Ausgabe 1 - 2012
Noch Potenzial für Verbesserungen
Um den externen Anforderungen der Bewerber und den internen Anforderungen an die Messung der Prozessqualität gerecht zu werden, nutzen viele Unternehmen Systeme zur Unterstützung des Bewerbermanagements. Welche Systeme werden bei den Unternehmen eingesetzt und wie zufrieden sind die Unternehmen mit den verwendeten Systemen?
Auf sich als attraktiver Arbeitgeber aufmerksam zu machen und potenzielle Bewerber zu finden ist heutzutage für viele Unternehmen bereits eine große Herausforderung. Und dann sollten diese Bewerber auch noch eine nutzerfreundliche Suchmöglichkeit nach Stellenangeboten auf der Karriereseite des Unternehmens erwarten, eine einfache Bewerbungsmöglichkeit und natürlich eine Eingangsbestätigung. Einige Bewerber fragen sogar nach nicht allzu langer Zeit nach, wie es denn um ihre Bewerbung steht. Hier kann der Einsatz eines Bewerbermanagmentsystems helfen.
Der „Bewerbermanagement Report 2011“, durch das Institute for Competitive Recruiting (ICR) unter mehr als 8000 Personalern in Deutschland durchgeführt, gibt Aufschluss, welche Systeme bei den Unternehmen eingesetzt werden und wie es um die Zufriedenheit damit bestellt ist. Geantwortet haben 195 Teilnehmer der Umfrage. Obwohl Bewerbermanagementsysteme schon seit einigen Jahren am Markt sind, ist laut den Ergebnissen des Reports nur eine Minderheit (17 Prozent) der teilnehmenden Unternehmen mit dem verwendeten Bewerbermanagementsystem zufrieden und kann sagen: wir haben ein elektronisches Bewerbermanagementsystem, das unsere Bedürfnisse und die der Bewerber erfüllt. Größere Unternehmen sind tendenziell dabei deutlich zufriedener als kleinere Unternehmen.
Gefragt nach der Wichtigkeit, geben mehr als zwei Drittel der Unternehmen an, dass die Güte ihres Bewerbermanagementsystems eine hohe oder sehr hohe Bedeutung für ihr Recruitment hat. Die Wahrnehmung der Wichtigkeit steigt hierbei mit der Mitarbeiterzahl. Welches sind nun diejenigen Systeme, die häufig genutzt werden und die gleichzeitig zufriedene Kunden produzieren?
Nutzung
Zur Verwaltung von Bewerbern werden sehr viele unterschiedliche Verfahrensweisen verwendet. Die Liste der Nutzung wird 2011 angeführt von Accessdatenbanken/Excel-Blättern mit circa 32 Prozent vor der ersten kommerziellen Standardsoftware, SAP E-Recruiting, mit circa 17 Prozent. Eigenentwicklungen der Unternehmen folgen knapp dahinter mit etwas mehr als 16 Prozent. Auf den Plätzen vier und fünf finden sich Taleo mit zehn Prozent und d.vinci mit fünf Prozent. Immerhin fünf Prozent der an der Umfrage beteiligten Unternehmen nutzen keine Softwarelösung.
Im Vergleich zu 2010 nimmt die Verwendung von Accessdatenbanken/Excel- Blättern ab zugunsten von Standardsoftware, insbesondere SAP und Taleo. Hierbei zeigt sich eine langsame Weiterentwicklung des Recruitment-Marktes von der Zersplitterung der Lösungen hin zu (modifizierten) Standardlösungen.
Bei der Verwendung von Bewerbermanagementsystemen bestehen deutliche Unterschiede je nach Größenklasse. Kleinere Unternehmen verwenden am häufigsten Accessdatenbanken oder Excel-Blätter vor Eigenentwicklungen, größere Unternehmen am ehesten SAP E-Recruiting noch vor Taleo und Eigenentwicklungen.
Zufriedenheit
Aufgrund der starken Zersplitterung des Marktes werden hierbei nur die am häufigsten genutzten Verfahrensweisen betrachtet. Aus der Gesamtzahl der 195 Antworten für diese Frage haben nur sieben die Mindestanzahl von fünf beurteilenden Nutzern erreicht. Die größte Zufriedenheit wurde dabei der Software d.vinci zugemessen, vor den selbstentwickelten Systemen auf Platz zwei und I-Grasp von Stepstone auf Platz drei. Taleo musste sich mit einem vierten Platz, SAP E-Recruiting mit einem sechsten Platz begnügen. Am unzufriedensten waren die Nutzer der Accessdatenbanken/Excel-Blätter vor denen, die gar keine Softwarelösung haben.
