Ein unterschätztes Problem
Das Management by Objectives hat sich in vielen Unternehmen etabliert. Es erfordert die Durchführung von Kontrollen, inwieweit die Mitarbeiter gesetzte Ziele auch erreichen. Durch dieses Vorgehen kann leicht die positive intrinsische Motivation durch die rein extrinsische Motivation verdrängt werden. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?
Das Handeln in Unternehmen wird maßgeblich durch Ziele gelenkt. Sie richten die Entscheidungsprozesse auf diejenigen Sachverhalte, die wichtig sind. Daher können Unternehmen auf den Einsatz anderer Führungsmaßnahmen zur Not verzichten, auf die Formulierung und Vorgabe von Zielen jedoch nie. Aus dieser Erkenntnis ist das Management by Objectives entstanden. Es gehört mittlerweile zu den Klassikern der Managementlehre und stellt vier Anforderungen an die Mitarbeiterführung:
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Zielorientierung statt Verfahrensorientierung,
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Partizipation der Mitarbeiter an der Zielsetzung,
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Durchführung von Kontrollen sowie
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eine regelmäßige Anpassung der Ziele an veränderte Bedingungen.
Verbunden wird das Management by Objectives regelmäßig mit Belohnungen (Geld, Karrieremöglichkeiten, sichtbaren Statussymbolen), die für den Fall des Erreichens der Ziele gewährt werden. Damit ist das Management by Objectives primär auf die Schaffung von extrinsischer Motivation ausgerichtet. „Extrinsisch“ bedeutet, dass Mitarbeiter für gelungene Handlungen von außen belohnt werden. Das Gegenstück dazu ist die intrinsische Motivation, bei der sich Mitarbeiter selbst belohnen.
Diese Unterscheidung ist nicht nur von akademischem Interesse, denn die intrinsische Motivation besitzt aus Sicht des Unternehmens zahlreiche Vorteile. Intrinsisch motivierte Tätigkeiten sind für die Mitarbeiter mit einem höheren psychischen und physischen Wohlbefinden verbunden, was Fehlzeiten senkt. Schwierige Aufgaben werden von intrinsisch motivierten Menschen leichter gelöst als von extrinsisch motivierten. Und außerdem lernen intrinsisch motivierte Mitarbeiter besser als extrinsisch motivierte – ein Aspekt, der positive Auswirkungen auf die Innovationsstärke von Unternehmen hat. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass Personalmanager zusätzlich zur extrinsischen Motivation auch die intrinsische Motivation der Mitarbeiter stimulieren und für ihre Unternehmen nutzen wollen. Das aber ist alles andere als einfach, wenn extrinsische Belohnungen eingesetzt werden.
Arbeiten um der Belohnung willen
Bereits in den 1970er-Jahren zeigten mehrere Forscherteams in Experimenten, dass extrinsische Belohnungen die intrinsische Motivation verdrängen können – eine Additivität von extrinsischer und intrinsischer Motivation also nicht automatisch gegeben ist. Diese Beobachtung wurde seitdem in mehr als 100 Studien weiter untersucht. Und obwohl die Diskussion noch in vollem Gange ist und zum Teil auch gegenteilige Auffassungen vertreten werden, besteht doch in einem Punkt Einigkeit: Extrinsische Belohnungen, die von Menschen als Instrument der Fremdkontrolle verstanden werden, verdrängen die intrinsische Motivation. Anstatt aus ihren Tätigkeiten einen eigenen Sinn zu ziehen, arbeiten die Mitarbeiter nur noch, um die vom Unternehmen ausgelobten Belohnungen zu erreichen. Ist das ein Problem für das Management by Objectives? Ja, das ist es.
Ein wirksames Management by Objectives setzt Soll/Ist-Vergleiche voraus, um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Belohnungen festzustellen. Damit aber erhalten die Belohnungen den Charakter eines Instruments der Fremdkontrolle. Der Verdrängungseffekt setzt ein, und die intrinsische Motivation wird durch eine extrinsische Motivation ersetzt (siehe auch Abbildung).
Abbildung
Verdrängung intrinsischer Motivation durch extrinsische Anreize

Sobald Soll/Ist-Vergleiche bei den Zielvereinbarungen eingesetzt werden, bekommen Mitarbeiter das Gefühl der Fremdkontrolle. Der Verdrängungseffekt setzt ein, und die intrinsische Motivation wird durch eine extrinsische Motivation ersetzt.
