Der Begriff des nachhaltigen Handelns umfasst unter anderem eine schonende Nutzung und die sozial gerechte Verteilung von Ressourcen. Viele Aspekte des Nachhaltigkeitsbegriffs werden durch die sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social und Governance) abgebildet, die im Unternehmensalltag und auch bei der Ausgestaltung von Vergütungssystemen gut zu handhaben sind. Die wesentlichen Ziele des nachhaltigen Handelns bestehen vor diesem Hintergrund darin, die Umwelt zu schonen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und die Standards der guten Unternehmensführung einzuhalten.
Von Green-HRM bis zum Lieferkettengesetz
Große gesellschaftliche Veränderungen beeinflussen immer auch das Handeln von Unternehmen. So haben in den vergangenen Jahren die stark gestiegene Bedeutung von Umweltbelangen und der Kampf gegen den Klimawandel als zentrales Problem der Menschheit im 21. Jahrhundert dazu geführt, dass immer mehr Unternehmen Wert auf die Einführung und Umsetzung eines ökologisch nachhaltigen Personalmanagements (Green-HRM) legen. Dies kann sich beispielsweise darin zeigen, dass Firmen ihren Mitarbeitern statt konventionelle Dienstwagen elektrisch betriebene Kfz oder E-Bikes zur Verfügung stellen. Oder zum Beispiel den Papierverbrauch im Büro möglichst stark reduzieren.
Ein weiteres Beispiel für die wachsende Bedeutung von nachhaltigem Handeln stellt das neue Lieferkettengesetz dar. Mit diesem Gesetz werden Arbeitgeber künftig dazu verpflichtet, entlang der gesamten (internationalen) Lieferkette neben der Umwelt vor allem Menschenrechte und damit wesentliche soziale Belange zu schützen. Aufgrund der großen Bedeutung von ökologischen und sozialen Fragen und dem allgemeinen gesellschaftlichen Klima ist es für Unternehmen also schon heute unumgänglich, nachhaltiges Handeln als wichtigen Teil ihrer Unternehmenskultur zu begreifen.
Nachhaltigkeitsziele in der Vergütung
Daher setzen Arbeitgeber immer häufiger über ihre Vergütungssysteme Anreize zum nachhaltigen Handeln für ihre Mitarbeiter. Hierbei liegt der Fokus zwar stark auf der Vereinbarung entsprechender Nachhaltigkeitsziele, die die Höhe der variablen Vergütung beeinflussen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Thema ESG für die fixe Vergütung keine Bedeutung hat. Einige zentrale Eckpunkte:
- Ein wesentlicher Aspekt der guten Unternehmensführung liegt darin, dass Frauen und Männer für die gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich entlohnt werden, womit auch die fixe Vergütung angesprochen ist. Eine entsprechende Verpflichtung ist zwar bereits durch das Entgelttransparenzgesetz begründet, aber auch im Kontext des nachhaltigen Handelns bedeutsam. Ebenso wird es für die Außenwahrnehmung zunehmend wichtiger, dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im tatsächlich umgesetzten Vergütungssystem erkennbar ist. Dies gilt ungeachtet der Schwierigkeiten im Detail, die sich aus der Definition des Begriffs der gleichen oder gleichwertigen Arbeit und unterschiedlichen Karriereverläufen von Männern und Frauen ergeben können.
- Auf der Ebene der variablen Vergütung haben die HR-Verantwortlichen die bereits angesprochene Möglichkeit, die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen in angemessenem Umfang in Zielvereinbarungen aufzunehmen. Hierbei sollten sie aber stets darauf achten, dass jeweils nachvollziehbare und auch realistisch erreichbare Größen vereinbart werden, die wirksam überprüft werden können. So dürfte es grundsätzlich für alle Unternehmen möglich sein, Ziele im Hinblick auf die Reduzierung der eigenen CO2-Emissionen durch sinnvolle Vorgaben zur Beheizung der Büroräume und möglicherweise eine Umstellung der Dienstwagenflotte auf Elektrofahrzeuge zu vereinbaren.
- Für jeden Arbeitgeber ist es möglich, sich ehrgeizige Ziele im Hinblick auf die Diversität auf allen Mitarbeiterebenen zu setzen. Um das Bewusstsein für die Bedeutung von nachhaltigem Handeln in diesem Bereich zu vergrößern, ist es durchaus sinnvoll, die Teilnahme an Schulungen zum Leitbild ESG als vergütungsrelevantes Ziel zu vereinbaren. Hierbei sollten Führungskräfte Vorgaben im Hinblick auf die Erarbeitung und Umsetzung entsprechender Konzepte setzen, während die übrigen Mitarbeiter für ihre Beteiligung an entsprechenden Maßnahmen belohnt werden könnten.
