Global Mobility macht wettbewerbsfähig
Zum fünften Mal in Folge hat Ernst & Young den jährlichen „Global Mobility Effectiveness Survey“ herausgegeben. Im Rahmen der Studie wurden mehr als 520 Unternehmen in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika aus verschiedenen Branchen befragt. Ein Fokus der Befragung war die Rolle von Global Mobility für den Talent Management-Prozess.
Neben der Bedeutung neuer Wachstumsmärkte, aktuellen Entwicklungen und Trends in der Entsendepolitik sowie der Frage, wie sich die Unternehmen anpassen, um in diesen Wachstumsregionen weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, widmet sich der jüngste Survey insbesondere der Rolle von Global Mobility im Talent Management-Prozess leistungsstarker Unternehmen. Denn neben den Folgen aus der überstandenen Finanz- und Wirtschaftskrise stellen der demografische Wandel in den gesättigten Märkten und die voranschreitende Globalisierung die Unternehmen heute vor neue Herausforderungen, denen sich insbesondere die HR-Abteilungen stellen müssen.
Expansion steht im Vordergrund
Ein Unternehmen ist nur so gut wie seine Mitarbeiter. Soll heißen, keiner kennt die Unternehmenskultur, die Produktpalette und Unternehmensziele so gut wie das Stammpersonal. Mitarbeitermobilität ist und bleibt daher ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Unternehmensexpansion über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Entsprechend nennt ein Drittel (31 Prozent) der befragten Unternehmen die Expansion in neue Märkte als Hauptgrund für die Entsendung eines Mitarbeiters ins Ausland. Nach wie vor gilt für Auslandseinsätze das Erreichen der festgelegten Unternehmensziele als oberste Priorität.
Doch neben der Expansion des Unternehmens in neue Märkte zielen Auslandseinsätze auch darauf ab, spezielle Projekte erfolgreich abzuwickeln beziehungsweise eine Position zu besetzen, für die spezifische technische Fähigkeiten erforderlich sind. Zudem spielen vermehrt Personalentwicklungsmaßnahmen, wie die Ausstattung von Führungskräften mit internationaler und interkultureller Kompetenz, eine bedeutende Rolle (siehe auch Abbildung 1).
Abbildung 1
Beweggründe von Mitarbeitereinsätzen im Ausland

Ein Drittel der befragten Unternehmen nennt die Expansion in neue Märkte als Hauptgrund für die Entsendung eines Mitarbeiters ins Ausland.
Auch heute zeigen sich Wachstumsmärkte wie Brasilien, China, Indien, Russland sowie Afrika von der zurückliegenden Finanzkrise beinahe unbeeindruckt. Noch immer wird dies – auch mit Blick auf die Zukunft – als einer der Hauptgründe angesehen werden, warum Unternehmen vermehrt in diese Märkte investieren. Auch für die anstehenden Jahre ist mit einem Anstieg zu rechnen. 60 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Entsendungen in Wachstumsmärkte in den kommenden zwei bis drei Jahren im Vergleich zu anderen Ländern weiter zunehmen werden.
Talent Management und Global Mobility
Heute wie zukünftig hat einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil, wer langfristig zur richtigen Zeit über die richtigen Mitarbeiter am richtigen Ort zu den richtigen Kosten verfügen kann. Besonders der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter führt dazu, dass Global Mobility zur Unterstützung von Talent Management im Vergleich zu den Vorjahren weiter an strategischer Bedeutung gewinnt. 68 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Mitarbeiter aus Gründen langfristiger Karriereentwicklung für einen Auslandseinsatz ausgewählt werden (siehe auch Abbildung 1). Eine Entwicklung, die verständlich ist, nimmt Global Mobility doch im Talent Management-Prozess als systematische Maßnahme gewissermaßen eine Doppelfunktion ein. Einerseits können global vakante Positionen zeitnah besetzt werden und so den Wissenstransfer zwischen den Standorten ermöglichen. Andererseits wird die Entwicklung der High Potentials durch das Einbinden in anspruchsvolle Projekte gefördert und die Bindung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter gefestigt (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Verknüpfung von Global Mobility und Global Talent Management (Mehrfachnennungen möglich)

Besonders der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter führt dazu, dass Global Mobility zur Unterstützung von Talent Management im Vergleich zu den Vorjahren weiter an strategischer Bedeutung gewinnt.
