Wenn Vorstände Purzelbäume schlagen
Unser jährlicher Round Table zu Entwicklungen in der SAP-Partnerlandschaft ist immer auch ein Gradmesser für das Angebot, die Bedürfnisse und die Trends in der HR-IT. In diesem Jahr standen Cloud Computing, Social Collaboration und die Folgen einer Firmenübernahme im Vordergrund.
Ein Thema, das weite Teile der IT-Beratungs-Branche seit mehr als eineinhalb Jahren beschäftigt, wurde gleich zu Beginn von Moderator Professor Dr. Wolfgang Jäger (Hochschule Rhein-Main) angesprochen: die Akquisition des auf Talent Management Software spezialisierten US-amerikanischen SaaS-/Cloud-Anbieters SuccessFactors durch SAP. Auch wenn diese Übernahme den Markt vor allem im Segment der Anbieter von Talent Management Software gewaltig verändert hat (nach dem SAP Deal bereinigten die Wettbewerber Oracle und IBM mit ihren Akquisitionen von Taleo und Kenexa den Markt weiter), besteht bei den Kunden nach wie vor Informationsbedarf bezüglich SuccessFactors und seinem Portfolio: Was ist bei deren Lösungen anders oder besser als die bisherigen Alternativen? Auf was muss geachtet werden?
Verunsicherung im Markt
„Wenn es um SuccessFactors geht, fragen die Kunden, wie diese Lösung einzuschätzen ist und ob es jetzt schon der richtige Zeitpunkt ist, hier langfristig zu investieren“, berichtet Sven Dormann, Partner der Frankfurter Promerit HR+IT Consulting AG. „Im Markt ist deshalb nach wie vor eine Verunsicherung zu verspüren.“ Auch für Thomas Eichinger, Geschäftsführer von Ingentis, sind noch nicht alle Fragen zum Kauf von Success-Factors geklärt: „Die Kunden verlangen nach einer integrierten Lösung ohne komplexe Schnittstellendebatten. Gerade bei dem Thema Datenaustausch sehe ich eine der Hemmschwellen. On-Premise-Kunden ist oftmals nicht klar, wie sie die beiden Welten miteinander verheiraten können.“ Eichinger ergänzt: „Unterschiedliche Ansprechpartner machen die Abstimmung hierbei nicht unbedingt leichter.“
Kulturen verschmelzen
Nach Ansicht einiger der Anwesenden sind immer noch kulturelle Unterschiede zwischen SuccessFactors (mittlerweile hat SAP weltweit 450 Success-Factors-Partner) und on SAP zu überwinden, damit das Auftreten in der Öffentlichkeit und damit bei den Kunden einheitlicher wirkt. Stefan Schüßler, Vertriebsleiter SAP ERP Human Capital Management bei SAP, gibt sich jedoch gelassen: „Die Akquisition ist noch nicht lange her, und wenn man sich das vor Augen hält, dann ist die Integration sehr gut vorangekommen. Nicht nur die beiden Lösungen sind bereits gut integriert – auch in Vertrieb und Beratung präsentieren sich SAP und SuccessFactors als die Einheit, die wir ja auch unternehmenstechnisch sind.“ Eindrucksvoll sei dies im Frühjahr während des SAP Forums für Personalmanagement zu besichtigen gewesen. „Wir haben von Anfang an frühzeitig und proaktiv informiert. Aber es gibt in der Tat noch Bedarf an Beratung. Dabei erhalten wir sowohl Fragen aus der IT, aber auch sehr viele Fragen aus der Personalabteilung. Einiges muss SAP sicherlich erklären, beispielsweise, wie der Hybrid-Betrieb zwischen einer Success-Factors-Lösung aus der Cloud und der bestehenden SAP HCM Installation aussieht.“ Dann gebe es da natürlich immer noch eine Hemmschwelle bezüglich des Datenschutzes. „Die müssen wir – idealerweise mit unseren Partnern – überwinden, indem wir einfach gut erklären, was die Cloud datentechnisch und datenschutzrechtlich bedeutet.“
Richtige Zeit für Konsolidierung?
