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Die digitale Rentenübersicht

Begünstigte einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland werden durch unterschiedliche Kanäle über ihre bAV-Anwartschaften informiert. So haben sich unternehmens- oder einrichtungsspezifische digitale Lösungen zur Kommunikation individueller bAVInformationen inklusive umfangreicher Self-Services etabliert. Nun kommt Ende 2022 ein neuer Kommunikationskanal hinzu: Das neue Bürgerportalportal der DRV (Deutsche Rentenversicherung) Bund verfolgt das Ziel, eine Digitale Rentenübersicht über die Säule der bAV hinaus zu ermöglichen. Daher sind Vorsorgeeinrichtungen jetzt aufgefordert, sich auf eine verpflichtende Anbindung administrativ vorzubereiten und aktiv das Zusammenspiel der bisherigen bAV-Kommunikation mit der neuen Digitalen Rentenübersicht zu gestalten.

Die Digitale Rentenübersicht ist ein neues Bürgerportal der gesetzlichen Rentenversicherung, das über die individuellen Ansprüche aus der gesetzlichen, privaten und betrieblichen Altersvorsorge informiert. Die DRV Bund hat die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht (ZfDR) eingerichtet, das Portal realisiert und die Anbindungstechnologie für die verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen bereitgestellt. Das Portal startet Ende 2022 mit einer einjährigen Pilotphase (erste Betriebsphase), an der Versorgungseinrichtungen freiwillig teilnehmen können. Während dieser Zeit ist eine laufende Evaluation und Weiterentwicklung eingeplant.

Jetzt beginnen: Vorarbeiten für die Anbindung

Mit der Veröffentlichung der ZfDR-Informationsseite für Vorsorgeeinrichtungen konkretisieren sich die Anforderungen, sodass mit den Vorbereitungen für die Anbindung spätestens jetzt begonnen werden sollte. Einrichtungen, die im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge zur jährlichen Übermittlung von Standmitteilungen verpflichtet sind – also mit Direktversicherungen, Pensionsfonds oder Pensionskassen – müssen sich laut dem Gesetz zur Entwicklung und Einführung einer Digitalen Rentenübersicht (Rentenübersichtsgesetz) anbinden. Ob diese Verpflichtung bereits ab Ende der Pilotphase im Dezember 2023 greift, ist bislang offen.

Die Digitale Rentenübersicht ist kein Ersatz für unternehmens- oder einrichtungsspezifische Lösungen, da bestimmte Informationen und bAVSelf- Services mit Detailtiefe fehlen. Unabhängig von der Verpflichtung wird das Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern eine vollständige Übersicht über ihre Anwartschaften zu geben, nur durch eine breite Beteiligung aller Versorgungseinrichtungen erreichbar sein. Für bAV-Vorsorgeeinrichtungen und -Trägerunternehmen sowie ihre Dienstleister stellen sich damit neue Herausforderungen, die durchaus mit initialen und laufenden Kosten verbunden sind. Außerdem ergeben sich neue Fragestellungen, wie beispielsweise die des möglichen Einflusses der Digitalen Rentenübersicht auf die bisherige bAV-Kommunikation an die Begünstigten.

Informationen in reduzierter Komplexität

Das vorgesehene standardisierte Schema zur Meldung von individuellen Ansprüchen und jährlichen Standmitteilungen an die DRV Bund sowie die säulen- und anbieterübergreifende Bündelung dieser Informationen in einem Portal sollen den Bürgerinnen und Bürgern einen vollständigen Überblick ihrer Altersvorsorge ermöglichen. Unternehmensindividuelle Lösungen, die bereits passgenau über die eigene bAV Zusagelandschaft informieren, sind in das feste Meldeschema der ZfDR einzufügen. Die Aufgabe, die bestehende Komplexität zu reduzieren, fällt damit den Vorsorgeeinrichtungen zu. Art und Umfang der übermittelbaren Informationen sind allerdings durch das vorgegebene Meldeschema beschränkt. Das bedeutet in der Folge, dass für Arbeitnehmer, die eine bAV-Anwartschaft haben, zwar ein zusätzlicher Kanal entsteht, der die bestehenden Informationsmöglichkeiten ergänzt. Doch er kann keinen Ersatz bieten, da bestimmte Informationen und bAV-Self-Services mit Detailtiefe fehlen. Wenn die Digitale Rentenübersicht an Bedeutung gewinnen soll, wird es wichtig sein, das Zusammenspiel der verschiedenen Kommunikationskanäle aktiv und konsistent zu gestalten.