Nichtsdestotrotz, die Einbeziehung von Global Mobility in das Talent Management ist ein strategischer Schritt. Derzeit beziehen lediglich 51 Prozent der befragten Unternehmen Global Mobility in den Talent Management-Prozess tatsächlich ein, Tendenz allerdings stark steigend. Aus Talent Management-Perspektive ist die Entsendung zunehmend ein wichtiger Baustein in der Karriereentwicklung. Damit diese weiter erfolgreich verläuft, muss die Reintegration gelingen und die Möglichkeit gegeben werden, die im Ausland erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen erfolgreich einzubringen.
Flexible Programme und Richtlinien
Konkrete Regeln vermeiden langwierige Diskussionen. Vor allem führen einheitliche Entsenderichtlinien („Entsende-Policy“ oder „Expatriate Guidelines“) zu Fairness. Der administrative Aufwand lässt sich verringern, Kosten werden gesenkt, steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Probleme vermieden. Inhalt und Umfang richten sich nach den Entsendekategorien des Unternehmens. Auch spielt es eine Rolle, ob die Richtlinie nationale oder globale Gültigkeit haben soll.
In der Praxis haben sich zwischenzeitlich unterschiedliche Policy-Typen etabliert und bewährt. 87 Prozent der befragten Unternehmen vertrauen bei langfristigen Einsätzen auf Long-Term Policies. Für kurzfristige Einsätze haben 80 Prozent der Unternehmen eine gesonderte Policy (Short-Term Policy).
Neben der Dauer der Entsendung spielt der Grund für die Entsendung (Projekteinsatz, Personalentwicklung etc.) eine zunehmend bedeutende Rolle für die Weiterentwicklung der Policies.
Unter dem Motto „flexibility to move talent“ treibt insbesondere der Wunsch nach anpassungsfähigen, jedoch im Einklang mit der Unternehmenspolitik stehenden Entsenderichtlinien, 80 Prozent der befragten Unternehmen dazu, ihre Entsendepolitik zu überdenken. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits in den Vorjahren ab. Entsprechend kristallisierte sich heraus, dass Flexibilität beispielsweise durch einen modularen Aufbau von Policies zu erreichen ist. Auch mehrere Policies, die sich an den unterschiedlichen Entsendegründen orientieren, helfen den Unternehmen, sich den ständig wechselnden Rahmenbedingungen anzupassen, und ermöglichen die unterschiedlichen Business Cases für Entsendungen zu unterstützen.
Insbesondere jüngere Mitarbeiter erwarten, dass ihnen ein Auslandsaufenthalt ermöglicht wird und sehen diesen als Karrieresprungbrett. Die Unternehmen reagieren darauf mit sogenannten „Developmental Policies“, die weniger entsendebedingte Zulagen und Kostenerstattungen vorsehen. Ließ sich ein derartiger Trend bereits deutlich in 2011 verspüren, besitzen heute bereits 27 Prozent der befragten Unternehmen eine Developmental Policy, während 14 Prozent derzeit dabei sind, eine solche Policy zu implementieren.
Herausforderungen steigen weiter
In vielen Unternehmen gelten der Transfer von Fach- und Führungskräften und die Bewährung des jeweiligen Arbeitnehmers im Ausland als unverzichtbare Maßnahmen beim Aufbau einer internationalen Führungsmannschaft. Wohl auch im Hinblick auf den zunehmenden Fachkräftemangel wuchsen in den Unternehmen in den letzten Jahren die Bemühungen, sich rechtzeitig um den anschließenden Karriereverlauf ihres Expatriates zu kümmern. Entsprechend halten 31 Prozent der befragten Unternehmen den Aspekt der Wiedereingliederung (Repatriation) für sehr wichtig. 63 Prozent wirken möglichen Wiedereingliederungsproblemen, welche sowohl beruflich als auch privat begründet sein können, mit standardisierten Prozessen entgegen. Eine durchaus positive Entwicklung, wurden die Herausforderungen der Repatriation in der Vergangenheit doch häufig unterschätzt.
