Corona-Krise zeigt, wo es bei der Weiterbildung wirklich klemmt Die Corona-Krise wirkt sich unter anderem auf die betriebliche Weiterbildung aus. Warum der Fokus weg von den Lernmanagementsystemen hin zu einfachen Consumertools geht, zeigt ein Gespräch mit Wolfgang Hanfstein, Chief Learning Officer der Pink University.

Der letzte Schrei vor Corona hieß LXP – Learning Experience Plattform. Dann kam Corona und plötzlich brauchte kein Mensch mehr Lernplattformen. Stattdessen schoss „Zoom“ aus dem Boden und auch Microsoft „Teams“ ist jetzt omnipräsent. Und viele kennen jetzt Collaboration Tools wie Mural oder Miro.
Dass in einer Krise neue Tools und Methoden auftauchen, ist nicht außergewöhnlich …
… eine Lehre aus der Krise ist, dass die Plattform, auf der digitale Lernmedien zur Verfügung gestellt werden, nicht gleichzeitig die Kommunikationsplattform sein muss. Und dass es zumindest derzeit nicht an KI gemangelt hat, sondern an Bandbreiten und einfachen Tools wie „Zoom“. Das rückt vieles gerade.

Zum Beispiel stehen jetzt die Lernenden im Mittelpunkt, nicht mehr die „Systeme“. Die Frage lautet: Was brauchen die Mitarbeiter, um optimal zu lernen? Und da zeigen sich vier Schwerpunkte. Sie brauchen einfache Tools für den Austausch. Sie brauchen gute digitale Lernmedien. Sie brauchen Ruhe. Und sie brauchen Zeit. Zeit gab es bislang nur für Präsenzschulungen. „Präsenz“ hieß, ich gehe morgens in den Seminarraum und abends nach Hause oder ins Hotel. Dazwischen wird mehr oder minder konzentriert gelernt. Dagegen hat vermutlich vor Corona kaum jemand mal eine Stunde am Stück „frei“ bekommen, um im Büro zu lernen. Jetzt, im Homeoffice, ist das anders. Die Mitarbeiter erleben, was es bedeutet, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Und vielleicht ist es für sie jetzt leichter, in Zukunft mal zu sagen, nächste Woche Dienstag bin ich im Homeoffice, „Verhandeln“ lernen. Insofern ist Corona ein Beschleuniger für neue Lernformen.
Neue Lernformen sind ja aber nicht per se sinnvoll. Was spricht dagegen, „nach Corona“ wieder auf die bewährten Präsenztrainings zu setzen?
Ich denke, die derzeitigen Erfahrungen zeigen, dass Lernen individueller, flexibler und nachhaltiger stattfinden kann. Die Lernenden bestimmen das Lerntempo. Sie entscheiden, wann sie etwas vertiefen oder überspringen wollen. Natürlich können Präsenzzeiten für Übungen und für den Austausch nach wie vor wichtig sein. Kompetenzentwicklung gelingt aber nur, wenn bei jedem Lernenden individuell Lern- und Denkprozesse angestoßen und Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung geschaffen werden. Dazu müssen sich die Lernenden auf Themen einlassen. Und da können gut gemachte Lernmedien viel leisten.
Das sagen Sie jetzt, weil Ihr Unternehmen Pink University digitale Lernmedien herstellt …
… umgekehrt. Wir stellen didaktisch aufgebaute Lernmedien her, weil Unternehmen damit die angesprochene selbstorganisierte Kompetenzentwicklung anstoßen und begleiten können.

Das wird teuer. Und der Output wäre fraglich. Nur ein Beispiel: Um ein Standard-E-Training herzustellen, arbeiten bei uns vier Redakteure, ein bis zwei Motiondesigner und ein komplettes Kamerateam zusammen. Innerhalb von drei Monaten entsteht so ein multimediales Lernmedium von insgesamt ca. 45 Minuten Lerndauer. In diesen drei Monaten erfinden wir kein Wissen. Wir investieren die gesamte Zeit, um das vorhandene State-of-the-art-Wissen zu verdichten und didaktisch optimal aufzubereiten. Das spart den Unternehmen und den Lernenden unterm Strich enorm viel Zeit – und viele Irrwege. Denn das Ergebnis sind Lernmedien, die zumindest den „Wissensteil“ von Präsenzseminaren komplett ersetzen. Interessanterweise war auch genau das eines der Hauptprobleme im schulischen Bereich – es gab und gibt für die Schüler in der Fläche keine adäquaten Lernmedien. Und wie es sinnlos ist, ein „Live-Seminar“ per Video in die Homeoffices zu streamen, genauso sinnlos ist es, den Lehrer vor der Tafel abzufilmen und in die Kinderzimmer zu streamen. Wir sollten die Erfahrungen also nutzen, um effektive Lernarrangements zu schaffen. Und das ist die Kombination guter Lernmedien und effektiver Tools für den sozialen Austausch. Bei zielgerichteten Lernprozessen idealerweise begleitet durch einen Trainer oder Lerntutor.
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Wolfgang Hanfstein |