Abschluss durchführen - Wie gestalte ich den Abschluss für den Auszubildenden?
Schritt für Schritt durch den Ausbildungsprozess.So gehen Sie vor!
- Notieren Sie die fachlichen, sozialen und emotionalen Probleme, die Auszubildende in der Abschlussphase der Ausbildung haben können.
- Erheben Sie die beruflichen Optionen der Auszubildenden.
- Klären Sie diese mit der Personalabteilung ab.
- Entwickeln Sie ein Konzept zur pädagogischen Gestaltung des Ausbildungsabschlusses. Berücksichtigen Sie dabei einerseits die fachlichen, sozialen und emotionalen Bedürfnisse der Auszubildenden und andererseits die betrieblichen Möglichkeiten.
Abschluss als Neuanfang
Der Abschluss der Ausbildung stellt in vielerlei Hinsicht eine komplexe wie einschneidende Situation dar. So werden in dieser Phase die Weichen für den Übergang in das Berufsleben gestellt. Dabei prägen gerade die Erfahrungen der letzten Wochen und Monate sehr stark die Wahrnehmung der Ausbildung durch den Jugendlichen.
Zuvor muss jedoch die Ausbildung erst noch abgeschlossen werden: fachlich, sozial und emotional. Der Auszubildende muss seine Rolle bzw. den Status als „Auszubildender“ loslassen, um frei zu sein für seine neue Rolle als „Fachkraft“. Denn nur wenn eine Sache abgeschlossen ist, kann eine neue Sache angefangen werden. „Das Ende ist so gesehen der Anfang der anderen Seite!“ Der Abschluss der Ausbildung hat damit eine stabilisierende Funktion.
Suche nach Orientierung
Ähnlich wie der Anfang der Ausbildung so ist auch der Schluss für den Auszubildenden durch Unsicherheit geprägt. Er sucht nach beruflich-fachlicher und sozialer Orientierung.
Er fragt sich:
- Inwieweit war für mich die Ausbildung interessant, anspruchsvoll, herausfordernd und abwechslungsreich?
- Hat mich der Ausbilder gefördert? Ist er auf meine Interessen, Kompetenzen eingegangen? Haben mich die Kollegen in der Fachabteilung unterstützt?
- Wie war das Klima in der Ausbildungs- bzw. den Fachabteilungen? Wie die Zusammenarbeit? Werde ich in Zukunft als Fachkraft akzeptiert?
- Welche Entwicklungsmöglichkeiten habe ich in den nächsten Jahren hier? Wo kann ich meine Qualifikationen/Kompetenzen einsetzen? Wer unterstützt mich bei meiner Karriere?
Von den Inhalten der Antworten wird es abhängen, ob er sich nach der Ausbildung für den Betrieb entscheidet.
Fachlicher Abschluss
Der Abschluss der Ausbildung stellt in fachlicher Hinsicht eine Paradoxie dar. Einerseits soll der Auszubildende das Gefühl haben, dass er nun gut qualifiziert ist und der Lernprozess abgeschlossen ist. Andererseits weiß er selber, dass die erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen für ein Berufsleben heute nicht mehr ausreichen. Er muss weiterlernen; wobei die Verantwortung dafür jetzt bei ihm liegt. In der Schlussphase der Ausbildung sollte daher der Jugendliche die Möglichkeit erhalten, die Ausbildung fachlich zu bilanzieren, und auf dieser Basis gleichzeitig berufliche Optionen zu entwickeln.
Bilanzierung der Ausbildung
Zur Bilanzierung der erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen eignen sich unterschiedliche Methoden. Welche im Einzelnen eingesetzt werden, hängt u. a. von der Zielsetzung, der zur Verfügung stehenden Zeit sowie davon ab, ob sie als Einzel- oder Gruppenmaßnahme durchgeführt wird.
- Feedback-Gespräch über die Ausbildung, z. B. positive, negative Erfahrungen, Thematisierung der Übergangssituation in den Beruf;
- biografische Reflexion der Ausbildung, z. B. Zusammenhang von Ausbildung und Biografie, Entdeckung eigener Stärken;
- Ausarbeitung eines Stärkenprofils, z. B. Selbsteinschätzungsbogen, Stärkendiagramm;
- SOFT-Analyse.
