„Ich brenne immer noch für die Personalarbeit“
Wolfgang Witte ist einer der Pioniere in der HR-Software-Branche. 1983 gründete er im Münsterland die Firma Perbit und bot erstmalig ein Personalinformationssystem für den PC an. Nun überlässt er die Geschäftsführung seinen Nachfolgern. Ein Gespräch über Unternehmertum und Unternehmenskultur.
Personalwirtschaft: Wie kamen Sie damals auf die Idee, den Unternehmen ein neuartiges Personalinformationssystem anzubieten?
Wolfgang Witte: Anfang der Siebziger Jahre durfte ich als Assistent der Geschäftsleitung in einem mittelständischen Betrieb die Lohn- und Gehaltsabrechnung auf Lochkarten umstellen. Da störte es mich bereits, dass die Personalabteilung so umständlich mit Akten und Karteikarten arbeiten musste. Später habe ich die ersten elektronischen Zeiterfassungssysteme verkauft und bekam Einblick in die Personalverwaltung vieler Unternehmen. Außerhalb der Lohn- und Gehaltsabrechnung und der Zeitwirtschaft wurde noch alles auf Papier gemacht, wichtige Fragestellungen konnten zu diesem Zeitpunkt kaum computertechnisch unterstützt werden. Die Pay Roll-Software war noch nicht dialogorientiert. Als Output kam ein großer Papierstapel heraus, sortiert nach Personalnummern. Um relevante Personalinformationen zu erhalten, musste man mühsam blättern und suchen. Da war mir und meinem Kompagnon Richard Manuel klar: Die Personalverwaltung braucht ein computergestütztes Informationssystem.
Sie waren also einer der Pioniere.
Wir waren zumindest die Ersten, die auf einem PC ein Personalinformationssystem vorgestellt haben. Andere kamen später auf den Markt, selbst die SAP. Klaus Tschira, einer der Gründer von SAP, hatte 1986 auf einer HR-Veranstaltung angekündigt, dass die SAP auch in den HR-Bereich gehen würde.
Wie wurde die erste Generation Ihrer Software angenommen?
Ich hatte 700 Kunden in der Zeiterfassung und habe ein halbes Jahr gebraucht, um einen Kunden zu finden, der den Mut hatte, als Erster so etwas auszuprobieren. Den PC kannte keiner, der Begriff Personalinformation war suspekt. Der erste Kunde war zwar ein deutscher Mittelständler, danach waren es aber überwiegend amerikanische Unternehmen, die Interesse zeigten und Kunden wurden, wie Pepsi Cola oder Coca Cola. Die Amerikaner kannten den PC bereits und hatten auch eine andere Einstellung zu HR.
Wann kam der Durchbruch in Deutschland?
Der Durchbruch kam erst Anfang der Neunziger. In den Achtzigern war Lohn und Gehalt der Nabel der Welt. Deshalb haben wir das Personalinformationssystem mit Lohn- und Gehaltsprogrammen verknüpft. Das war wichtig für den Erfolg in der zweiten Hälfte der Achtziger.
Personalmanagement-Software ist mittlerweile fester Bestandteil professioneller HR-Arbeit. Haben Personaler nun mehr Zeit, sich als Business Partner um strategische Themen zu kümmern?
Gerade im Mittelstand sind die Personalmanager immer noch mit administrativen Aufgaben so stark beschäftigt, dass wenig Zeit bleibt für strategisch wichtige HR-Aufgaben. Das ist leider ein Manko.
Was sind die treibenden Themen, mit denen sich Personaler heute beschäftigen müssen?
Die demografische Entwicklung und der Wertewandel – die veränderte Einstellung zu Beruf, Freizeit und Familienleben – führen zu Veränderungen von Unternehmenskulturen. Unternehmen müssen aufgrund des drohenden Fachkräftemangels strategischer denken und Antworten zum Thema Work Life Balance finden. HR sucht dabei immer noch nach seiner Rolle. Wir brauchen Personaler, die sich um die Mitarbeiter kümmern, das können nicht nur die Führungskräfte. Es können auch nicht alle Probleme über ein Shared Service oder Competence Center gelöst werden.
Diese Diskussion um Shared Service Center ist stark Software-getrieben.
Man kann Prozesse effizienter gestalten. Mitarbeitergespräche oder Zielvereinbarungsgespräche lassen sich durch Prozesse und Software sehr gut unterstützen. Aber die reine Computerisierung von Prozessen reicht nicht aus. HR ist dafür da, Mitarbeiter und Führungskräfte zu betreuen und zu coachen.
Die Schlagworte der letzten HR-Messen waren Social Media, Mobile und Cloud. Haben Sie Angst, dass die bestehenden HCM-Lösungen auf dem Markt nicht mehr zeitgemäß sind?