SuccessFactors Talent Management-Funktionalitäten und auch die neuen Optionen, die durch das erweiterte Cloud-Angebot SAPs zur Verfügung stehen, führen nach Ansicht einiger Teilnehmer häufig dazu, dass sich Unternehmen grundsätzlich überlegen, inwiefern eine Konsolidierung bestehender HCM-Installationen gerade jetzt Sinn mache. „Viele Firmen kommen mit zuckenden Schultern auf uns zu und fragen: Was machen wir denn jetzt?“, beschreibt Michael Kleine-Beckel, Leiter Business Unit Consulting bei KWP, seine aktuellen Erfahrungen. „Inhaltlich war das allerdings auch schon vor der Akquise von SuccessFactors so.“ Auch beobachtet er, dass viele Firmen noch von der Pike auf beraten werden müssen. „Manche Firmen kommen zu uns und sagen nur: ‚Wir wollen Personalentwicklung machen.‘ Dann fragen wir: ‚Ja, was wollt Ihr denn machen?‘ Antwort: ‚Talent Management.‘ Wir fragen nach: ‚Und was genau? Nachfolgeplanung?‘ Antwort: ‚Nein, soweit sind wir noch nicht. Wir wollen jetzt erst mal Qualifikation machen.‘ Das heißt: Man muss den Kunden entwickeln und betreuen und ihm sagen, was er braucht und wie er es aufbaut.“
Grundlagen schaffen
Nicht selten indessen, das bestätigen einige der Teilnehmer, gehe es bei den Kunden erst einmal um Grundlegenderes als die Frage nach Cloud oder nicht Cloud. „Wir stellen fest, dass viele Unternehmen noch wichtige Grundlagen schaffen müssen“, erläutert Matthias Grün, Partner beim Talent Management- und HCM-Spezialisten projekt0708. „Da geht es insbesondere um ein funktionierendes Organisations-Management, auf dem dann wiederum Talent Management-Prozesse, Self Service-Szenarien und weitere Prozesse aufbauen können. Grün fährt fort: „Wir sehen aber auch, dass der Mittelstand in puncto Einführung von Systemen für das Talent Management, für Recruiting, Performance- und Nachfolgemanagement in der letzten Zeit extrem aufholt. Mit all diesen Themen beschäftigen sich jetzt auch Unternehmen in einer Größenordnung von um die 2000 Mitarbeiter.“
Der Mittelstand holt auf
Michael Kleine-Beckel (KWP) kommentiert das Aufholmanöver vieler mittelständischer Unternehmen so: „Wir stellen ebenfalls fest, dass Lösungen, die früher nur bei Großunternehmen eingesetzt wurden, jetzt in den Mittelstand einziehen. Das begann mit dem klassischen Zielvereinbarungs- und Leistungsbeurteilungsprozess und geht jetzt ins Talent Management über.“ Ähnlich argumentiert Frank-Reiner Groß, Geschäftsführer des auf Global Implementations und Talent Management spezialisierten SAP Partners Kivala-HR: „Viele, auch große Unternehmen, stehen in der Tat noch ganz am Anfang einer Konsolidierung – es gibt viele verteilte Systeme, keine echte Harmonisierung, kein globales Reporting.“ Er führt ein Beispiel an: „Wir beraten zurzeit ein internationales Unternehmen, das eine gewachsene SAP Core-Lösung hat, die konsolidiert werden muss. Dort wird auf der grünen Wiese eine neue Architektur aufgebaut, um sich auf diesem Weg von Altlasten zu befreien, andererseits aber die guten Aspekte in das neue System zu überführen.“ Natürlich stehe da bei einigen Prozessen auch die Überlegung im Raum, sie in die Cloud zu verlagern. Für sein Unternehmen kommt diese Entwicklung nicht überraschend. Groß: „Für uns ist die Cloud seit Langem ein Teil des Geschäfts, denn wir waren schon vor der SuccessFactors-Akquise Co-Innovation Partner der SAP im Bereich Talent Management.“

Die Diskussionsrunde moderierte wie schon in den vergangenen Jahren Professor Dr. Wolfgang Jäger, Fachbereich Design, Informatik, Medien der Hochschule RheinMain.
