Ausgabe 1 - 2014
Tue Gutes und rede darüber
Die Zeiten sind hart. Fachkräftemangel, demotivierte Belegschaften, globale Konkurrenz, Innovationslosigkeit – es braucht Differenzierungsmöglichkeiten, um sich von anderen Unternehmen abzuheben. Ein Weg kann darin bestehen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Nun ist es allerdings mit dem Sponsoring des Trikotsatzes der örtlichen Fußballmannschaft nicht getan – es reicht heute einfach nicht mehr aus, sich als Unternehmen „freizukaufen“. Damit das Engagement glaubwürdig wird, muss es als authentisch wahrgenommen werden. Ernst gemeinte und gut gemachte Corporate Citizenship-Ansätze können das erreichen.
Als Bindeglied zur Gesellschaft fungieren die Mitarbeitenden: Sie sind nicht nur Beschäftigte des Unternehmens, sondern gleichzeitig Eltern, Kunden, pflegende Angehörige, ehrenamtlich Engagierte, Suchtgefährdete, Bürger. Sie sind ein Abbild der Gesellschaft. Zunehmend verschmelzen dabei das Privatleben und die Arbeitswelt. So erklärt sich auch, dass immer mehr Menschen im Berufsleben nach Sinnstiftung und gelungener Work-Life-Balance suchen. Laut Berliner Trendence-Institut finden aktuell 69 Prozent der Studienabgänger der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften, dass die unternehmerische Sozialverantwortung wichtig für die Jobsuche ist.
Gesellschaftlicher und betrieblicher Nutzen im Einklang
Corporate Volunteering ist eine Möglichkeit, gesellschaftlichen und betrieblichen Nutzen zusammenzubringen. Der dabei notwendige Blick über den Tellerrand des Unternehmens bringt jedoch eine unterschätzte Komplexität mit sich, die schnell zu praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung solcher Programme führt. Neben dem grundsätzlichen Spannungsverhältnis von Freiwilligkeit und betrieblicher Veranlassung müssen auch das gesellschaftliche Umfeld, die Öffentlichkeit, die gemeinnützigen Partnerorganisationen und die Adressaten des Engagements mit berücksichtigt werden. Fünf Handlungsfelder sind besonders wichtig, wenn es darum geht, Corporate Volunteering strategisch und wirkungsvoll auf- und umzusetzen.
Ziele – Wir tun Gutes, oder?
Es ist doch klar: Mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz geben die Mitarbeitenden der Gesellschaft etwas zurück. Aber was eigentlich? Wo viele Akteure beteiligt sind, wird es schnell schwierig und komplex, Ziele konkret zu benennen: Die Personalabteilung möchte ihrer Führungskraft Soft Skills beibringen, diese sucht jedoch nur ein bisschen Abwechslung im Arbeitsumfeld.
Die Kommunikationsabteilung braucht noch eine gute Geschichte für den Nachhaltigkeitsbericht, die gemeinnützige Partnerorganisation will eigentlich Geld. Und das Kind möchte eigentlich viel lieber von der netten Oma als vom Manager vorgelesen bekommen. Dass es dabei zu Zielkonflikten kommt, ist klar. Das macht aber nichts, solange die einzelnen Ziele transparent sind. Denn nur so kann ein realistisches Erwartungsmanagement betrieben werden. Dabei ist es vollkommen legitim, dass gesellschaftliche UND unternehmerische Ziele verfolgt werden. Ohne einen klaren „business case“ bleibt Corporate Volunteering ein Nischenthema.
Die Rolle von HR (oder der Abteilung, welche die Maßnahme plant) besteht darin, möglichst viele dieser unterschiedlichen – oft auch unterschwelligen – Ziele zu erkennen, zu priorisieren und in den Planungsprozess einfließen zu lassen. Innerhalb des Unternehmens sollten daher frühzeitig möglichst viele relevante Gruppen – beispielsweise auch der Betriebsrat – eingebunden werden. Und sinnvollerweise passt das Corporate Volunteering auch zur Unternehmensstrategie: Ein Unternehmen, das sich dem Klimaschutz verschrieben hat, sollte vielleicht eher an einen Aufräumeinsatz im Wald denken als an ein Projekt gegen Kinderarmut.
Das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline ermöglicht daher ausgewählten Mitarbeitenden über das „Pulse-Programm“ die Möglichkeit, im medizinischen Dienst in Entwicklungsländern zu hospitieren.
