Ausgabe 1 - 2014
Wissenshäppchen gegen das Vergessen
E-Learning als Methode hat sich in vielen Bereichen etabliert, aber der Praxistransfer lässt häufig noch zu wünschen übrig. Vom 4. bis 6. Februar 2014 können sich die Besucher der Learntec darüber informieren, wie sie mit kleinen Wissenseinheiten die Lücke zwischen Lernen und Arbeiten schließen.
Anfang Februar ist es wieder soweit: Die Learntec lädt zum Szenetreffen. Die Klientel ist klein, aber fein – Laufkundschaft gibt es so gut wie keine, dafür sind die Interessenten sehr gut vorbereitet: „Die Fachbesucher haben bereits ihre Themen fürs E-Learning definiert und ein Pflichtenheft erstellt“, erinnert sich Jörg Geulen an die letzte Veranstaltung. Entsprechend erwartet der Marketingleiter von TTS auch im kommenden Jahr eine erfolgreiche Bestandskundenpflege sowie einige neue Kontakte. Die Organisatoren der Learntec gehen wieder von 99 Prozent Fachbesuchern aus, also Entscheidern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie Personal-, Aus- und Weiterbildungsverantwortliche. Auch IT-Manager gehören zur Zielgruppe.
Spricht man im Vorfeld der Veranstaltung mit E-Learning-Experten, wird deutlich, dass sich das Verständnis von dem Begriff stark erweitert hat. Lars Fassmann etwa, CEO der chemmedia AG, will seine Kunden und Besucher am Stand in die Lage versetzen, möglichst schnell und unkompliziert Content zu erstellen und dann in jede beliebige Form zu bringen – etwa als Präsenztraining, Online-Kurs, Blended oder Mobile Learning. „Den Begriff E-Learning verwenden wir immer seltener“, so Fassmann. Er sieht die Zukunft des Lernens ganzheitlich, egal über welche Kanäle es verbreitet wird.
Mit kleinen Einheiten mehr behalten
Sünne Eichler, die gemeinsam mit Peter Henning das Kongresskomitee bildet, findet, „dass beim E-Learning Lernziele sauberer definiert werden als beim Präsenztraining“. Entsprechend sauber könne das Wissen abgeprüft werden, denn zwischen den Lerneinheiten lassen sich kleine Tests leicht einbauen. Vor der Produktion von Lernmodulen müsse man sich über den konkreten Lernbedarf, Form und Inhalt sowie den didaktischen Aufbau im Klaren sein. „E-Learning diszipliniert alle Beteiligten – nicht nur die Lernenden, sondern auch das Management“, beobachtet Eichler.
Neben den klassischen Themen wie Serious Games, Mobile Learning oder E-Publishing geht es in Karlsruhe vor allem um den Wissenstransfer am Arbeitsplatz. „So langsam schauen sich die Unternehmen die Nutzungsszenarien an“, beobachtet Jörg Geulen von TTS, „und dabei geht es nicht nur darum, die Mitarbeiter vor oder zu Beginn eines Projekts zu qualifizieren, sondern auch die Trainingspausen zu nutzen, um die Behaltenskurve zu stützen.“
Weiterbildung für alle
Denn zwischen Schulung und Go-Live liegen nicht selten mehrere Wochen oder gar Monate. Mit kleinen Wissensnuggets, die direkt am Arbeitsplatz abgerufen werden, soll die Überbrückung gelingen. Der Vorteil: „Wenn die neue Software ausgerollt wird, sind die Mitarbeiter schon in der Materie drin.“
Einen großen Bereich werden 2014 die MOOCs einnehmen. Die Massive Open Online Courses richten sich an alle, die sich online über ein bestimmtes Thema informieren und austauschen wollen. Eigentlich ist der Begriff „Course“ irreführend, denn MOOCs zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie auf geführten Unterricht verzichten. Aufhänger ist oft ein Lernvideo. „Es reicht aber nicht, eine Kamera auf den Referenten zu halten“, betont Eichler. Wer es professionell möchte, sollte einen Dienstleister damit beauftragen. Eine Tagesproduktion mit mehreren Modulen kostet zum Beispiel bei vsonix, einem Full Service-Provider von Video-Produktion und Software-Lösungen, zwischen 2000 und 3000 Euro. Die sind aber gut angelegt, denn bei der großen Teilnehmerzahl können die Videos über lange Zeit weiterverwendet werden. Der Zugriff dagegen muss so einfach wie möglich gehalten werden, um Einstiegshürden zu vermeiden. „Für unseren Content reichen Web-Standardtechnologien aus“, sagt Geschäftsführer Volker Hahn.
