Noch Verbesserungsbedarf
Strategisches und wertschöpfendes Personalmanagement hat in den letzten Jahren aus Sicht der Unternehmen stark an Bedeutung gewonnen, um den zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen zu sein. Dennoch ist bei den meisten Firmen zwar ein Problembewusstsein vorhanden, es liegen jedoch wenige Konzepte für eine neue Qualität der Personalarbeit vor. Eine Bestandsaufnahme.
Aktuelle Studien und Untersuchungen sind sich weitestgehend einig darüber, dass in den letzten Jahren keine entscheidenden Impulse für die Personalarbeit gesetzt wurden. Es wird sogar von einer „bleiernen Zeit“ geredet. Gleichzeitig ist es jedoch unbestritten, dass die entscheidenden Herausforderungen der Zukunft es verlangen, den Personalbereich als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie zu sehen. Das Personalwesen der Zukunft wird wesentlich vernetzter agieren müssen als dies bisher der Fall ist. Es zeigt sich jedoch, dass in den meisten Firmen aktuell eine funktionale Arbeitsteilung vorherrscht und strategische HR-Themen oft fragmentiert, das heißt, nicht verzahnt betrachtet werden. Auf einer übergeordneten Ebene zeichnet sich in Deutschland auch eine Zersplitterung der Standesvertretungen von HR-Professionals ab, sodass auch hier wenige Impulse zu erkennen sind. Im Gegenteil: Zahlreiche Protagonisten der „neuen Personalarbeit“ beschäftigen sich in ihren oft visionären gesellschaftspolitischen Aussagen wenig mit der tatsächlichen Professionalisierung der Personalarbeit. Insofern sucht man vergeblich nach Initiativen aus der Praxis, die den Ausbruch aus der bleiernen Zeit herbeiführen könnten.
Partnerschaft ist nicht gewollt
Dies führt natürlich zu Frustration bei den Personalern und zu der Frage, wie man denn nun Teil der normativen oder strategischen Ebene der Unternehmensführung werden kann. Stellenanzeigen zeigen sehr deutlich, dass die meisten Unternehmen in der Summe kein Konzept zur Einbindung von HR in die Unternehmensführung haben, beziehungsweise dies letztlich gar nicht wollen. Die meisten HR-Business Partner, die gesucht werden, sind genau das nicht: Partner. Sie sind nicht so in der Hierarchie verankert, dass sie tatsächlich Einfluss auf die Unternehmensstrategie ausüben können. Vielmehr sind die meisten Positionen klassische Personalreferenten unter einem anderen Namen, die ausschließlich Dienstleistungen erbringen, nicht jedoch auf Augenhöhe mit dem Rest der Unternehmensleitung stehen.
Insofern stellt sich durchaus die Frage, weshalb es Personalern nicht gelingt, ihre Wertigkeit für das Unternehmen zu demonstrieren? Dies hängt sicherlich zum einen mit dem Selbstverständnis des Personalers im Spannungsfeld zwischen Individuum und Firma ab. Dies betrifft nicht nur die Wirkweise seiner Tätigkeit (Nutzen für das Unternehmen versus Nutzen für das Individuum), sondern auch die Vorgehensweise zwischen Maßnahme und Prozess. Mit der Ankunft zahlreicher ehemaliger Berater im Personalwesen Ende der 90er-Jahre bis heute hat sich der traditionelle Fokus von Einzelmaßnahmen deutlich hin zur Prozessgestaltung verschoben (allerdings nicht auf der Ebene der Aufbauorganisation). Dies scheint zwar besser zum Begriff des „Talent Management“ zu passen, führt aber auch dazu, dass Personalarbeit von den Stakeholdern oft als in ihren Formen erstarrt wahrgenommen wird und der Nutzen für das Individuum und die Firma nicht mehr erkannt wird – trotz Systematisierung. So muss der Personaler sich zwischen den Rollen „Dienstleister“, „Psychologe“, „Berater“ und „Betriebswirt“ bewegen können. Da dies jedoch häufig als sich gegenseitig ausschließend wahrgenommen wird, stagnieren viele der Personaler in der Entwicklung der eigenen Rolle.