Zu vernachlässigen wäre dieses Phänomen, wenn es lediglich wenige intrinsisch motivierte Mitarbeiter im Unternehmen gäbe. Eine aktuelle Studie, die die Verfasser durchgeführt haben, legt indes die Einschätzung nah, dass viele Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer Zielvereinbarungen intrinsisch motiviert sind.
Zielvereinbarungen sind häufig SMART formuliert
Ausgangspunkt unserer Studie war die Beobachtung, dass heutzutage die meisten Unternehmen ihre Zielvereinbarungen „SMART“ formulieren. SMART ist ein Akronym, das wünschenswerte Eigenschaften von Zielvereinbarungen beschreibt und in vielen betriebswirtschaftlichen Veröffentlichungen empfohlen wird. Danach sollen Ziele specific, measurable, achievable, relevant und time framed sein (siehe auch Info-Kasten).
Wann ist ein Ziel SMART formuliert?
Spezifisch („specific“) nennt man ein Ziel, wenn es so konkret formuliert wurde, dass keine Interpretationsspielräume bestehen, was mit dem Ziel gemeint ist. Aber auch ein spezifisch formuliertes Ziel leistet seinen Motivationsbeitrag nur, wenn man unterschiedliche Ausmaße der Zielerreichung nachvollziehbar unterscheiden kann. Daher soll jedes Ziel möglichst objektiv messbar sein („measurable“). Weiter sollte es die Eigenschaft „achievable“ besitzen. Das bedeutet, dass die Zielsetzung zwar einen schwierigen und herausfordernden Charakter besitzt, Mitarbeiter jedoch davon ausgehen dürfen, das Ziel bei angemessener Anstrengung auch wirklich zu erreichen. Darüber hinaus muss das Ziel geeignet sein, das Erreichen der Unternehmensziele zu fördern; damit ist die Eigenschaft der Relevanz angesprochen („relevant“). Und schließlich wird eine zeitliche Terminierung der Zielsetzung gefordert („time framed“): Nicht nur die einzelnen Mitarbeiter sollen wissen, bis wann sie eine Leistung zu erbringen haben; auch andere Abteilungen müssen sich darauf einstellen können.
Zwar lässt sich allen fünf Eigenschaften ein positiver Einfluss auf die Arbeitsmotivation zuschreiben; dieser wirkt jedoch in unterschiedlichem Maße:
• Auf der einen Seite stehen die S-, M-, A- und T-Eigenschaften: Spezifisch formulierte, messbare, erreichbare und mit einem Zeitrahmen versehene Ziele vergrößern die Motivation, weil sie auf Seiten der Mitarbeiter zu steigenden Erwartungen führen, das Geforderte auch wirklich leisten zu können. Hierbei ist es unerheblich, ob die Leistung dann von außen belohnt wird oder von innen, also vom Mitarbeiter selbst. Beides ist möglich. Deshalb lässt sich sagen, dass Zielvereinbarungen mit S-, M-, A- und T-Eigenschaften sowohl die extrinsische als auch die intrinsische Motivation fördern. Anders die R-Eigenschaft.
• Die Eigenschaft der Relevanz einer Zielvereinbarung stellt ausschließlich auf die intrinsische Motivation ab, denn Mitarbeiter, die dem Erreichen der Unternehmensziele einen hohen Wert zumessen, belohnen sich selbst. Ihr Handeln richtet sich nicht nur auf das Erlangen von Geld oder Statussymbolen; vielmehr ist für sie der Erfolg des Unternehmens der Bezugspunkt ihrer Bemühungen. Daher wünschen sie sich Zielvereinbarungen, mit denen die allgemeinen Unternehmensziele (Sicherung der Zahlungsfähigkeit und Erzielung von Gewinn, Schaffung von Kundennutzen, Beachtung des Umweltschutzes, Sicherung der Arbeitsplätze et cetera) gefördert werden.
Welche Zieleigenschaft motiviert am meisten?
Im Rahmen unserer Studie haben wir nun ermittelt, wie groß der Anteil der R-Eigenschaft bei der Motivationswirkung SMARTformulierter Zielvereinbarungen ist, um hiervon auf das Ausmaß intrinsischer Motivation zu schließen. Hierfür befragten wir 83 Personen, mit denen in ihren Unternehmen regelmäßig Ziele vereinbart werden. Davon waren 42 Prozent weiblich und 58 Prozent männlich. Die Teilnehmer arbeiteten im Mittel seit 12,3 Jahren für ihren derzeitigen Arbeitgeber und stammten hauptsächlich aus der Telekommunikationsbranche (34 Prozent) und dem Versicherungswesen (31 Prozent). Die restlichen 35 Prozent verteilen sich auf Handel, Industrie und Banken. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, selbst Führungsverantwortung zu tragen.