Berater in der Pflicht
Grundsätzlich, das zeigte die besonders rege Diskussion um das mit Success-Factors und jetzt mit SAP eng verwobene Cloud Computing, sind es vor allem die Zweifel beim Datenschutz, die nach wie vor bei den Kunden auf breiter Ebene erhebliche Skepsis auslösen, wenn es um die Verlagerung relevanter Personaldaten in die Cloud geht. Michael Kleine-Beckel (KWP) meint, dass Berater hier in der Pflicht seien seien: „Das liegt daran, dass die Cloud klassischerweise mit Apple, Facebook und Amazon gleichgesetzt wird – alles ist ungeschützt und jeder greift darauf zu. Da sind wir als Berater gefragt, Aufklärung zu betreiben und Ängste zu nehmen.“
Er berichtet weiter: „Konkrete Fragen zum Datenzugriff aufgrund des US-amerikanischen Patriot Acts werden sogar SuccessFactors gestellt und nicht nur uns“. Zum Datenschutz in der Cloud ergänzt Ingentis Geschäftsführer Eichinger: „Es geht nicht primär darum, die Cloud zu erklären, sondern die Kunden mit einer Argumentationskette zum Thema Datensicherheit abzuholen. Die Argumente gibt es, und die Marke SAP wird stark dazu beitragen, genau dieses Vertrauen zu schaffen.“
![]() | „Viele Unternehmen müssen noch Grundlagen schaffen. Da geht es insbesondere um ein funktionierendes Organisations-Management, auf dem dann wiederum Talent Management-Prozesse, Self Service-Szenarien und weitere Prozesse aufbauen können.“ |
![]() | „Lösungen, die früher nur bei Großunternehmen eingesetzt wurden, ziehen jetzt in den Mittelstand ein. Das begann mit dem klassischen Zielvereinbarungs- und Leistungsbeurteilungsprozess und geht jetzt ins Talent Management über.“ |
Das Vertrauen steigt
Frank-Reiner Groß (Kivala-HR) bestätigt: „Die Cloud wird für viele Unternehmensdaten, speziell aus der Personalwirtschaft, immer noch kritisch gesehen – dort fehlt häufig die Transparenz und das Verständnis. Die Entscheidung, Goal Management-Daten in die Cloud bringen, ist relativ leicht zu treffen. Bei Informationen zum Thema Nachfolgeplanung ist das schon schwieriger. Und bei vergütungsrelevanten Daten sind viele Kunden derzeit gegenüber einem Umzug in die Cloud sehr zurückhaltend. Der Aufbau des neuen SAP Cloud-Data-Centers in St. Leon-Roth wird hier ganz bestimmt helfen, Entscheidungen positiv zu überdenken!“ Noch vor zwei Jahren war Cloud kein Thema, und die Berater stießen damit bei ihren Kunden auf taube Ohren. Doch: „Cloud und/oder On-Premise war schon vor der Übernahme von SuccessFactors ein Thema“, kommentiert Manuel Egger, Leiter HR Solutions von sovanta, die Diskussion um das Vertrauen in Cloud Computing. „Jetzt, wo SAP ins Cloud-Geschäft eingestiegen ist, steigt auch das Vertrauen bei den SAP-Kunden im HR-Markt“, ergänzt er. „Aus Anwendersicht ist es aber ganz egal, woher die Daten kommen. Die Hauptsache ist doch, dass man als Nutzer optimal und intuitiv im jeweiligen HR-Prozess unterstützt wird. Wir kombinieren dies in sogenannten hybriden Anwendungen, die dann das Beste aus beiden Welten vereinen.“
Den Fachbereich abholen