Die Frage der Messbarkeit
Ein weiterer Faktor, der die Akzeptanz der Personalarbeit als wertschöpfend behindert, ist die Frage nach der Messbarkeit. Hier muss man jedoch konstatieren, dass gerade in der Vergangenheit viele Personaler selbst Probleme mit der Messbarkeit hatten und diese für ihren Bereich teilweise ablehnten. Diese Grundeinstellung hat sich heute zwar verändert, betrachtet man jedoch die Kennzahlen mit denen der Personalbereich arbeitet, dann ist es häufig die reine Binnensicht, die gemessen wird. Messgröße ist also meist nicht der Wertbeitrag der Maßnahme, sondern die wahrgenommene Qualität der Maßnahme oder die Bewertung durch Teilnehmer.
Ansätze zur Humankapitalbewertung sind in der Summe so komplex, dass sie in der Praxis wenig Anwendung finden, und auch ROI-Rechnungen können nicht wirklich überzeugen. Es wird auch mittlerweile davor gewarnt, Pseudokennzahlen einzuführen, die letztlich schwer zu belegen sind. Der tätigkeitsorientierte Aufbau der betrieblichen Personalarbeit zeigt, dass das vorherrschende Verständnis von Personalmanagement nicht an Ergebnissen oder einem Wertbeitrag orientiert ist. Dem entgegen steht das bereits erwähnte Business-Partner-Konzept Dave Ulrichs. In der Praxis wurde die Terminologie zwar aufgenommen, das dahinterliegende Konzept jedoch nur in den wenigsten Fällen. Dies liegt zum Teil sicherlich daran, dass Ulrich implizit den Stakeholder-Value-Ansatz zugrunde legt. Gleichzeitig kann Ulrich mit seinem Modell keine Antwort darauf geben, wie denn die für eine Organisation wichtigen (meist operativen, aber nicht zwangsläufig transaktionalen) Aufgaben des klassischen Personalreferenten abgebildet werden sollen, die im Sinne einer Kundenzufriedenheit und Kostenvermeidung eine sehr hohe Bedeutung haben.
Professionalisierung muss ermöglicht werden
Es gibt relativ wenige Untersuchungen und Darstellungen, die die Frage beantworten, wie Personalthemen in den Gesamtstrategieprozess eingebunden werden müssen, um effektiv zu sein. Vielmehr dominieren sowohl in der Wissenschaft als auch in der Selbstdarstellung avangardistischer Personaler bestimmte aktuelle Themen, die es zu besetzen gilt, um strategische Personalarbeit zu leisten. Zwar gibt es sicher Megatrends, die in fast jedem Unternehmen eine Auswirkung haben, doch wird kaum die Frage gestellt, wie die Zielsetzung des Unternehmens und die externen Faktoren die Personalarbeit bedingen, beziehungsweise, welche Auswirkungen personalrelevante Themen auf die Strategie haben. In der Summe liegen relativ wenige belastbare empirische Daten vor, die nur bedingt Einblicke in die Umsetzungsrealität beziehungsweise die Effektivität bieten. Die meisten Untersuchungen sind zudem reine Befragungen, das heißt, sie bilden in der Regel nur eine Facette der Realität ab.
Grundsätzlich kann eine Lösung nur in der Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Personaler liegen, das heißt, egal in welchem Maße der Personaler sich professionalisiert, kann dies nur in dem Rahmen passieren, den die Firma auch zulässt. Insofern müssen Firmen in jedem Fall den Schritt gehen, den Personaler auch in die oberste Führungsebene einzubinden. In jedem Fall muss der effektive Personaler ausgeprägte Kompetenzen im Kerngeschäft der Firma haben.