BAV-Kommunikationsstrategie überarbeiten

In diesem Zusammenhang sehen sich Anbieter auch mit der Überarbeitung der Kommunikationskonzepte allgemein konfrontiert. Dadurch, dass zunächst nur gewisse Durchführungswege zur Anbindung verpflichtet sein werden, sollte man die bestehenden Informationskanäle auf den Prüfstand stellen, da Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konsistente Auskünfte wünschen und erwarten. Ein Verlust an Kommunikationsklarheit wird sich sonst schnell in erhöhten Anfragen über Service Lines oder anderen Kanälen bei den Trägerunternehmen oder Vorsorgeeinrichtungen beziehungsweise ihren Dienstleistern bemerkbar machen.

BAV-Bestandsadministration: zusätzliche Daten erforderlich

Zur Anbindung an das ZfDR-Meldeverfahren sind jährliche Datenexporte aus der Bestandsadministration der bAV laut vorgegebener Schnittstellenformate und Datenübertragungswege erforderlich. Als Identifikationsmerkmal zur eineindeutigen Zuordnung von Anspruchsberechtigten wird im Rahmen des ZfDR-Meldeverfahrens die steuerliche Identifikationsnummer (Steuer ID) der betroffenen Personen erforderlich. Das bedeutet, dass Stellen, die zukünftig Standmitteilungen und Daten für die Digitale Rentenübersicht an die ZfDR melden müssen, ihre Bestände um die Steuer-ID ergänzen müssen. Insbesondere bei denjenigen mit unverfallbaren bAV-Ansprüchen, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, liegen diese Daten den Vorsorgeeinrichtungen nicht oder nur teilweise vor. Das Fehlen des Schlüsselfelds hat eine unvollständige Darstellung der bAV-Komponente in der Digitalen Rentenübersicht zur Folge und könnte zu Unverständnis und damit zu erhöhtem Anfragevolumen bei Anbietern von Altersvorsorgeprodukten führen.

Um die Ergänzung der Bestände zu unterstützen, soll hierfür das aus dem Rentenbezugsmitteilungsverfahren
bekannte maschinelle Anfrageverfahren der Steuer ID beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) um für die Digitale Rentenübersicht relevanten Rechtsgründe erweitert und genutzt werden. Aufwände zur Einrichtung der Nutzung und Durchführung dieses maschinellen Verfahrens für größere Bestände von unverfallbaren Anwartschaften sind für die Vorsorgeeinrichtungen zu berücksichtigen.

Es bleibt noch viel zu tun

Mit der Digitalen Rentenübersicht werden die Möglichkeiten rund um digitale Services im Bereich der Kommunikation von bAV-Informationen um eine Variante reicher. Dies wirft viele Fragen auf:

  • Wie werden die Bürgerinnen und Bürger damit umgehen? Werden sie diesen neuen Kanal ergänzend zu den unternehmensspezifischen Kommunikationsplattformen der bAV nutzen?
  • Werden sie die Unterschiede verstehen und die Hürden verschiedener Authentifizierungsverfahren an ihren Kommunikationsplattformen zur Altersvorsorge problemlos nehmen?
  • Oder werden sie sich fragen, warum nicht beispielsweise im Rentenlückenrechner ihres Arbeitgebers, den sie bequem per Single-Sign-On erreichen, ergänzende Werte ihrer Anwartschaften von vorherigen Arbeitgebern sowie weiterer Säulen der Altersvorsorge nicht einfach aus der Digitalen Rentenübersicht hervorgehen.

Über die Realisierung einer solchen umfassenden Altersvorsorgeinformation sollten auch die Vorsorgeeinrichtungen nachdenken: Nur mit einer guten User Experience kann die Nutzung der bestehenden und neuen Self-Services mit dem ambitionierten Ziel einer verbesserten Planung und Umsetzung der Altersvorsorge der Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden. Dies ist eine große Aufgabe, aber auch eine Chance für alle beteiligten Vorsorgeeinrichtungen, Dienstleister und die DRV Bund, die Kommunikation und Planbarkeit der Altersvorsorge gemeinsam auszubauen, sodass sie einen echten Mehrwert leistet.

Dr. Franziska Kühnemund
Senior Director Technology & Administration Solutions
Head of Software & Design
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Michéle Fleckenstein
Associate Technology & Administration Solutions
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Sascha Muhr
Associate Technology & Administration Solutions
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