- Auf der Produktebene sollte stark nach dem jeweiligen Unternehmenszweck differenziert werden. Während es für einen Immobilienentwickler beispielsweise Sinn machen kann, Zielgrößen im Hinblick auf Investitionen in ökologisch nachhaltige Gebäude zu formulieren, erscheint bei einem Lebensmittelkonzern die Verarbeitung vorwiegend regionaler Produkte zur Vermeidung langer Lieferwege als ein angemessenes Ziel.
Im Zuge der Evaluierung der Vergütungssysteme sollten Arbeitgeber stets prüfen, ob die formulierten Ziele noch angemessen sind oder ob sie durch neue ersetzt beziehungsweise ergänzt werden sollten. Existiert ein Betriebsrat, sollte dieser beim kompletten Prozess der Implementierung von Nachhaltigkeitszielen in das Vergütungssystem einbezogen werden. Denn auf diese Weise können nicht nur die bestehenden Mitbestimmungsrechte erfüllt, sondern auch eine breite Akzeptanz für die Maßnahmen innerhalb der Belegschaft erreicht werden.
Gesetzliche Vorgaben
Für einige Unternehmen bestehen darüber hinaus bereits heute gesetzliche Vorgaben zu Thema Nachhaltigkeit und Vergütung. So muss die Vergütungsstruktur der Vorstandsmitglieder von börsennotierten Firmen seit der Umsetzung der europäischen ARUG II auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung des jeweiligen Unternehmens ausgerichtet sein. Hieraus wird einhellig darauf geschlossen, dass börsennotierte bei der Vergütung von Vorstandsmitgliedern auch ökologische und soziale Gesichtspunkte berücksichtigen müssen.
Im regulierten Bereich der Finanzindustrie sind sogenannte Finanzmarktteilnehmer, beispielsweise Banken und Kapitalverwaltungsgesellschaften, aufgrund der europäischen Offenlegungsverordnung seit diesem Jahr zu einer hohen Transparenz verpflichtet. Konkret müssen sie in ihrem Vergütungssystem und auf ihrer Homepage Angaben dazu machen, inwiefern ihre Vergütungspolitik mit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung im Einklang steht. Diese Unternehmen müssen also schon heute angeben, ob und in welcher Art und Weise sie über die Gestaltung der variablen Vergütung auf die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen hinwirken. Investoren achten hierbei genau darauf, welche Unternehmen hohe Standards einhalten, und machen ihre Anlageentscheidungen zunehmend auch von diesem Punkt abhängig. Aufgrund der hohen Bedeutung des Themas kann zudem damit gerechnet werden, dass die gesetzlichen Anforderungen in Zukunft noch verschärft beziehungsweise auf weitere Branchen übertragen werden.
Haftung für Nachhaltigkeitsverstöße?
Bereits heute haben Unternehmen also die Möglichkeit, sich durch ein glaubwürdiges Konzept zum nachhaltigen Handeln positiv gegenüber Kunden und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die angemessene und effektive Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen bei der Vergütung bildet hierfür einen zentralen Baustein, weil sie eine starke Lenkungs- und Steuerungswirkung auf die Führungskräfte und Mitarbeiter entfaltet.
Gleichzeitig kann zumindest für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, dass Arbeitgeber beziehungsweise Führungskräfte für Verstöße gegen elementare Nachhaltigkeitspflichten zur Haftung gezogen werden. So war beispielsweise bereits bei der Diskussion über die Einführung des neuen Lieferkettengesetzes umstritten, ob Verstöße eine eigenständige Haftung begründen sollen. Diese ist zwar im Ergebnis nicht umgesetzt worden, allerdings wurde ausdrücklich auf eine mögliche zivilrechtliche Haftung bei Verstößen nach allgemeinen Grundsätzen hingewiesen.
Auch im Bereich des nachhaltigen Handelns wird eine zivilrechtliche Haftung aktuell nur bei Verstößen in Betracht kommen, die insbesondere nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen eine Schadensersatzpflicht begründen. Hierzu können beispielsweise schuldhafte Umweltverschmutzungen zählen. Für die Zukunft kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber doch noch spezielle Haftungstatbestände für Verstöße gegen grundlegende Nachhaltigkeitspflichten einführt.
Ausblick
Schon heute haben zahlreiche Unternehmen Nachhaltigkeitsziele in ihre Vergütungssysteme aufgenommen und greifen zu diesem Zweck bevorzugt auf ESG-Kriterien zurück. Vor dem Hintergrund der sich ständig erhöhenden Anforderungen kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die bereits bestehenden Nachhaltigkeitspflichten in Bezug auf die Vergütung noch verschärft oder auf weitere Branchen ausweitet. Unternehmen sollten daher bereits jetzt aktiv werden.
Dr. Philipp Kuhn
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
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Dr. Martin Hörtz
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Dr. Björn Christ
Rechtsanwalt
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