Eigentlich sind MOOCs ein Hochschulthema, aber die imc AG will es auch für Unternehmen nutzbar machen. Das setzt voraus, dass diese bereit sind, ihre Inhalte zu teilen. Denn selbst, wenn Tausende Mitarbeiter weltweit gemeinsam online lernen, sind solche Weiterbildungsmaßnahmen in der Regel betriebsintern. Doch der imc-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Kraemer beobachtet ein Umdenken: „Viele Bildungseinrichtungen in großen und mittelständischen Unternehmen öffnen ihre Kurse nach außen.“ imc bietet beispielsweise ein MOOC zu Windows 8 an. Eine Prüfung wie in klassischen E-Learning-Kursen findet nicht statt – der Lernerfolg zeigt sich in den Apps, die die Teilnehmer in Gruppenarbeit für das mobile Betriebssystem entwickeln müssen.
Mit dem E-Book zum Mobile Learning
2013 hat die Learntec einen Testballon zum Thema E-Publishing gestartet. „Das Interesse war so groß, dass wir diese Sonderfläche auch 2014 wieder anbieten“, so Eichler. Der Trend zum E-Book zeigt Wirkung, doch die monochromen Geräte können längst nicht alles abbilden, was sich ein mobiler Lerner wünscht. „Die Verlage wollen jetzt interaktive Bücher auf Lesegeräten bereitstellen“, sagt Lars Fassmann von chemmedia, „Videos, Animationen, Tests und Interaktion sind letztendlich E-Learning mit neuer Bedienoberfläche.“ Sünne Eichler bestätigt: „Langfristig haben bei Fachinhalten nur interaktive E-Books eine Chance.“
Zurück auf die Schulbank
Viele Jahre nach der Trennung von der Didacta kehrt nun das Thema Schule mit der Sonderfläche School@Learntec zurück. „In den vergangenen beiden Jahren haben wir Workshops für Ministerien und Schulleiter durchgeführt“, erklärt Eichler. Die Anregung, das Thema wieder aufzunehmen, kommt von den Unternehmen selbst, „denn die interessieren sich dafür, was ihre Bewerber in der Schule gemacht haben“, so Eichler. Mit der Frage, was Schulen von Unternehmen lernen können, werde der Bogen rückwärts gespannt. Entsprechend organisiert die Messe Workshops und Vortragsflächen. Die klare Abgrenzung zum rein schulisch und frühkindlich orientierten Unterricht bleibt jedoch bestehen.
Der Kongress
Parallel zur Learntec findet – wie jedes Jahr – der Kongress statt. Bei mehr als 100 Vorträgen, Workshops, Diskussionsrunden und Keynotes auf Deutsch und Englisch haben die Besucher wieder die Qual der Wahl. Wie in den vorigen Jahren setzen Eichler und Henning auf die Leitthemen Didaktik, Management und Technologie. Beim Thema Didaktik stehen Serious Games und Simulationen ganz oben auf der Liste. „Ein Schwerpunkt wird der Einsatz von virtuellen Klassenzimmern sein“, ergänzt Eichler. Die Erweiterung von Serious Games in die Welt der Social Media sowie der Einsatz von Apps als Ergänzung zum Mobile Learning stehen ebenfalls auf der Agenda.
Der Technologieteil befasst sich zum Beispiel mit Lernanalyse, 3D-Teamwelten, Wearable Computing, der halbautomatischen Erstellung von Kompetenzprofilen, Referenzmodellen zur Bewertung von Lernleistungen sowie Autorentools für Cloud Learning. Passend dazu wird ein Open-Space-Workshop zur Einrichtung von MOOCs angeboten.
