzichtet. Im Vordergrund steht die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, in der die Zielerreichung auf der einen Seite und die Leistungsbewertung auf der anderen Seite nacheinander besprochen werden. So kann die Führungskraft genau differenzieren, ob ein erfolgreiches Performancejahr mit einer hohen variablen Vergütung auch eine entsprechende Potenzialanalyse oder Beförderungsentscheidung rechtfertigt oder nicht.
Zusammenfassung
Zielvereinbarungen und Leistungsbewertungen sind zwei Seiten einer Medaille. Aus unserer Sicht ist es wichtig und richtig, dass sich die Prozesse verbinden. Nur über diesen Weg kann angemessen analysiert und entschieden werden, ob eine erfolgreiche Performance auch eine Beförderung rechtfertigt. Oder aber ob eine außergewöhnlich gute Erledigung der Regelaufgaben verbunden mit guter Führungsleistung eine Beförderung auch dann rechtfertigen kann, wenn die variable Vergütung keine 100 Prozent erreichte.
Verbindliche und klare Rahmenbedingungen können durchaus hilfreich sein, um in dem vorgegebenen Korridor Gestaltungsmöglichkeiten gut zu nutzen.
Die Implementierung eines zweigliedrigen Gesamtperformanceprozesses erfordert einige Umsetzungsmaßnahmen, die sich im Ergebnis für die Mitarbeiten-den und den Arbeitgeber lohnen. Dies gilt nicht nur für Banken, sondern auch für Unternehmen, die nicht regulatorischen Vorgaben unterfallen. Nachhaltigkeitsbezogene Ziele (Environmental, Social, Governance) sollten zudem nicht auf Zielvereinbarungen begrenzt bleiben, sondern sich auch in der Leistungsbewertung widerspiegeln. Wichtiger als die formale Ermittlung eines Gesamtperformancewerts ist zu diesem Zweck die Vereinheitlichung der HR-Prozesse zu einem jährlichen Mitarbeitergespräch, in dem beide Aspekte, Zielerreichung und Leistungsbewertung, nacheinander gewürdigt werden können.
Dr. Theofanis Tacou
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
theofanis.tacou(*)gsk(.)de
Dr. Martin Hörtz
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
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Dr. Alexander Insam
Partner, Rechtsanwalt, Mediator, Fachanwalt für Arbeitsrecht, GSK Stockmann Rechtsanwälte Steuerberater
Partnergesellschaft
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