Tatsächlich zeigen die Kunden, die sich bereits intensiver mit Cloud beschäftigt haben, zunehmend Interesse. Das bestätigen auch SAPs Geschäftsergebnisse für das erste Quartal 2013: Alleine der Umsatz von Cloud-Subskriptionen und -Support hat sich im Zeitraum von Q1 2012 zu Q1 2013 währungsbereinigt um 385 Prozent, genauer von 29 Millionen auf 137 Millionen Euro erhöht. Mittlerweile, so lässt SAP verlautbaren, habe man über 6000 Kunden mit mehr als 30 Millionen Anwendern in SAPs Public Cloud. Das Unternehmen plant nach eigenen Angaben, sein bisher aus 20 Anwendungen bestehendes Cloud-Portfolio auszubauen und hybride Szenarien, also die Kombination von On-Premise- und Cloud-Lösungen, in Unternehmen noch besser zu unterstützen. Promerit-Partner Dormann dazu: „Die Fachbereiche machen jetzt aufgrund ihrer besseren Kenntnisse um die Vorteile der Cloud Druck. Selbst ehemalige Bedenkenträger fragen jetzt wieder nach.“ Aber auch auf Anbieterseite tue sich etwas: „Bei den Cloud-Anbietern setzt sich jetzt langsam die Erkenntnis durch, dass man den Fachbereich abholen muss, bevor man die Software live schaltet.
Thema der Runde waren auch die Kosten von Cloud-Lösungen im Vergleich zu On-Premise-Installationen. „Was die Kosten der Cloud angeht, gibt es hier einen Transparenzvorsprung“, erläutert SAP-Mann Schüßler. „Das kann man relativ klar berechnen: Was kostet mich das Deployment auf eine bestimmte Menge an Jahren? Da kommen keinerlei weitere laufende Kosten hinzu, auch nicht für den Betrieb. So ein Cloud-Angebot ist vergleichbar mit einem SAP On-Premise-Angebot plus Festpreisangebot für die Beratung inklusive Betrieb.“
Nicht vollends geklärt scheint indessen folgende Situation: Was ist, wenn ein Unternehmen nach der Vertragslaufzeit den Cloud-Dienstleister wechseln will? Zwar sei das, so Matthias Grün, in den Verträgen geregelt, doch was passiere eigentlich, wenn ein Kunde nach Ablauf der Vertragslaufzeit mit dem Cloud-Anbieter unzufrieden sei? „Wie bekomme ich dann meine Daten wieder zurück? Wie das in der Praxis funktioniert, ist meist nicht ganz klar.“ Beim Hosting zumindest kann der Kunde auf die dedizierte IT-Infrastruktur zugreifen. Michael Kleine-Beckel von KWP bestätigt: „Das ist auch eine Herausforderung für uns, denn normalerweise zieht sich der SAP-Kunde die Daten selbst runter. Aber bei Cloud gibt es bestenfalls eine CSV-Datei.“
![]() | „Die Cloud wird für viele Unternehmensdaten immer noch kritisch gesehen. Der Aufbau des neuen SAP Cloud-Data-Centers in St. Leon-Roth wird hier ganz bestimmt helfen, Entscheidungen positiv zu überdenken.“ |
![]() | „Neben dem SAP-Wissen muss zukünftig auch Knowhow im SuccessFactors-Umfeld aufgebaut werden. Dies bedeutet vor allem für mittelständische Beratungshäuser mehr Weiterbildung beziehungsweise personelles Wachstum.“ |
Anforderungen an Partner steigen
Aufgrund der SuccessFactors-Akquisition haben sich zwar auch die Chancen für Zusatzgeschäfte erweitert. Aber das bringt auch gestiegene Anforderungen ans Beratungsgeschäft. Ein SAP-Beratungshaus, dass sich nicht weiteres Fachwissen in Form von Zertifizierungen (SuccessFactors-Partner benötigen eigene Zertifizierungen) und weiterem qualifiziertem Personal aneigne und beschaffe, habe auf Dauer im Markt einen schweren Stand, so ein Einwurf aus der Runde. Das trifft vor allem für das Beratungsgeschäft im Talent Management zu, weil jetzt weiteres Know-how in SaaS und Cloud-Technologie erworben werden muss. Und grundsätzlich geht es um die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lizensierungsmodellen. Matthias Grün stimmt zu: „Hier kommt der klassische SAP-Berater nicht weit. Es ist ein komplett neues Business. Es geht nicht nur um die Software-Implementierung an sich, sondern vielmehr um die bestmögliche Prozessunterstützung. Dies stellt komplett neue Anforderungen an den Dienstleister.“ Wie die sich gewandelt haben, erläutert er so: „Die Dienstleistung spielt sich viel mehr auf fachlicher Ebene ab, weil man technisch gar nicht mehr so viel individualisieren kann wie beim klassischen SAP On-Premise. Man wird als Kunde stärker in ein Gerüst gezwängt, was aber auch viele Vorteile haben kann. Jedoch muss sich das Verständnis hierfür erst in den Köpfen der Berater und Anwender etablieren.“