Abbildung
Corporate Volunteering

Es gibt verschiedene Möglichkeiten des Corporate Volunteering. Sie wollen je nach Unternehmen gut gewählt sein.
Planung und Ressourcen
Corporate Volunteering – das ist nicht nur der Social Day. Je nach Ziel und Zielgruppe passen andere Formate vielleicht besser. Von eintägigen Events bis zu halbjährigen Hospitationen ist alles denkbar. Mal sind die beruflichen Kompetenzen der Mitarbeitenden unwichtig („Kita streichen“), mal stehen sie im Fokus („Finanzprofi macht Kassenprüfung im Verein“).
Viel zu selten wird dabei der innerbetriebliche Aufwand realistisch abgebildet: Da erhält die Kommunikationsmitarbeiterin ein Zeitbudget von zehn Prozent für den Social Day oder der Personalentwickler organisiert die einwöchige Hospitation der Führungskraft nebenbei. Da fällt schon mal der ein oder andere wichtige Baustein aus Zeitmangel weg – leider meist die Evaluation der Ergebnisse. Knackpunkt einer jeden Maßnahmenplanung ist aber die Ressourcenfrage. Viele gemeinnützige Projekte – etwa mit Schulkindern – lassen sich nicht am Abend oder am Wochenende durchführen. Der Einsatz der Mitarbeitenden greift damit schnell in die betrieblichen Abläufe ein, wirft Steuer- und Versicherungsfragen auf und muss entsprechend abgefedert werden. Aufwand garantiert. Bei der Allianz SE arbeiten daher die CSR-Abteilung und das Personalmanagement Hand in Hand. So lassen sich Aufgaben und Kompetenzen verteilen und die Effekte auf verschiedenen Ebenen im Unternehmen nutzen.
Wirkung! Oder: Die Suche nach KPIs
So viel vorweg: Derzeit werden zumeist übertriebene Erwartungen an die Messbarkeit und die gesellschaftliche Wirkung von Corporate Volunteering-Maßnahmen gestellt. Trotzdem ist es wichtig, den Erfolg zu überprüfen, denn sonst verkommt der gut gemeinte Ansatz schnell zum wenig nachhaltigen Event.
Die Frage, was wie gemessen werden kann (und sollte), hängt stark von den Zielen und der Ausgestaltung der Maßnahmen ab: Ein Sozialpraktikum, in dem die Führungskraft einen Perspektivwechsel erfahren soll, erfordert andere Evaluationsinstrumente als das Messen der Mitarbeiterzufriedenheit nach einem Social Day. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen den gesellschaftlichen und den unternehmerischen Zielen.
Realistische Annahmen über die gesellschaftliche Wirkung können nur mit der gemeinnützigen Partnerorganisation gemeinsam getroffen werden. Diese weiß am besten, wie der Freiwilligeneinsatz wirkt. Und umgekehrt sollte sich das Unternehmen auf die innerbetrieblichen Kennzahlen konzentrieren – und dabei an Maßnahmen der Personalentwicklung orientieren. Zur Wirkungsmessung eines Teambuildings, eines Seminars zur Führungskräfteentwicklung oder zur Mitarbeiterzufriedenheit sind Unternehmen bereits jetzt schon in der Lage. Die dafür verwendeten KPIs und Erhebungsmethoden (Stichwort: Mitarbeiterbefragung) lassen sich auch auf das Corporate Volunteering anwenden.
Die Heidelberger Druckmaschinen AG stärkt die Kompetenzen ihrer Azubis in den Bereichen Empathie und Kommunikation dadurch, dass sie ihnen die Möglichkeit einräumt, Demenzkranke in einem Wohnheim zu betreuen. Die Wirkung auf die Azubis erhebt das Unternehmen, die positiven Effekte auf die Erkrankten die Wohnheimverwaltung. Hier sind klare Ziele definiert und somit überprüfbar.
Matching – Die Nadel im Heuhaufen
Damit Corporate Volunteering gelingen kann, braucht es passende gemeinnützige Organisationen, die Einsatzmöglichkeiten für die Freiwilligen schaffen. Um gleich mit einem Vorurteil aufzuräumen: Solche Organisationen sind teils hochprofessionell und sprechen durchaus die gleiche Sprache wie das Unternehmen! Trotzdem gibt es Fallstricke. Der Selbstzweck von gemeinnützigen Organisationen besteht in ihrem gesellschaftlichen Wirkungsziel. Darin sind sie Profis. Die Zusammenarbeit ist für diese Organisationen daher keineswegs bloße Dienstleistung. Das muss man verstehen und akzeptieren, wenn man beispielsweise eigentlich nur die Führungskompetenzen der eigenen Mitarbeitenden steigern will. Die Motive der Partnerorganisation herauszufinden, gehört also zur Basis einer gelungenen Kooperation. Diese können – neben dem gesellschaftlichen Ziel – auch auf ganz anderer Ebene liegen: Im Zugang zu Netzwerken, der Akquise von Ressourcen, der Gewinnung neuer Freiwilliger für gemeinsame Aktivitäten und der öffentlichen Akzeptanzsteigerung sozialer Arbeit oder auch in der Verstärkung der eigenen Gremien.
