Ausgabe 1 - 2014
Mehr Mut wagen!
Wer setzt in den deutschen Medien Trendthemen zur Arbeitswelt? Offensichtlich nicht die HR-Abteilungen in Unternehmen. Solche Einblicke in das Verhältnis von HR, PR und Medien bietet der aktuelle Trendreport HR-PR.
Die Geschichte der Arbeitgeberkommunikation in Deutschland ist eine Geschichte der Werbung, nicht der PR. Diese werbliche Tradition dominiert nach wie vor das Feld, Pressearbeit zu Arbeitsweltthemen findet meist nur in passiver Form statt. Jedoch hat sich der mediale Hintergrund radikal gewandelt, die in jahrzehntelanger Reklamepraxis über die Branchen hinweg verschlissenen Phrasen stoßen bei Talenten auf taube Ohren. Vor diesem Hintergrund hat HR-PR Consult nun schon zum dritten Mal (siehe Personalwirtschaft 8/2008 und 5/2011) Journalisten befragt, die sich auf Arbeitsweltthemen spezialisiert haben.
Höhere Anforderungen an Transparenz
Die Mehrheit von ihnen ist der Auffassung, dass das Interesse der Medien an Arbeitsweltthemen in den vergangenen zwei Jahren zugenommen hat (52 Prozent) und künftig noch steigen wird (61 Prozent). Von denjenigen, die von einem Anstieg des Interesses ausgehen, wurde mehrheitlich der „demografische Wandel“ als Grund genannt.
Das gestiegene Interesse geht in den Augen der meisten befragten Journalisten (55 Prozent) zugleich mit höheren Anforderungen an die Transparenz von Unternehmen als Arbeitgeber einher, was auch durch das veränderte Medienumfeld verursacht sein dürfte, in dem Angestellte wie Bewerber heute ungefilterte Einsichten direkt auf Internetplattformen veröffentlichen. Auch die große Mehrheit der befragten Pressesprecher hat diesen Trend zu mehr Transparenz beobachtet.
Bei den Themengebieten ist das Interesse für Weiterbildungs- und Entwicklungsthemen mit 86 Prozent der Nennungen am größten, für Rekrutierungs- und Bewerbungsthemen interessierten sich 72 Prozent, für HR-Management 66 Prozent der journalistischen Teilnehmer. Doch stärker als das Themengebiet bestimmt die Perspektive auf ein Arbeitsweltthema die Verwertbarkeit für die PR. Themen aus der Arbeitswelt können Relevanz für Personalarbeit, für Angestellte, für Unternehmen oder für die Volkswirtschaft haben. Welche Perspektive eines Themas ist für Journalisten besonders interessant? Wie auch schon in den 2008 und 2011 durchgeführten Befragungen zeigt sich: Journalisten schreiben meist über Arbeitsweltthemen, um Angestellte zu informieren, zu orientieren und ihnen Tipps zu geben. Mit 80 Prozent der Nennungen wird der Blick durch die Brille von Bewerbern, Angestellten und Führungskräften von den relevanten Journalisten favorisiert.
Kein Killerthema in Sicht
Auf die Frage nach dem aktuellen Interesse an konkreten Themen gab es eine sehr große Bandbreite an Antworten, die von „Start-ups“ über „Meritocracy“, dem „Büro 2020“ bis zu Klassikern wie „Gesundheitsmanagement“ und „schlechte Führungskräfte“ reichten.
Wie auch bei der letzten Befragung 2011 sind keine „Killerthemen“ zu erkennen. An vermeintliche Trendthemen angehängte HR-Buzzwordsammlungen oder „Thesenromane“ ohne Fakten und substanzielle Geschichten dahinter gehen nach Selbstauskunft der Journalisten aber an ihrem Bedarf vorbei. Bei den No go-Themen wurden entsprechend aufbereitete Angebote zu „Frauenquote“ „Demografischer Wandel“ und „Burnout“ jeweils mehrmals genannt.