„Für die Partner geht es noch um etwas anderes“, wirft Ingentis-Geschäftsführer Eichinger zu den neuen Gegebenheiten aufgrund der SuccessFactors-Übernahme ein. „Um ganzheitlich beraten zu können, muss neben dem klassischen SAP-Wissen zukünftig auch Know-how im SuccessFactors-Umfeld aufgebaut werden. Dies bedeutet vor allem für mittelständische Beratungshäuser erhöhtes Weiterbildungsaufkommen beziehungsweise personelles Wachstum. Weiterhin rein auf On-Premise zu setzen, birgt die Gefahr, Bestandskunden an einen Mitbewerber zu verlieren, der in beiden Welten zu Hause ist und somit ganzheitlich beraten kann.“
Big Data, bereits ein HR-Thema?
Seit der Begriff „Big Data“ nun auch im Zusammenhang mit den jüngst bekanntgewordenen Abhöraffären genutzt wird, ist zumindest dessen Bekanntheitsgrad drastisch gestiegen – auch wenn die meisten Menschen und Unternehmen offensichtlich noch nicht sehr viel damit anfangen können. Es mangelt einfach noch an handfesten Beispielen und Einsatzszenarien im Personalumfeld, die den Unternehmen das enorme Potenzial dieser strategischen Technologie verdeutlichen. Mit „Big Data“ ist die Zeit komplexer mehrdimensionaler Matrizes, wie man sie aus dem Bereich „Business Intelligence“ kennt, und deren Nutzung nur wenigen Experten vorbehalten war, Vergangenheit. Heute, merkt einer der Diskussionsteilnehmer an, sei „Big Data“ eine Art Black Box, deren Bedienung nicht mehr kompliziert sei. Gerade im Personalumfeld existierten enorme Potenziale, die nur noch gehoben werden müssen. Konkret geht es um Chancen zur Verbesserung von Change-Prozessen und ihrer Kommunikation, um effizientere Personaleinsatzplanung, einfachere Stellenbesetzungen und Nachfolgeplanung, wie auch um unternehmensstrategische Fragestellungen. Sven Dormann von Promerit ist in dieser Hinsicht überzeugt: „Die neuen Kombinationsmöglichkeiten von unstrukturierten Daten aus unterschiedlichen Quellen, zum Beispiel aus Collaboration Rooms, Social Media, E-Mail, dem SAP-Stammdatensystem, bieten eine großartige Perspektive für Analysen und Simulationen, die die Vorstände Purzelbäume schlagen lassen wird.“
KPIs für ganzheitliches Controlling entwickeln
Auch für den ehemaligen SAP HR-Vertriebsexperten Manuel Egger, heute sovanta, hat Big Data in Kombination mit dem SAP-Tool HANA (eine Datenbanktechnologie mit extrem hoher Zugriffsgeschwindigkeit) enormes Potenzial: „Das Thema birgt eine ganz andere und neue Innovationskraft für Geschäftsprozesse. Das schwappt aus anderen Geschäftsbereichen früher oder später ins Personalwesen.“ Auch Matthias Grün von projekt0708 erkennt darin einen Treiber für das Business. „Aber die Nutzung von Big Data erfordert nochmals erhebliche Veränderungen in den Unternehmen.“ Im Verlauf der Diskussion flammte deshalb auch die Frage nach dem Sinn der vielen individuellen KPIs auf, die eher spezifische Fragestellungen zur Auswertung von Daten betreffen. Hier stehe vor allem noch eine erhebliche Beratungsresistenz der Personaler im Weg, wenn es darum gehe, verlässliche KPIs zu entwickeln, die man in ein ganzheitliches Unternehmenscontrolling einfließen lassen könne, fanden einige Teilnehmer.