Unter Berücksichtigung der Mindestbewertungszahl von fünf und der Beschränkung für den Vergleich auf die angebotenen kommerziellen Lösungen geht bei der Kombination Nutzung und Zufriedenheit (bei gleicher Gewichtung der Kriterien) d.vinci als Sieger vor Taleo und SAP E-Recruiting hervor. Die angebotenen kommerziellen Lösungen für Bewerbermanagementsysteme finden allerdings (noch) nicht die versprochene Zufriedenheit. Vielleicht sind nach der ersten Euphorie zu Beginn der Einführung von Bewerbermanagementsystemen die Ansprüche gestiegen?
Aktuelle Herausforderungen für Bewerbermanagementsysteme
Durch die heutigen Bewerbermanagementsysteme, insbesondere durch die, bei denen Bewerber langwierige Formulare selber ausfüllen müssen, entsteht eine Art von Festung. Die Unternehmen umgeben sich mit einer hohen (Stacheldrahtbewehrten) Schutzmauer gegen die anstürmenden Bewerbermassen. Nur ein ganz geringer Prozentsatz schafft es, nach komplizierten Auswahlprozessen, ins Innere der Festung. Nun wird die Welt sich durch Fachkräftemangel und demografische Entwicklung entscheidend ändern. Statt der Bewerbermassen draußen vor dem Tor werden die Talente durch aufwendige Suchen identifiziert (Social Media Sourcing) und eingeladen, sich zu bewerben. Hier haben diejenigen Bewerbermanagementsysteme einen entscheidenden Vorteil, die die aktive Suchmöglichkeit in diversen sozialen Netzen bereits integrieren können. Wenn die mühevoll gefundenen Bewerber dann mit der hohen Festungsmauer inklusive Stacheldraht statt des erwarteten roten Teppichs empfangen werden, drehen Sie gleich wieder um. Was kann man also tun, um nach wie vor die Geeigneten von den Ungeeigneten effizient zu unterscheiden und die gesuchten Talente nicht schon frühzeitig zu verschrecken?
Die Festungen müssen nicht unbedingt geschliffen werden. Zur effektiven Prozesssteuerung werden sie weiter benötigt. Wenn sie aber ergänzt werden durch „goldene Tore, die mit einem bestimmten Zauber belegt sind“ oder „virtuelle rote Teppiche“, dann ist die Gratwanderung geschafft.
Wie kann so ein goldenes Tor aussehen? Zunächst einmal geht es um Einfachheit und Entbürokratisierung. So sollte das Bewerbermanagement das Hochladen eines Lebenslaufes mit einem dazugehörigen
Abbildung
Tipps zur Auswahl und Nutzung von Bewerbermanagementsystemen

Anschreiben ermöglichen. Diese beiden Dateien sollten dann durch eine Softwaremöglichkeit (genannt Parsing) durchsucht und die relevanten Daten automatisch auf die entsprechenden Felder der Onlinebewerbung zugeordnet werden. Je nach Güte der Software muss der Bewerber dies noch einmal kurz kontrollieren und gegebenenfalls verbessern. Das war dann aber auch schon der Hauptteil der Bürokratie. Jetzt kommt das goldene Tor, das mit einem bestimmten Zauber belegt ist. Es besteht in der simplen, aber hochinteressanten, freiwillig zu beantwortenden Frage, was nach Meinung des Kandidaten die drei größten Herausforderungen für die Position sind und wie er diese angehen würde.
Die Beantwortung dieser Frage erfüllt zwei Zwecke:
- 1.
Der Bewerber sieht, dass sein „Gehirn gefragt ist“ und dass er seine Persönlichkeit und Kompetenz einbringen kann.
- 2.
Der Recruiter kann, bei guter Kenntnis des Stellenprofils, viel leichter die Entscheidung treffen, welchen der motivierten Kandidaten er dem einstellenden Manager vorschlägt.
Der Zugang wird durch das Parsing leicht gemacht und wer sich des „Zaubers“ würdig erweist, dem wird der rote Teppich in Form einer bevorzugten Behandlung und eines zügigen Einstellungsverfahrens ausgerollt, damit er nicht im weiteren Prozess verloren geht.
Diese Lösung ist relativ einfach und schnell auch in bestehende Bewerbermanagementsysteme einzubauen und sollte eine große Wirkung haben.
Autor
Wolfgang Brickwedde, Leiter des Institute for Competitive Recruiting, Heidelberg,
wb@competitiverecruiting.de
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