Last not least geht es beim Thema Management darum, wie man E-Learning als Business Case behandelt. „Das Thema hatten wir schon einmal vor zwei Jahren“, so Eichler, „aber es ist immer noch relevant.“ In dieser Sektion werden zahlreiche Best Practices vorgestellt – für die technischen Branchen stehen zum Beispiel Audi, Lufthansa und IBM Rede und Antwort. Für Dozenten, die sich vom klassischen Seminarleiter zum Online-Trainer entwickeln wollen, gibt es Tipps aus dem Hause McDonald's.
Vorgesetzte als Lern-Manager
Eichler liegt vor allem daran, Führungskräfte auf ihre Rolle vorzubereiten. „Früher reichte es, eine Weiterbildungsmaßnahme zu genehmigen.“ Heute bestehe die Aufgabe darin, den Bildungsbedarf festzulegen und nach der Maßnahme zu evaluieren, ob es das richtige Training war und wie der Transfer in die Praxis vollzogen werden kann. „Den meisten Führungskräften fehlt jedoch das Bewusstsein, dass sie überhaupt eine Rolle im Lernprozess innehaben.“ Auch auf Knackpunkte wird eingegangen: „Es ist ein sauberes E-Learning-Projektmanagement erforderlich“, fordert Eichler, „denn es sind so viele Fachbereiche daran beteiligt, dass Konflikte auftreten können.“ IT, Personalabteilung, E-Learning-Verantwortliche, Geschäftsführung, Betriebsräte und die Lerner selbst bilden ein sehr heterogenes Team.
Für die kleine Gruppe an Interessenten, die noch gar keine Erfahrungen mit E-Learning haben, hat Eichler auf der Learntec 2013 den Workshop „E-Learning für Einsteiger“ angeboten. Sie rechnete mit 40 Teilnehmern, am Ende kamen über 80. „Das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass Zielgruppen nachwachsen.“ Neben kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) haben auch Vertreter von Großunternehmen teilgenommen, „dabei könnte man annehmen, dass die das längst integriert hätten“. Der Workshop wird auch 2014 wieder im Kongress angeboten.
Wanderer zwischen den Lernwelten
Damit die Kongressteilnehmer nicht vergessen, über die Messe zu schlendern, hat das Komitee bereits in diesem Jahr eine Brücke geschlagen: Beim Kongressangebot können sich Unternehmen für maximal drei Schwerpunkte eintragen. So wissen die Teilnehmer im Voraus, an welchen Ständen sie sich im Anschluss an einen Vortrag praktische Beispiele anschauen können. Um Kongress und Messe durchlässiger zu machen, werden auch 2014 „Public Keynotes“ in der Messehalle abgehalten. Organisatorisch soll eine verlängerte Mittagspause dabei helfen, dass die Besucher ihren Tag etwas flexibler gestalten können.
Was die Einhaltung des Vortragsprogramms angeht, ist das Komitee dagegen rigoros: Die Redezeiten sind streng einzuhalten, und wenn jemand ausfällt oder sich verspätet, werden keine Vorträge getauscht oder vorgezogen. Stattdessen werden Lücken mit Diskussionen gefüllt. „Dadurch können wir garantieren, dass jeder Teilnehmer sein persönliches Programm durcharbeiten kann und immer im richtigen Vortrag sitzt“, verspricht Eichler.
Das umfangreiche Kongressangebot und die hochkarätigen Referenten haben aber ihren Preis. So diskutiert die Branche seit Jahren über die hohen Kosten: „Wenn wir unsere Standbesucher fragen, stellen wir fest, dass die meisten nicht zum Kongress gehen, weil er ihnen zu teuer ist“, sagt Jörg Geulen von TTS. Vor allem die große Diskrepanz zwischen den regulären Preisen (Tageskarte: 410 Euro, Dauerkarte: 665 Euro) und dem ermäßigten Eintritt für Vertreter von Hochschulen und öffentlichen Einrichtungen (Tageskarte: 160 Euro, Dauerkarte: 245 Euro) sticht hervor. „Wer als Fachbesucher aus einem Unternehmen zur Messe geht, kann bei seinen Vorgesetzten diese Kosten nicht plausibel begründen“, findet Geulen, „und wer nur einen Tag Zeit hat, wird sich auf die Messe konzentrieren.“
Learntec 2014
Zeit: 4. bis 6. Februar 2014
Ort: Messe Karlsruhe
Weitere Information unter:
Autorin
Kirsten Seegmüller, freie Journalistin, Leinfelden-Echterdingen
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