HR mit eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit
Heute könne man HR hierbei aber mit einfachen Werkzeugen viel besser unterstützen – nicht zuletzt, um diese Daten auch gegenüber den Vorständen plausibler darstellen zu können. Sven Dormann kritisiert die durch die Unternehmen vorgegebene eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit von HR: „Es geht weiterhin darum, der Personalfunktion den Mehrwert des Messen und Steuern zu vermitteln. Dabei ist Transparenz nichts Böses, sondern etwas Gutes. Die eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit schwächt die Position im Unternehmen und somit das Unternehmen selbst. Denn erst wenn die Unternehmensleitung HR ernst nimmt und HR wirklich ein Teil der Unternehmensstrategie wird, dann kann der Bereich Teil der Strategiefindung und der Unternehmenssteuerung werden, die dann in die Abteilungen runtergebrochen und in die Organisation getragen werden kann.“
Alles Social, oder was?
Seit einigen Jahren wird in Unternehmen über Social Collaboration und soziale Technologien diskutiert. Dabei geht es um die Zusammenarbeit und den Austausch der Mitarbeiter über spezielle Software(plattformen), die den freien Gedankenaustausch fördern und Prozesse vereinfachen. Auf diese Weise ließe sich, so die Befürworter dieser Technologien, unter anderem die kollektive Intelligenz der Belegschaft zur Steigerung der Produktivität und zur verbesserten Problemlösungskompetenz nutzen. Das allerdings erfordere in den allermeisten Unternehmen ein radikales Umdenken und Umlenken im Umgang mit den Mitarbeitern und die Einsicht, dass dieses Konzept radikal umgesetzt und gefördert werden müsse, wenn es funktionieren solle. Außerdem steckten in den Köpfen der meisten Führungskräfte, so einer der Teilnehmer, noch zu große Ängste vor Kontrollverlust. Und tatsächlich: Diese Ängste sind der größte Hemmschuh, wenn es um die weitere Verbreitung dieser neuen Arbeits- und Lernformen geht.