Wie sehen Journalisten insgesamt die PR zu Arbeitsweltthemen? Rund die Hälfte der Befragten findet sie schlechter im Vergleich als die Produkt-PR der Unternehmen. Welche Erfahrungen der Journalisten haben zu diesem eher negativen Blick geführt? Die Befragungsteilnehmer wurden gebeten, zu berichten, was sie für typische Situationen im Umgang mit Unternehmen zu Arbeitsweltthemen erlebt haben. Hier zeigt sich ein bunter Strauß von Don’ts im Umgang mit der Presse. Einige Beispiele:
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Unkenntnis des Zielmediums: „Themenvorschlag, ohne das Heft zu kennen (vorgeschlagenes Thema lief in der damals aktuellen Ausgabe).“
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Einknicken bei kritischen Fragen: „Ein Pressesprecher eines Konzerns kam auf mich zu und bot mir ein Gespräch mit dem Personalchef an. Als ich Fragen schickte, die nicht so verabredet waren, hatte der Personalchef plötzlich keine Zeit mehr.“
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Formales Beantworten von Anfragen ohne solide Recherche der Pressesprecher im Unternehmen: „Oft darf man nicht mit dem Personaler sprechen und bekommt irgendeine Wischiwaschi-Antwort der Pressestelle.“
Berater und Professoren als Trendsetter
Wenig verwunderlich ist daher, dass die meisten Journalisten Personalverantwortliche in Unternehmen nicht als Trendsetter sehen. Personalabteilungen und PR-Verantwortliche in Unternehmen konkurrieren bei Themen der Arbeitswelt um die Aufmerksamkeit der Medien mit Vertretern der HR-Dienstleistungs- und Beratungsbranche sowie mit Wissenschaftlern. Wer hat in den Augen der befragten Journalisten hier die Nase vorn? Auf die Frage, wer am ehesten Trends liefert und spannende Nachrichten setzt, entschieden sich 55 Prozent der Teilnehmer für „Professoren“, 33 Prozent für „Unternehmens- und Personalberater“ und sechs Prozent für „Personalabteilungen in den Unternehmen“. „Unserer Erfahrung nach kommen von Wissenschaftlern einfach die meisten Impulse. Von den Personalabteilungen kommt (fast) nichts“, meint ein Teilnehmer. „Personalabteilungen schlafen oder sind Veröffentlichungs-Verhinderer“ ein anderer. Tatsächlich gibt es im Aufmerksamkeitswettbewerb einige objektive Nachteile der HR-Manager gegenüber Professoren und Beratern: Die Dominanz von Professoren, Beratern und Dienstleistern liegt nicht nur darin begründet, dass diese unternehmensübergreifend Aussagen treffen können – und wollen. Sie erstellen häufig Studien zum Thema, die es Journalisten leichter machen, ein Thema aufzugreifen.
Geringe Aktivität, fehlender Mut
HR-Abteilungen (und den Pressestellen) fehlt vor allem aber der Mut zur klaren Aussage. Es ist kein Zufall, dass nach unserer Beobachtung vor allem die „Ehemaligen“ unter den HR-Managern derzeit die öffentliche Diskussion mitbestimmen. Bei der Online-Umfragen haben wir die Journalisten um Tipps gebeten, wie Unternehmen ihre Pressearbeit zu Arbeitsweltthemen verbessern könnten. „Mehr Mut“ war eine häufig zu lesende Empfehlung: „Stechen Sie heraus! Nehmen Sie nicht den Geschichten die letzte Kante in endlosen internen Korrekturläufen.“
Es fehlt außerdem in den Pressestellen eine angemessene Priorisierung und Ausstattung: „Nach wie vor werden Anfragen zu personal- und arbeitsrelevanten Themen zweitrangig behandelt.“ Eine weitere Stimme: „Der Gewinn von gut ausgebildeten Mitarbeitern ist eine der wichtigsten Aufgaben für deutsche Unternehmen in den nächsten Jahren. Die Kommunikationsarbeit nebenbei zu betreiben ist keine Option. Hier müssen Kommunikationsabteilungen besser mit Ressourcen ausgestattet werden, um diese Aufgabe erfolgreich zu meistern.“
Viel Luft nach oben
Nach wie vor ist beim Thema HR-PR noch viel Luft nach oben. Zwei Drittel der befragten Pressesprecher sehen in der langfristigen Themenplanung und aktiven Ansprache derzeit die größte Herausforderung. Gelingen kann das nur als „Joint Venture“ von Unternehmenskommunikation und Employer Branding-Verantwortlichen.
In einem Kontext, in dem alle Arbeitgeber jahrelang phänomenale Glückserwartungen verheißen haben, werden solche generischen Heilsversprechen zu großartigen Karrieren insgesamt unglaubwürdig – nicht nur in der Pressearbeit. Künftig wird eher der realitätsnahe Blick auf „Menschen bei der Arbeit“ als die hochpolierte Präsentation „glücklicher Kühe“ die Kommunikation von Arbeitgebern bestimmen müssen. Dabei wird PR eine Schlüsselrolle spielen, unabhängig von der Frage, „ob die Tageszeitung eine Zukunft hat“.
Trendreport HR-PR 2014
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Online-Umfrage von Journalisten mit per E-Mail verbreitetem Link. Angeschrieben wurden rund 300 Journalisten (feste und freie) mit erkennbarem Arbeitsschwerpunkt Karriere/Arbeitswelt. Teilgenommen haben 36 Personen.
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Breites Spektrum der maßgeblichen überregionalen Tageszeitungen, Wirtschaftsmagazine und reichweitenstarken Online-Medien durch die Teilnehmer abgedeckt. Die meisten Teilnehmer schreiben für das Karriereressort (24) oder für den Wirtschaftsteil (17) dieser Publikationen.
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Parallel zur Journalistenumfrage Befragung von Pressesprechern (26 Teilnehmer) und Kommunikationsverantwortlichen in HR (17 Teilnehmer).
Autoren
Dr. Manfred Böcker, Geschäftsführer, HR-PR Consult, Köln,
manfred.boecker@hr-pr.de
Simone Clement, Research, HR-PR Consult, Köln,
simoneclement@gmx.de
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