Der Personalbereich ist oft ein Sammelbecken für Quereinsteiger. Genau das kann künftig eine große Stärke werden. Der Bologna-Prozess erlaubt es denen, die aus dem Kerngeschäft des Unternehmens kommen, Fachkompetenz im Personalbereich mit gezielten Master-Angeboten aufzubauen. Dazu gehört aber auch, dass das Unternehmen den HR Business Partner wirklich zulässt. Das ist wiederum nur dann möglich, wenn die Mehrzahl der Unternehmen ihre Personalarbeit anders strukturiert: Die bei vielen HR Business Partnern dominanten transaktionalen Tätigkeiten müssen heruntergefahren werden.
ROI-Ansätze kritisch zu sehen
Die Auslagerung in – oft outgesourcte – Shared Services Center und die Rückverlagerung von HR-Tätigkeiten in die Linie sind allerdings eher kritisch zu sehen. Es muss wieder eine effektive Personalreferentenstruktur aufgebaut werden, die unterhalb des HR Business Partners angesiedelt ist. Das wiederum bedeutet, dass strategische und wertschöpfende Personalarbeit zwangsläufig mit höheren Kosten verbunden ist. Also stellt sich die Frage nach der Messbarkeit des Erfolgs. Früher hat sich die Personalarbeit – insbesondere die Personalentwicklung – in der breiten Masse dem Thema gänzlich versagt. Heute findet man eine klare Binnenorientierung bei Kennzahlen, die oft Pseudomessbarkeiten darstellen, da sie in der Regel ausschließlich die Transaktionsqualität bewerten.
Die Wahrnehmung der Leistungsempfänger ist ohne Zweifel ein wichtiger Aspekt, da die Akzeptanz des Personalbereichs damit steht und fällt. Aber es ist eben nur eine Facette. ROI-Ansätze sind kritisch zu sehen, da sie auf der einen Seite die Frage der Periodisierung nicht messen können (im Gegensatz zu Sachinvestitionen) und Personalmaßnahmen in der Regel nicht unmittelbar, sondern mittelbar wirken. Insofern sind dies häufig Scheinmessbarkeiten. Entscheidend ist, Personalarbeit in ihrer mittelbaren Wirksamkeit in Bezug auf die Unternehmensstrategie zu messen. Hierzu muss Personal in die strategische Ebene der Personalarbeit eingebunden sein. Eine solche Planung kann dann auf einem Balanced Scorecard-Modell beruhen, das Kunden- und Mitarbeiterperspektive miteinander verbindet und so Messbarkeiten in Kausalzusammenhängen beschreibt. Diesen Wirkmechanismen müssen natürlich Kennzahlen zugeordnet werden. Dies hat dann auch zur Folge, dass der Personalbereich sich von einer funktionalen Aufstellung lösen muss, hin zu ständig zu dekonstruierenden Prozessketten, die sich den jeweiligen strategischen Erfordernissen anpassen müssen.
Überwindung der traditionellen Sichtweise
In der Summe zeigt sich, dass die strategische Bedeutung der Personalarbeit steigt, das Personalwesen aber auch noch viele Antworten schuldig ist. Trat Ulrich 1997 noch mit einem onesize-fits-all-Modell an, so wissen wir heute, dass es in dieser Form nicht überall funktioniert, zum Teil aber auch missverstanden wurde. Personal muss kundennah eine hohe Transaktionsqualität leisten und auf der strategischen Ebene in die Unternehmensführung in einem Scorecard-Ansatz eingebunden sein. Darauf müssen Unternehmen sich einlassen und den Personaler aufwerten. Das wird zwangsläufig höhere Kosten bedeuten. Unternehmen wie Personaler müssen sich auch verstärkt Gedanken über das Kompetenzprofil des HR Business Partners machen. Duale Studiengänge wie an der DHBW oder aber Masterprogramme, die gezielt Führungskräfte aus dem Kerngeschäft für die Tätigkeit im strategischen HR Management vorbereiten, können hier unterstützen. Eine konsequente Ausrichtung an der Unternehmensstrategie erfordert eine projektorientierte Struktur im Personalbereich und die Überwindung der traditionellen funktionalen Sichtweise.
Autor
Prof. Dr. Thorsten Krings, Duale Hochschule Baden-Württemberg Mosbach, Internationaler Handel sowie Prof. Krings Training & Consulting,
krings@dhbw-mosbach.de
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