Vergleich mit Xing und Facebook ist falsch
Für Stefan Schüßler, SAP, haben Kollaborations-Plattformen aufgrund der Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten eine große Zukunft. „SAP hat ja mit SAP JAM bereits eine Kollaborations-Plattformen am Markt. Allerdings werden solche internen Plattform leider immer noch mit Xing oder Facebook verglichen. Man muss stärker herausstellen, dass es sich hier um Plattformen handelt, die Personalprozesse wie Onboarding, Social Learning oder Performance Management unterstützen.“ Er ergänzt: „Unternehmen müssen sich grundsätzlich all diesen neuen Themen öffnen und Social Media insgesamt auf eine für das Unternehmen sinnvolle, glaubwürdige und nachhaltige Weise einsetzen.“
![]() | „Die neuen Möglichkeiten zur Kombination unstrukturierter Daten aus unterschiedlichen Quellen, etwa aus Collaboration Rooms, Social Media, E-Mail, dem SAP-Stammdatensystem, bieten eine großartige Perspektive für Analysen und Simulationen.“ |
![]() | „Usability und Simplicity sind als konzeptionelle Basis für Anwendungen fundamental geworden – und zwar weit über mobile Plattformen hinaus. Es gibt keinen Grund, warum eine Oberfläche im Web nicht genauso einfach sein darf wie auf einem Tablet.“ |
Auf dem Laufenden mit „WhatsApp“
Insbesondere für global agierende Unternehmen mit Mitarbeitern an häufig wechselnden Einsatzorten sind derlei Plattformen unverzichtbar. Sie sind ein wichtiger Bestandteil ihrer Vernetzung mit Kollegen und anderen Akteuren im Unternehmen. Bei Daimler nutze man, erzählt Moderator Wolfgang Jäger in diesem Zusammenhang, ein einfach zu bedienendes mobiles Social Collaboration-Werkzeug in der Produktion als wichtigstes Informations- und Kollaborationswerkzeug. Über die Smartphone Applikation „WhatsApp“ informieren sich knapp 30 Meister jeweils bei den Schichtwechseln über Aktuelles und Job-Relevantes, um so die gesamte Gruppe auf dem Laufenden zu halten.
Einige der Round Table-Teilnehmer setzen Social Collaboration Tools im eigenen Haus ein und kennen daher die Vorteile solcher Lösungen aus der Praxis. „Wir sind bereits gut vernetzt und tauschen uns intensiv im Unternehmen aus“, kommentiert Thomas Eichinger die Diskussion um kollaborative Plattformen. Auch Frank-Reiner Groß ist von der Zukunft von Social Collaboration-Plattformen überzeugt: „Wir setzen SAP-JAM selbst als Plattform für unsere Fokusgruppen im Rahmen der Personalentwicklung ein. Das funktioniert ausgezeichnet. Und sobald SuccessFactors ‚Employee Central‘ zur Verfügung stehen wird, werden wir diese Lösung sicherlich auch noch einsetzen.“
Fakt ist: Aufgrund mangelnder Sachkenntnis in diesem Umfeld ist die Verunsicherung in den Unternehmen noch groß, auch wenn das Interesse erheblich gewachsen ist. Das wird sich nach Ansicht einiger Teilnehmer ändern müssen, sobald die jungen Generationen als Mitarbeiter nachrücken und das Aufbrechen alter Arbeitsstrukturen verlangen. Auf einschlägigen Fachveranstaltungen, Messen und Kongressen drängeln sich regelmäßig vor allem jüngere Führungskräfte um entsprechende Informationsstände.
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Einfachheit steigert die Akzeptanz
Ein zentrales Thema, das immer wieder in unterschiedlichen Kontexten von den Diskutanten aufgegriffen wurde, ist Usability im Sinne eines Trends zur einfacheren Bedienbarkeit von häufig noch überfrachteten und unübersichtlichen Programmen.