Obwohl Unternehmen im Rahmen der eigenen Personalpolitik stark bemüht sind, die vorhandenen Barrieren insbesondere im Hinblick auf Langzeitentsendungen zu beseitigen, stellen familiäre und häusliche Gründe (61 Prozent), wie die Trennung von der Familie, das Karriererisiko des Partners oder die Ausbildung der Kinder noch vor Gehalts- und Vergütungsfragen (45 Prozent) und der Attraktivität des Einsatzortes (34 Prozent) das größte Hindernis für einen Auslandseinsatz dar.
Auslandseinsätze weiterhin im Visier der Finanzbehörden
Wenn es um Einreise, Arbeitserlaubnis, Steuern und Sozialversicherung geht, sind Unternehmen – insbesondere die Personalabteilungen – gefordert, die rechtlichen, sich stetig wandelnden Rahmenbedingungen mehrerer Staaten zu beachten und sie im Interesse des Unternehmens und des Arbeitnehmers miteinander in Einklang zu bringen. Der Trend, dass Auslandsentsendungen zunehmend im Visier der Finanzverwaltungen im In- und Ausland sind, hält an. 70 Prozent der Unternehmen haben daher die steuerliche Compliance im Heimat- und Entsendeland als vordringlichsten Risikobereich identifiziert. Kaum verwunderlich, zählt das Steuerrecht doch generell zu den schwierigsten und schnelllebigsten Rechtsgebieten, welches in seiner Komplexität noch zunimmt, insbesondere wenn Steuerrechtsgebiete verschiedener Staaten aufeinandertreffen.
Auch die sogenannten „Accidental Expatriates“ (Short-Term Business Travelers), das heißt Mitarbeiter, die zwar an keinem Entsendungsprogramm teilnehmen, sich aber gleichwohl im Rahmen von Dienstreisen längerfristig im Ausland aufhalten, stellen Unternehmen heute vor immense Herausforderungen und Risiken, sowohl steuerlicher als auch aufenthaltsrechtlicher Natur. Verständlich, dass die Unternehmen deshalb diesem Bereich zunehmend Aufmerksamkeit widmen und Prozesse implementieren, um das Risiko zu reduzieren. Auch hier wird in Zukunft jedoch weiterer Handlungsbedarf nötig sein. Trotz der möglichen Gefahren finden in lediglich 35 Prozent der befragten Unternehmen derzeit die erforderlichen Tracking-Prozesse Anwendung.
Die Welt wird nicht global, sie ist es bereits
Das Thema Globalisierung hat heute Einzug in fast jedes wachstumsorientierte Unternehmen gefunden und fordert nicht nur Unternehmen als solche, sondern auch deren Global Mobility-Funktion täglich aufs Neue heraus. Neben den Compliance-Themen und aufenthaltsrechtlichen Fragestellungen, die zu bewältigen sind, kommen zunehmend auch strategische Themen hinzu. Fragen wie: „Warum entsenden wir?“, „Wen entsenden wir?“, „Unter welchen Konditionen entsenden wir?“, „Und wie kann uns Global Mobility bei unserem Talent Management unterstützen?“, gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Interessenten können den Global Mobility Effectiveness Survey 2012 per E-Mail an hc-newsletter@de.ey.com anfordern.
Autorinnen
Ulrike Hasbargen, Partnerin, Leiterin Human Capital Deutschland, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München,
ulrike.hasbargen@de.ey.com
Annette Moog, Senior Consultant Human Capital, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Stuttgart,
annette.moog@de.ey.com
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