Die Auswertung zeigte zunächst, dass nicht alle fünf SMART-Eigenschaften eigenständig motivieren. Die Befragten behandelten zwar die Eigenschaften „achievable“ und „relevant“ als selbstständige Dimensionen; die Eigenschaften „specific“, „measurable“ und „time framed“ nahmen sie jedoch als miteinander verbunden wahr. Daher wurden die Motivationswirkungen der A-Eigenschaft, der R-Eigenschaft und der SMT-Eigenschaften getrennt voneinander ermittelt. Als Ergebnis resultierte, dass die Eigenschaft „relevant“ die relativ größte Motivationswirkung besitzt. Danach folgen die Eigenschaft „achievable“ und das Bündel der SMT-Eigenschaften.
Dieses Ergebnis legt den Schluss nahe, dass viele Mitarbeiter mit dem Erreichen ihrer Zielvereinbarungen primär zum Erreichen der Unternehmensziele beitragen wollen und in diesem Sinne intrinsisch motiviert sind. Wenn das aber der Fall ist, handelt es sich bei der Verdrängung intrinsischer Motivation durch die als Instrument der Fremdkontrolle wahrgenommenen Belohnungen um ein unterschätztes Problem. Unternehmen, die ein unkritisches Management by Objectives betreiben, laufen Gefahr, die Entfaltung wichtiger Effekte zu behindern: nämlich weniger Fehlzeiten zu haben, bessere Problemlösungen zu erreichen und mehr Innovationen zu schaffen. Für das Personalmanagement besteht daher Handlungsbedarf. Aber was genau ist zu tun?
Bessere Ausgestaltung von Kontrollen
Zunächst lässt sich festhalten, dass Ziele ein unverzichtbares Instrument zur Ausrichtung der Mitarbeiterhandlungen sind. Der völlige Verzicht auf ein Management by Objectives ist daher utopisch. Weiter ist zu beachten, dass die Verdrängung intrinsischer Motivation primär durch diejenigen extrinsischen Belohnungen bewirkt wird, die von den Mitarbeitern als Instrument der Fremdkontrolle wahrgenommen werden. Daher tun Personalmanager gut daran, sich mit der konkreten Ausgestaltung der Kontrollvorgänge näher zu beschäftigen, auch wenn dies in vielen Unternehmen zur Domäne der Controller geworden ist.
Die Aufgabe ist hierbei eine doppelte: Zunächst muss eine konzeptionelle Lösung dafür entwickelt werden, dass Mitarbeiter die notwendigen Soll/Ist-Vergleiche nicht als Ausdruck des Misstrauens von Seiten des Unternehmens begreifen. Danach ist die Unterstützung der Controller für eine Implementierung dieser Lösung zu beschaffen. Blicken wir auf den ersten Aspekt. Hier konkurrieren zwei unterschiedliche Führungsansätze miteinander, die man Distanzierungsansatz und Partizipationsansatz nennen könnte:
• Der Distanzierungsansatz empfiehlt, die Kontrollen so formell wie möglich zu halten und den Soll/Ist-Vergleich als einen reinen Routinevorgang darzustellen. Erreichen lässt sich dies umso besser, je standardisierter die Formulare sind, die man für die Kontrollen verwendet. Die Standardisierung hilft, weil sie Distanz aufbaut und es den Controllern ermöglicht, die persönlichen Bezüge zu den Mitarbeitern auf das notwendige Minimum zu begrenzen. Geschieht dies, haben auch intrinsisch Motivierte die Möglichkeit, den Kontrollvorgang als – im besten Sinne – „unpersönlich“ zu empfinden. In diesem Fall sind die Chancen gut, dass das Bedürfnis zur Selbstbestimmung, auf das sich die intrinsische Motivation zurückführen lässt, nicht negativ beeinträchtigt wird und der Verdrängungseffekt unterbleibt.