Die Methoden sind inhaltlich so anzulegen bzw. zusammenzustellen, dass zugleich immer auch der Verwertungszusammenhang des Gelernten – und damit der Transfer – deutlich wird.
Entwicklung von Optionen
Die Reflexion der vergangenen Ausbildungsjahre und der aktuellen Situation leiten über zur Frage, wie es weitergeht. Der Auszubildende soll hier selber berufliche Optionen entwickeln. Diese können dann in einem Gespräch mit dem Ausbilder/Personalentwickler und im Abgleich mit den betrieblichen Möglichkeiten in einen individuellen Entwicklungsplan einfließen.
Methoden:
- „Der Traum vom gelungenen Tätigsein“
- „Mein Ziel“
Bei der Entwicklung von Optionen wird zugleich auch festgestellt, was noch gelernt werden muss, um diese Optionen umzusetzen. Das oben bilanzierte Qualifikations- und Kompetenzprofil wird hier erweitert um das Soll-Profil des künftigen Arbeitsplatzes. Durch diese Entwicklungsperspektive wird der Auszubildende motiviert, sich weiterzubilden und sich für die Erreichung des Ziels zu engagieren.
Bei der Entwicklung von Optionen ist die Personalabteilung mit einzubeziehen. Sie kann deren Umsetzung überprüfen und den Auszubildenden entsprechende Angebote machen.
Emotionaler Abschluss
Während der Ausbildung haben sich zwischen den Auszubildenden, aber auch zwischen diesen und dem Ausbilder eine Vielzahl von emotionalen Beziehungen und Bindungen entwickelt. Diese müssen nun aufgelöst werden bzw. für diese muss eine neue Form gefunden werden, damit sie über die Ausbildung hinaus weitergeführt werden können. Hilfreich sind in dieser Situation Rituale. Wir kennen solche Übergangsrituale der Los- und Freisprechung aus traditionellen Handwerksberufen. Sie vollziehen den Abschluss symbolisch und machen ihn öffentlich.
Abschlussrituale können heute sein:
- Gruppenfotos, Berichte und Fotos am „Schwarzen Brett“, in Werkszeitungen oder in der lokalen Presse,
- Gemeinsamer Abschlussabend, Abschlussessen,
- „Brief aus dem Jenseits“.
Organisatorische Struktur
Die einzelnen Methoden können integriert werden in ein Gestaltungskonzept, das den Abschluss als Prozess versteht. Bei diesen Konzepten geht es um die Präsentation des Gelernten, aber vor allem auch um die soziale und emotionale Auflösung der Gruppenstrukturen und Ausbildungsbeziehungen:
- pädagogisch gestalteter Abschlusstag,
- mehrtägiges Abschlussseminar,
- Abschluss-Projekt der Auszubildenden.
Ein Abschluss ist immer zugleich auch ein Neuanfang. In diesem Sinne sollten die Auszubildenden in den letzten Wochen der Ausbildung die Möglichkeit haben, ihre neuen Arbeitsplätze sowie die neuen Kollegen kennenzulernen. Dies kann z. B. durch erste Arbeitseinsätze sowie durch Gespräche mit dem neuen Vorgesetzten und den Kollegen geschehen. Diese Einsätze sollten eingebunden sein in die „Entwicklung von Optionen“. Die neuen Kollegen können auch mit eingeladen werden zu den Abschlussveranstaltungen (Rituale) der Auszubildenden.
Diese Mitarbeit in der Fachabteilung unterscheidet sich wesentlich vom Ausbildungseinsatz in der Abteilung. Der „noch“ Auszubildende erfährt jetzt die Erwartungen, die an seine neue Rolle als Fachkraft (fachlich, hierarchisch) gestellt werden und kann sich darauf vorbereiten – gegebenenfalls mit Unterstützung seines Ausbilders.
Autor: Prof. Dr. Wolfgang Wittwer
Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie im Handbuch PersonalAusbilden. Praxisbeispiele bietet die dazugehörende Ausbilder-Service-CD.
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