Auch gemeinnützige Organisationen selbst können Einsatzort für das Engagement sein und vom Wissenstransfer profitieren – beispielsweise im Projektmanagement, im Marketing oder beim Controlling. Neue Vermittlungsagenturen wie Proboneo bringen dafür das Fachwissen von Mitarbeitenden mit gemeinnützigen Organisationen zusammen. Bei der Suche nach passenden Organisationen können zusätzliche Dienstleister helfen. Wie ein solcher „Mittler“ eingebunden werden kann, zeigt das Beispiel der KPMG. Für ihren sozialen Tag, den „Make a difference day“, kooperiert das Unternehmen mit UPJ. Diese Mittlerorganisation sucht nach geeigneten Einsatzmöglichkeiten, klärt die unterschiedlichen Zielebenen und steuert den Prozess. KPMG erspart sich damit einen erheblichen Ressourcenaufwand und bringt ihre Kompetenzen dafür in den jeweiligen sozialen Projekten ein.
Kommunikation – Steter Tropfen höhlt den Stein
Gut und vor allem kontinuierlich über Corporate Volunteering-Programme zu berichten ist elementar für den Erfolg: Die Verbindung von freiwilligem Engagement mit unternehmerischen Zielen ist für viele nicht sofort einleuchtend. Es braucht einen langen Atem, um innerbetrieblich das Projekt gegenüber Vorgesetzten zu legitimieren, Mitstreiter zu rekrutieren, Führungskräfte zu gewinnen und Abteilungsgrenzen zu überwinden. Nur so ist Kulturveränderung möglich. So nutzt die Deutsche Bank ihr Intranet zur Suche nach Coaches für das gemeinnützige Startsocial-Programm. Und die Allianz baut durch die Kommunikation über das Corporate Volunteering eine Brücke zwischen den Beschäftigten und den Pensionären des Unternehmens auf.
Aber auch die Außendarstellung ist wichtig – wenn sie zielgruppenspezifisch erfolgt. So interessiert den Uni-Absolventen im Rahmen des Recruitingprozesses vielleicht die Möglichkeit einer Hospitation und sinnstiftenden Tätigkeit. Oder die Kommunalverwaltung der Umfang der sozialen Unterstützung vor Ort. Wichtig ist dabei, dass nicht nur die Quantität beschrieben wird, sondern die tatsächlichen Veränderungen, die durch das Projekt eingetreten sind – die Wirkung.
Beitrag zum Unternehmenserfolg
Corporate Volunteering ist deutlich mehr als eine altruistische Form unternehmerischer Verantwortung. Es bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten in der Rekrutierung, der Bindung und der Entwicklung von Mitarbeitenden. An dieser Schnittstelle von Mensch zu Mensch arbeitet HR.
Versteht es sich dabei nicht nur als unternehmensinterner Dienstleister, sondern als Verantwortlicher für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, liegt es auf der Hand, dass das Personalmanagement der Ort sein muss, in dem Corporate Volunteering-Programme entwickelt und umgesetzt werden. Richtig gemacht, leisten solche Formate einen wichtigen Beitrag des Personalmanagements zum Unternehmenserfolg. HR sollte diese Chance wahrnehmen.
AmCham Germany & F.A.Z.-Institut: Corporate Responsibility, Frankfurt am Main 2011
Allen, K./Galiano, M./Hayes, S.: Global companies volunteering globally, Dulles (USA) 2011
PHINEO: Gemeinsam stark! Ratgeber für wirkungsvolles Corporate Volunteering, 2013
Wehner, T./Gentile, G.C.: Corporate Volunteering – Unternehmen im Spannungsfeld von Effizienz und Ethik, Wiesbaden 2012
Autor
Jonathan Przybylski, Volunteering-Experte, PHINEO gAG, Berlin,
jonathan.przybylski@phineo.org
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