„Übergreifende Ausbildungsstandards sind notwendig“

Die Stiftung Warentest hat acht Coaching-Ausbildungen getestet. Zu den Ergebnissen und zur Notwendigkeit von Standards in der Qualifizierung von Coaches haben wir die Projektleiterin Dr. Anett Brauner befragt.
Dr. Anett Brauner ist promovierte Psychologin und seit 2008 für die Stiftung Warentest tätig.
Personalwirtschaft: Stiftung Warentest hat acht Coaching-Lehrgänge für Einsteiger untersucht: Was war die Motivation dazu?
Dr. Anett Brauner: Wir haben es hier mit einem sehr breiten und intransparenten Markt zu tun. Das führt zu einem Orientierungsproblem für Verbraucher, dem die Stiftung Warentest ein Stück weit abhelfen will. Es ist ja allgemein bekannt, dass der Zugang zum Beruf „Coach“ nicht verbindlich geregelt ist. Gleiches gilt für die Coaching-Ausbildungen, von denen in den vergangenen Jahren eine große Zahl aus dem Boden geschossen ist. Die Kosten für eine Ausbildung variieren sehr stark, ebenso ihre Schwerpunkte.
Wie haben Sie die Institute ausgewählt, deren Angebote Sie getestet haben?
Zunächst einmal sollten sie einen beruflichen Kontext haben, also nicht auf eine reine Lebensberatung hinauslaufen. Wir haben uns zudem Angebote angeschaut, die berufsbegleitend absolviert werden können, höchstens ein Jahr dauern, mindestens 80 Unterrichtseinheiten aufweisen und modular aufgebaut sind. Preislich haben wir uns für eine Obergrenze von 6000 Euro entschieden - einerseits, weil wir Ausbildungen in dieser Preisspanne als typisches Marktsegment erkannt haben, andererseits, weil auch wir nur ein begrenztes Budget für unsere Tests zur Verfügung haben. Aufgrund der relativ kleinen Stichprobe der getesteten Angebote haben wir uns dafür entschieden, anders als bei anderen Tests der Stiftung Warentest, keine vergleichende Wertung mit Notenvergabe durchzuführen.
Was sind die zentralen Befunde des Tests?
Zunächst einmal zu den positiven Gemeinsamkeiten der Angebote: In allen wurde die persönliche Entwicklung der Teilnehmer gut gefördert. Auch wurden viele Interventionstechniken vermittelt, bei manch einem Anbieter sogar etwas zu ausführlich für unseren Geschmack. Die Praxisorientierung im Präsenzunterricht war auch bei fast allen Coaching-Lehrgängen gegeben und sieben von acht beinhalteten eine entsprechende Prüfung am Ende. Das Lehrmaterial haben wir ebenfalls in sieben von acht Fällen als brauchbar eingestuft.
Welche Schwachstellen haben Sie ausgemacht?
Negativ ist uns aufgefallen, dass die meisten Anbieter zu wenige bis keine Vorgaben dazu machen, wie die Teilnehmer die Zeit zwischen den Präsenzphasen sinnvoll nutzen. Nur zwei Anbieter gaben hier konkrete Anweisungen, etwa zur Durchführung und Dokumentation eines eigenen Coaching-Falles oder zur Teilnahme an einer Supervision. Auch waren die Geschäftsbedingungen in vielen Fällen verbraucherfeindlich. Dies betraf unter anderem Stornopauschalen, die teilweise schon sehr frühzeitig griffen, ohne dass ihre Höhe plausibel war. Auch Passagen zur Möglichkeit der Leistungsänderung – etwa hinsichtlich Ort, Zeitpunkt und Ablauf der Coaching-Ausbildungen – haben wir teilweise als Verstöße gegen das AGB-Recht bewertet.
Auf Spiegel Online erschien kürzlich ein Artikel mit dem Titel „Wer nichts wird, wird Coach“. Welche Zielgruppen sprechen denn die Anbieter an?