Nein, wir hören auf unsere Kunden. Viele sind bei den neuesten technischen Entwicklungen immer noch zurückhaltend. Für unsere jetzige Software-Generation Insight haben wir deshalb eine Hybrid-Lösung angeboten, sodass wir zum einen noch die alte Windows-Welt unterstützen können, aber natürlich den Kunden die neue Web-Welt eröffnen. Auch bei dem Thema Mobile ist die Breite der Personaler noch sehr zurückhaltend, wie eine von uns durchgeführte Studie ergab. Wir bieten hier bereits individuelle Lösungen an. Das Thema Cloud gewinnt zunehmend an Bedeutung. Deutsche Unternehmen und insbesondere Personaler sind aber sehr sicherheitsbewusst und stehen dem Thema noch eher skeptisch gegenüber. Das Preismodell, ob Miete oder Lizenzverkauf, ist für den Kunden meistens zweitrangig. Die Software muss inhaltlich und technologisch attraktiv sein und der Anbieter im Service überzeugen. Gleichwohl gilt für alle Innovationen: Man muss als Unternehmer immer wachsam sein und Trends rechtzeitig erkennen.
Jetzt müssen bei Perbit andere wachsam sein. Sie treten aus der Geschäftsführung zurück. Was war der Grund, die Verantwortung jetzt in jüngere Hände zu geben?
Man muss sich ein Zeitpunkt setzen, wann man als Inhaber eines Unternehmens aus der operativen Verantwortung zurücktreten möchte. Sonst bleibt man zu lange am Platz und verpasst den richtigen Zeitpunkt des Absprungs. Ich wollte das Unternehmen durch langjährige Führungskräfte fortführen lassen, sodass man ihnen frühzeitig Raum geben kann, und selbst noch sieht, wie sie sich und das Unternehmen entwickeln. Unsere neuen Geschäftsführer sind gut vorbereitet, und ich kann mit meinen 63 Jahren beruhigt kürzer treten. Unsere Innovations- und Unternehmenskultur ist bei den Führungskräften und Mitarbeitern verankert, dass sie auch ohne mich bestehen bleibt. Sonst hätten mein Kompagnon und ich etwas falsch gemacht. Als Gesellschafter bleibe ich aber noch in einer gewissen Verantwortung und stehe als Beirat für die Geschäftsführung zur Verfügung.
Sie haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass Perbit ein guter Arbeitgeber ist. Dafür wurde Ihr Unternehmen mehrfach ausgezeichnet. Diese Unternehmenskultur ist natürlich stark geprägt vom Unternehmer Wolfgang Witte. Haben Sie keine Bedenken, dass mit Ihrem Weggang ein Vakuum entsteht?
Nein, unsere neuen Geschäftsführer arbeiten seit vielen Jahren bei uns, genau weil sie diese Unternehmenskultur so wert schätzen. Sie werden die Kultur zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen weiter entwickeln. Meine Vorbildfunktion, wenn sie denn da war, wurde hoffentlich verinnerlicht.
Was werden Sie vermissen?
Das weiß ich natürlich jetzt nicht so genau. Vermutlich eine ganze Menge. Perbit war ein großer Teil meines Lebens, außerhalb der Familie. Ich werde mich aber nicht langweilen. Ich brenne immer noch dafür, Unternehmenskulturen und Personalarbeit in Deutschland zu verändern. Einen Teil meiner Zeit werde ich mich mit diesen Themen auch noch beschäftigen, aber ich möchte mir nicht zu viel vornehmen. Ich werde mir Zeit nehmen, um zu lernen, forschen, reisen und meinen Hobbys Kunst oder Wein nachzugehen. Ich freue mich auch darauf, wieder Menschen zu begegnen und zurück ins Leben zu rufen, für die ich in der Vergangenheit kaum Zeit hatte.
Sie haben einmal davon gesprochen, in die Blogger-Szene zu gehen. Ist das noch spruchreif?
Es gibt Dinge, die ich bewusst kommunizieren möchte. Ob als Blogger oder in anderer Form, mal sehen. Aber ich möchte noch ein wenig pieksen und schauen, wo ich Veränderungen bewirken kann. Um Unternehmenskulturen zu verändern, muss man auch die Gesellschaft verändern. Das wird etwas sein, was ich vielleicht in kleineren Projekten gestalten kann. Ich brauche nicht die große Bühne.
Wird Bildung dabei ein wichtiges Thema sein?
Ja, Bildung ist das A und O einer Gesellschaft. Wir müssen die Lern- und Innovationsbereitschaft der Menschen in allen Altersklassen wecken.
In wenigen Wochen werden Sie Ihr Büro in Altenberge räumen. Werden wir Wolfang Witte zukünftig auch nicht mehr auf HR-Treffen sehen? Sie waren dort eine der prägenden Personen.
Ich werde auf den Veranstaltungen sicherlich nicht mehr so präsent sein wie bisher. Aber ich engagiere mich auch zukünftig noch bei der Zukunftsinitiative Personal (ZIP) sowie im Demografienetzwerk (ddn) und bleibe damit der HR-Szene treu.
Das freut uns. In diesem Sinne: Auf die Begegnung.
Autor
Das Interview führte Erwin Stickling.
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