Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland folgen in der Vergütung ihrer Top-Managementkräfte vielfach dem Mantra der Durchgängigkeit. Dieser Ansatz impliziert, dass die Vergütung von Führungskräften in börsennotierten Unternehmen in Deutschland – angefangen beim Vorstand bis hinunter auf die AT-Ebene – einer gleichen Systematik folgt. Doch weder Aktiengesetz und Deutscher Corporate Governance Kodex noch Investoren fordern explizit dieses Vorgehen.
Die Logik, Führungskräfte auf identische Ziele auszurichten und homogen zu incentivieren, klingt vernünftig. Sie hat aus Governance-Sicht durchaus ihre Berechtigung: einheitliche Anreizwirkung sowie gleiche Grundsätze für die Steuerung der Führungskräfte auf den unterschiedlichen Ebenen – das stärkt zweifelsohne den übergeordneten Unternehmensgedanken und gewährleistet einen Gleichlauf der Ziele über alle Führungsebenen hinweg.
Dennoch gibt es gute Gründe, dieses Prinzip auf den Prüfstand zu stellen. Zum einen stellt sich die Frage, wie zeitgemäß strikt von oben gedachte und konzipierte Vergütungssysteme noch sind. Auch ist zweifelhaft, ob das Thema Vergütung alleine durch die Vorstandsbrille betrachtet werden sollte. Denn dies hat letztlich zur Konsequenz, dass eine ohnehin komplexe Materie auf alle Führungskräfte und Mitarbeiter übertragen wird.
Vergütung zwischen Regulatorik und Investorenanforderungen
Vorstandsvergütung unterliegt in immer stärkerem Ausmaß Investorenanforderungen und ist Gegenstand zahlreicher regulatorischer Vorstöße – und das weltweit. In diesem Rahmen wurden und werden für wenige Vorstände immer detailliertere Vorgaben ersonnen, die dann nach dem Prinzip der Durchgängigkeit in der Regel auch auf weitere Führungskräftekreise angewendet werden – ungeachtet der Hierarchiestufe oder der Region. Dieses Vorgehen passt vielfach nicht mehr zu aktuellen globalen Vergütungsphilosophien, die heute wesentlich stärker auf Differenzierung ausgerichtet sind.
Vorstände und Führungskräfte in Vergütungsfragen über einen Kamm zu scheren, erweist sich damit als immer problematischer. Die Relevanz und Sinnhaftigkeit bestimmter Detailvorgaben in der Vorstandsvergütung ist für Führungskräfte jedenfalls auf unteren Hierarchieebenen nicht gegeben. Viele Regelungen erhöhen die administrativen Anforderungen und/oder sind in anderen Märkten schlicht nicht üblich. Insbesondere Unternehmen mit substanziellen Geschäftsaktivitäten und Führungskräftepopulationen außerhalb Deutschlands stehen vor erheblichen Herausforderungen in der Umsetzung und Akzeptanz zentraler Vorgaben, die aus der Vorstandsvergütung abgeleitet wurden. Daraus resultieren nicht selten Konflikte: angefangen von der Talentgewinnung über den jährlichen Performance-Management-Prozess bis hin zur Mitarbeiterbindung.
Regulatorik als Exportschlager?
Langfristvergütungen, die den aktuellen gesetzlichen wie regulatorischen Anforderungen entsprechen, sind typischerweise als Performance-Share-Plan auf eine vierjährigen Periode ausgelegt. Sie verwenden interne strategische sowie externe Erfolgsziele wie beispielsweise den relativen Total Shareholder Return (TSR), der gegen einen Index oder eine Vergleichsgruppe gemessen wird. Berücksichtigt werden darüber hinaus auch Vorgaben aus dem Bereich Umwelt und Soziales (ESG).
Insgesamt beläuft sich der Long-Term-Incentive-Anteil einer Vorstandsvergütung auf rund 60 Prozent der variablen Bezüge, wobei die Auszahlung gedeckelt ist und Rückforderungsmöglichkeiten – sogenannte Clawbacks – vertraglich verankert sind. Des Weiteren gibt es vielfach Aktienhalteverpflichtungen.
Mit Ausnahme von Banken und Finanzdienstleistern bestehen derartige regulatorische Anforderungen nicht für die Vergütungssysteme von Führungskräften auf den Ebenen unterhalb des Vorstands. Umso mehr kritisieren gerade aus Deutschland heraus agierende internationale Unternehmen das als allgemeingültig verstandene Prinzip der Durchgängigkeit als ein Aufzwingen deutscher Vorschriften auf Führungskräfte anderer Länder. Und es stellt sich die Frage, wie viel deutsche Regulatorik in die Welt exportiert werden muss.
Selbstverständlich gilt es, Wildwuchs zu vermeiden, insbesondere durch transparente Systeme, die einer verständlichen und konsistenten Logik folgen. Aber Vergütung ist immer ein Spiegel des Geschäftsmodells und der Kultur einer Organisation. So viele Unternehmen es gibt, so viele individuelle und richtige Ansätze gibt es. Unternehmen, die dem Prinzip der Durchgängigkeit blind folgen, zwingen sich bei Mitarbeitergruppen, für die keine entsprechenden regulatorischen Anforderungen bestehen, in eine unnötig hohe Vergütungskomplexität – mit Konsequenzen für den damit verbundenen Gestaltungs-, Verwaltungs- und Kommunikationsaufwand. Die Verständlichkeit der Vergütungssysteme und ihre Anreizwirkung lassen mit sinkender Hierarchiestufe nach, auch weil die betroffenen Führungskräfte deren Sinnhaftigkeit hinterfragen.
Sinnvolle Differenzierung und einfachere Wege
Die durchgängige Verwendung von zentralen Kennzahlen im gesamten Unternehmen ist ohne Frage entscheidend und sinnvoll. Dies betrifft insbesondere den Gleichlauf von Auszahlungen und die generelle Ausrichtung der Vergütung an der Unternehmensperformance. Diese Basisregelungen sollten für alle Hierarchieebenen in einem Unternehmen gleichermaßen gelten.
Es sollte ausreichen, die Bemessung des Bonus nach einheitlichen Kennzahlen zu gestalten, sofern diese die unterschiedlichen Geschäftsmodelle abbilden. Ob auch die Kennzahlen in der Langfristvergütung – interne, externe, absolut und relativ gemessen – zwingend einheitlich sein müssen, bleibt zu diskutieren. Hier ließen sich, abhängig von der Hierarchieebene, einfachere Wege gehen, indem beispielsweise auf die Erfolgsziele verzichtet wird, die von Führungskräften nicht beeinflusst werden können. Auch die Notwendigkeit von Caps – wie in der Vorstandsvergütung erforderlich – ist für die folgenden Hierarchiestufen durchaus zu hinterfragen. Und langfristige Vergütungselemente sollten nach Hierarchieebenen, aber ebenso regional so differenziert und entsprechend ergänzt werden, dass die Angebote zu den Bedürfnissen der Berechtigten und zu den Marktgegebenheiten passen.
Am Ende ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Systeme in der Auszahlung im Einklang mit der Performance-Entwicklung stehen. Wenn diese Anforderung gegeben ist und die Systeme von den betroffenen Führungskräften verstanden und geschätzt werden, dann läuft das Prinzip der Durchgängigkeit in der Vergütung in den richtigen Bahnen.
Petra Knab-Hägele
Senior Partner, Unternehmensberatung
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