Dies ist sicherlich ein Manko: Es werden selten konkrete Zielgruppen definiert. Ausnahme war ein Anbieter, der sich ausschließlich an Personaler und Führungskräfte wandte. Ansonsten liest man häufig Formulierungen wie „Personaler, Trainer und alle, die sich fürs Coaching interessieren“. Sicherlich ist dies auch den finanziellen Interessen der Anbieter geschuldet, die an einem möglichst großen potenziellen Kundenkreis interessiert sind. Auch deshalb werden vermutlich wenige Aufnahmeklauseln formuliert oder Mindestanforderungen an die Vorbildung gestellt. Angesichts dessen, dass laut Marburger Coaching-Studie nur acht Prozent der Anbieter allein vom Coaching leben, tut man auch den Teilnehmern damit keinen Gefallen. Wir denken zudem im Sinne der Qualität im Coaching, dass idealerweise ein akademischer Hintergrund mit Schwerpunkt Psychologie oder BWL vorliegen sollte. Die Interessenten sollten zudem die Fähigkeit zur Selbstreflexion und die Bereitschaft zur Arbeit an der eigenen Persönlichkeit mitbringen.
Würden Sie persönlich einen frischgebackenen Absolventen einer Coaching-Ausbildung verpflichten?
Kommt drauf an. Auch auf der Basis der Testergebnisse hat die Stiftung Warentest einen Kriterienkatalog für Coaching-Einstiegsqualifizierungen erarbeitet. Er beinhaltet 13 Themenfelder, unter anderem Ablauf und Phasen des Coaching-Prozesses, psychologische Grundlagen, berufliche und private Veränderungsprozesse, Organisationstheorie sowie Führung und Management. Keines der untersuchten Angebote deckte alle Punkte ab. Ich würde allerdings bei der Entscheidung für einen Coach ohnehin nicht nur auf die Coaching-„Grundausbildung“ achten, sondern auch fragen: Was hat er ursprünglich gelernt? Welche beruflichen Stationen hat er hinter sich? Welche Weiterbildungen im Coaching hat er absolviert? Und: Decken sich seine Angebotspalette und seine Erfahrung überhaupt mit meiner Problemlage? Hier sollten Verbraucher allerdings genau hinschauen: Manchmal preisen Coaches auf ihren Homepages ein derart breites Angebot an, dass Skepsis angebracht ist.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Test für die Coaching-Landschaft in Deutschland?
Wir sind der Überzeugung, dass Markteintrittsbarrieren und allgemeine Ausbildungs-Standards sinnvoll sind. Von anderen Berufen kennen wir, dass sich Personen von einer unabhängigen Instanz anerkennen lassen müssen, um ihren Beruf auszuüben - nehmen Sie zum Beispiel die Psychologischen Psychotherapeuten, die von einer Behörde die Approbation erteilt bekommen. Bislang divergieren die Ideen hierzu in der Coaching-Szene noch stark. Das erkennt man schon an den sehr unterschiedlichen Zertifizierungskriterien der verschiedenen Verbände. Manche zertifizieren auf der Basis tatsächlich vorhandener Coaching-Kompetenzen, andere auf der Basis vorgelegter Ausbildungen und der Anzahl von Unterrichtseinheiten. Die Verbände sind meiner Meinung nach gefordert, weitere Schritte zu gehen. Mit dem „Round Table Coaching“ gibt es ja bereits ein Forum, in dem genau diese Themen besprochen werden.
Stiftung Warentest führte den Test zwischen Juli 2011 und Dezember 2012 mit verdeckten Testpersonen durch. Die AGBs prüfte ein Rechtsgutachter. Die Ergebnisse wurden im Herbst 2013 veröffentlicht. Der gesamte Testbericht kann unter www.test.de/coaching-kurse heruntergeladen werden, der von der Stiftung Warentest erarbeitete Kriterienkatalog unter www.test.de/coaching-kriterien.
Autor
Das Interview führte Alexander Kolberg.
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