• Der Partizipationsansatz hingegen setzt nicht auf Distanz und Standardisierung, sondern versucht den Eindruck der Fremdkontrolle durch eine dezidierte Einbindung der Mitarbeiter zu vermeiden. Diese Empfehlung ist nicht neu. Schon 1957 hat Douglas McGregor vorgeschlagen, dass Mitarbeiter und Vorgesetzte die Kontrollen gemeinsam durchführen. Dies erfordert auf Seiten der Fachvorgesetzten eine neue Rollendefinition: Ihre Aufgabe ist es nicht mehr, in vergangenheitsorientierter Perspektive den Mitarbeitern begangene Fehler aufzuzeigen; das Bemühen richtet sich vielmehr auf die Zukunft: Die von den Controllern zur Verfügung gestellten Soll/Ist-Vergleiche werden von den Fachvorgesetzten dafür verwendet, vorhandene Schwächen der Mitarbeiter zu beseitigen und aktuelle Stärken zu erkennen und weiterzuentwickeln. Vorgesetzte treten also nicht mehr als klassische Kontrolleure auf, sondern verstehen sich vielmehr als Berater ihrer Mitarbeiter. Das zentrale Merkmal dieser neuen Rolle besteht darin, die Interessen und Karrierevorstellungen der Mitarbeiter mit den Bedürfnissen des Unternehmens in Einklang zu bringen.
Design der Studie
Die Studie wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universität zu Köln und der Hochschule Fresenius durchgeführt (der Erstautor des Manuskripts ist danach an die Hochschule Offenburg gewechselt). Es handelt sich um eine nicht-experimentelle Fragebogenstudie, in der die Teilnehmer retrospektiv Selbstauskünfte über die Charakteristika ihrer Zielvereinbarungen und ihre Motivation zur Erfüllung dieser Ziele gaben. Die Datenerhebung erfolgte durch einen Online-Fragebogen mithilfe der Plattform Unipark. Dieser stand von März bis Oktober 2010 zur Bearbeitung zur Verfügung. Über einen Internetlink gelangten die Probanden nach Eingabe eines Passwortes zu einem eigens konstruierten Fragebogen, der von 83 Teilnehmern ausgefüllt worden ist.
Der Personaler als Inititator
Welcher der beiden Führungsansätze ist der bessere? Die Antwort hängt von einer Output/Input-Gewichtung ab. Zwar erscheint der Partizipationsansatz besser geeignet zu sein, den Verdrängungseffekt der intrinsischen Motivation zu vermeiden (Output); er verursacht aber auch einen höheren Aufwand und stellt größere kommunikative Anforderungen an die Fachvorgesetzten (Input). Ob der Output den Input aufwiegt, erfordert eine sorgfältige Abwägung. Sie kann nicht in isolierter Form durch die Personalmanager erfolgen, sondern impliziert eine gewissenhafte Abstimmung mit den Fachvorgesetzten und den Controllern. Dem Personalmanager fällt gleichwohl eine besondere Rolle zu: Er ist der Initiator, der seine Kollegen aus den Fachabteilungen und aus dem Controlling für die Probleme des Management by Objectives sensibilisiert, die aktuellen Forschungsergebnisse aufbereitet und eine Diskussion über die Ausgestaltung von Kontrollen anregt.
Graumann, Matthias/Sieger, Christoph: Verdrängen extrinsische Anreize die intrinsische Motivation? Eine Übersicht über den Forschungsstand und Konsequenzen für die Gestaltung von Anreizsystemen. In: Personalführung Ausgabe 2, S. 90-97, 2004.
Schmidt, Klaus-Helmut/Kleinbeck, Uwe: Führen mit Zielvereinbarung, Göttingen, 2006.
Autoren
Professor Dr. Matthias Graumann, Hochschule Offenburg, Lehrstuhl für Unternehmensführung und Organisation, Privatdozent an der Universität zu Köln,
matthias.graumann@hs-offenburg.de
Carena Skrabek, Lehrbeauftragte für Wirtschaftspsychologie, Hochschule Fresenius, Köln,
carena.skrabek@googlemail.com
- Barrieren abbauen
- „Wir sind schlauer geworden“
- Barrieren im Kopf
- Die Potenziale besser ausschöpfen
- Tabuthema Schwerhörigkeit
- Wunsch und Wirklichkeit
- Bausteine einer Karriereplanung
- Technik alleine genügt nicht
- „Print-Anzeigen wird es auch zukünftig noch geben“
- Persönlichkeit auf dem Prüfstand
- Mit der Stimme spielen
- Echte Partizipation erwünscht
- Noch Verbesserungsbedarf
- Coaching entschlacken
- „Übergreifende Ausbildungsstandards sind notwendig“
- Bayerische Gipfelstürmer
- Willkommen zurück!
- Der Rahmen von Zielvereinbarungen
- Ich bin dann mal offline
- Ein unterschätztes Problem