Ein gemeinsames Ziel für alle – eine gemeinsame Vergütung für alle. Dr. Claus Vormann, Head of Compensation & HR Systems beim Energiedienstleister Ista International, stellte beim 5. Praxisforum Total Rewards das Compensation- und Benefitssystem seines Unternehmens vor. Das Besondere dabei sei: Die Boni von allen Bonusempfängern, die nicht zum Sales-Bereich gehören (es sind circa 450 der 5.800 Mitarbeitenden), sind von persönlichen Zielen der einzelnen Mitarbeitenden losgelöst.
Damit trage das Unternehmen den sich ständig ändernden Anforderungen und Herausforderungen Rechnung, mit denen sich Mitarbeitende und das Unternehmen im Arbeitsalltag konfrontiert sehen. Der Bonusanspruch richte sich nach dem gemeinsamen Erreichen der Gruppenziele. „Bonusempfänger sollten nicht mehr nur einer Karotte hinterherlaufen“, erklärte Vormann.
Veränderungen in der Unternehmenskultur
Die Veränderung wirke sich laut dem Vergütungsexperten auch auf die Unternehmenskultur aus. Mitarbeitergespräche hätten sich verändert: Früher haben Führungskräfte dort mit ihren Mitarbeitenden überwiegend über die persönlichen Bonusziele gesprochen. Nun dienten diese Gespräche mehr dem gegenseitigen Austausch, nicht mehr dem Besprechen von Zielvorgaben und deren Einhaltung.
HR bei Ista entwickelte dafür ein neues Austauschs- und Gesprächsformat: IstaNav – das Ista Navigationsgespräch. Im Fokus dieser Gespräche zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitenden stehe der Austausch über gegenseitige Erwartungen sowie über die jeweiligen Prioritäten, die aus dem Blickwinkel der jeweiligen Gesprächspartner zum Erreichen der gemeinsamen Unternehmensziele wichtig sind. „Denn nur weil kein Bonus mehr an eine Zielvorgabe gekoppelt ist, gibt es ja keine Ziele mehr“, erklärte Claus Vormann.
Agiles Arbeiten in der Unternehmensgruppe
Dieser regelmäßige Austausch sei auch wichtig für die agile Arbeitsweise in der Unternehmensgruppe. „Denn agiles Arbeiten ist hochgradig zielorientiert“, sagte Vormann in seiner Keynote. Erste Schritte in Richtung agiles Arbeiten habe die Unternehmens-IT bereits im Jahr 2011 unternommen. Die Entwicklerinnen und Entwickler in dem Bereich sahen die Notwendigkeit, anders zu arbeiten, um effizient bleiben zu können. Acht Jahre später, 2019, versuchte sich dann auch der HR-Bereich des Unternehmens im agilen Arbeiten – „mit Hilfe von Coaches und der Kanbanmethodik“, erklärt der Leiter HR Systems.
Aktuell befinde sich das ganze Unternehmen mitten in der Transformation, verschiedene Abteilungen seien darin unterschiedlich weit. Das wirke sich auch auf die Vergütungsmodelle aus.
Vergütung der Mitarbeitenden
Anders als in Lehrbüchern über New Work und Agilität empfohlen, entschied sich Ista gegen das Veröffentlichen und Transparentmachen von Gehältern. „Das hat mit unseren gewachsenen Strukturen zu tun“, sagte Vormann. „Außerdem steigert es vermutlich die Zufriedenheit derer, die über dem Gehaltsdurchschnitt im Unternehmen liegen, verringert aber die Zufriedenheit derer, die unterhalb des Durchschnitts liegen.“ Der Gesamteffekt der Gehaltstransparenz sei aus Sicht des Unternehmens ein negativer. „Die Gehälter bleiben individuell, es gibt kein Einheitsgehalt“, erklärte der Head of Compensations weiter.
Auswirkungen auf das Titel- und Stellenmodell
Hierarchien und Laufbahnen gebe es im Unternehmen nach wie vor noch – außer in den agilen Teams. Hier seien beispielsweise alle Agile Master gleichgestellt, ungeachtet ihres Titels und ihrer Position im Unternehmen. Und auch die Mitarbeitenden in den agilen Teams dürfen sich keine Führungskraft aussuchen. „Jeder kommt in das Team, in das er aufgrund seiner Stärken und Ausbildung am besten passt“, so Vormann.
Ein neues Führungssystem muss entwickelt werden
Weiterentwickeln möchte die Ista-Gruppe in der kommenden Zeit vor allem zwei Dinge:
- Das Belohnungssystem soll um Belohnungsmöglichkeiten für persönlich individuell erbrachte Leistungen erweitert werden. Es soll dann auch nicht-monetäre Belohnungen einschließen.
- Ein neues Gradingsystem soll entwickelt werden, das der zunehmend agil arbeitenden Organisation gerecht wird, erklärte Vormann. „Denn die hierarchische Führung wird aktuell viel zu stark betont.“ Das alte System kollidiere mit immer wechselnden Gruppen und Verantwortungsbereichen. Hierbei gehe es vor allem darum, Komplexität zu reduzieren und schneller auf Veränderungen reagieren zu können.
Insgesamt gebe es ein enges Wechselspiel zwischen der Unternehmenskultur, also der Art wie das Unternehmen aufgestellt ist und was es lebt, und der Weise, wie es graded, wie es vergütet und strukturiert. Das dürfe kein Unternehmen außer Acht lassen, empfahl Vormann.
Tim Stakenborg verantwortet die Heftplanung des Magazins Personalwirtschaft. Zudem betreut er das Thema Aus- und Weiterbildung (inklusive MBA und E-Learning) und beschäftigt sich mit dem Bereich Employee Experience und Retention.