Die Experten waren sich indessen einig: Die neue Einfachheit in der Bedienung von Software ist unabhängig davon, ob es sich um ein Smartphone, Tablet, Notebook oder einen Desktop handelt. Auf die Frage nach dem ansteigenden Trend zu „Mobile HR“ antwortet Michael Egger von sovanta, einem Spezialisten für Business Apps: „Der gesamte Trend rund um „Mobile HR“ ist nur das Symptom, an dem deutlich wird, dass sich etwas drastisch verändert hat. Die eigentliche Ursache liegt in dem Konzept der Apps als Anwendungen, die Einfachheit als Maxime für die Bedienbarkeit in den Mittelpunkt gestellt haben. Dieses Paradigma ist dann durch die Verbreitung der Technologie extrem schnell ins Bewusstsein einer riesigen Anwendergruppe gerückt und ebenso rasant angenommen worden. Und das bedeutet, dass Usability und Simplicity als Basis zur Konzeption von Anwendungen fundamental geworden sind – und zwar weit über die mobilen Plattformen hinaus.“ Dies merke sovanta vor allem anhand der immer stärker werdenden Nachfrage nach intuitiven Webanwendungen, die dann gegebenenfalls alternativ gleich mobil genutzt werden könnten. „Es gibt heute doch keinen Grund mehr, warum eine Oberfläche im Web nicht genauso einfach sein darf wie beispielsweise auf einem Tablet. Im Gegenteil: Eine höhere Nutzerakzeptanz, ein gesteigertes Nutzerverhalten und eine bessere Datenqualität sind die Folge – ganz abgesehen vom Imagegewinn für HR-Prozesse“. Egger ergänzt: „Immer mehr Kunden ergreifen die Chance, Design, neue Technologien und die HR-Anforderungen miteinander zu kombinieren und damit Innovation zu schaffen. Design Driven Development ist dafür das grundlegende Entwicklungskonzept, dass wir bei sovanta nutzen.“
Einfachheit setzt sich durch
Auch Thomas Eichinger, Ingentis, stellt fest: „Aktuell werden vermehrt Projekte angefragt, bei denen eher die Einfachheit im Vordergrund steht. Das Augenmerk liegt auf Anwendungen, die intuitiv bedienbar sind und den Anwender nicht überfrachten. Oftmals reicht die berühmte 80:20-Lösung, vor allem, wenn diese dann flächendeckend genutzt und akzeptiert wird. Das Streben nach 100 Prozent-Lösungen geht in der Regel mit einem enormen Datenvolumen einher, das vom Fachbereich kaum noch erfasst werden kann. Daher leidet die Datenqualität schon sehr schnell nach der Einführung komplexer Software-Verfahren, und in Folge sinkt die Akzeptanz beträchtlich.“ Gerade HR, das häufig Wert auf sehr individuelle Anwendungen legt, verhielte sich oft ablehnend beim Wegrationalisieren von Funktionen zugunsten einer einfacheren Bedienung, so eine Zwischenbemerkung aus der Runde. Als Grund vermutet Sven Dormann (Promerit), dass Personaler immer noch glaubten, der Mehrwert einer Software stecke in ihren Prozessvarianten.
Zukunftsmarkt Applikationen
SAP verfolgt in Sachen Mobility nach eigenen Angaben eine eher ganzheitliche Strategie: Anwendungen sollen sowohl On-Premise als auch On-Demand und On-Device bereitgestellt werden. Dies gelte in hohem Maße auch für personalwirtschaftliche Prozesse. Einen neuen Ansatz zum Einsatz von Apps bietet SAP mit Fiori, einer Sammlung von 25 verschiedenen Apps (zehn aus dem Bereich Personal) unter einer Oberfläche. Dabei, so SAP, sei hier der Begriff App als Geschäftsprozess oder Funktionalität zu verstehen. Der Zugriff auf SAP Fiori könne über alle mobilen Endgeräte wie Smartphones und Tablets erfolgen, aber auch über Desktop-PCs. Das Unternehmen möchte indessen selbst nur etwa zehn Prozent der Apps selbst entwickeln, die Mehrheit der HCM-Apps wird von Partnern entwickelt. Auch für SAP-Vertriebsdirektor Schüßler gilt: „Kollaboration, benutzerfreundlichere Oberflächen und Mobility sind die Trends, die uns noch über Jahre begleiten werden.“
Zum Abschluss der Diskussionsrunde empfahl Sven Dormann den HR-Abteilungen, jetzt, in einer Zeit der Unsicherheiten, aktiv zu werden und einen drei- oder vierjährigen Investitionsplan zu entwickeln, um damit strategisch agieren zu können, anstatt mit einem Investitions-Flickenteppich in kurzfristigen Zielhorizonten zu operieren.
Autor
Ulli Pesch, freier Journalist,Kirchheim-Heimstetten