Ausgabe 1 - 2014
Generation Praktikum – Ein Begriff von gestern
Anfang Dezember fand in Berlin zum zweiten Mal der „Bundesweite Tag der Praktikanen“ statt. Sowohl praktikantenfreundliche Arbeitgeber als auch herausragende Praktikanten wurden geehrt. Ein Nachbericht.
Zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts entbrannte eine heftige Diskussion um die Qualität von Praktika. Nicht nur das: Sie galten als der Inbegriff für ausbeuterische Einstiegsbeschäftigungen. Hat sich die Situation für die Praktikanten bis heute verbessert? Und inwiefern? Welche Praktika braucht es für die Zukunft? Diese Fragen standen am 2. Dezember im Zentrum des „Bundesweiten Tags der Praktikanten“, den Absolventa Jobnet gemeinsam mit der Unternehmensberatung Clevis in Berlin veranstaltete. Gastgeberin war wie im vergangenen Jahr die Axel Springer AG, die für den gemütlichen Teil der Veranstaltung die gediegenen Räumlichkeiten des „Journalisten Clubs“ zur Verfügung stellte.
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Auszeichnung „Top-Praktikum“– Die Branchensieger

Generelle Zufriedenheit
Eine Antwort auf die erste Frage gab Christoph Jost, Geschäftsführer von Absolventa, in seiner Eröffnungsansprache: „Die Generation Praktikum ist ein Begriff von gestern – bei allen Auswüchsen, die es leider immer noch gibt.“ Anlass zu dieser Aussage bot die Studie „Praktikantenspiegel“, die Clevis zum mittlerweile fünften Mal durchführte. Befragt wurden bundesweit mehr als 7500 Praktikanten. Zentrale Ergebnisse, die Clevis-Geschäftsführer Dr. Ludwig Preller in Berlin vorstellte: 82 Prozent der „Neuen Generation Praktikum“ sind sehr zufrieden mit ihrem Arbeitgeber. Besonders zufrieden sind Praktikanten in der Pharma-Branche. Auf einer Skala von eins (nicht zufrieden) bis fünf (sehr zufrieden) erreichen Unternehmen aus diesem Bereich eine Bewertung von 4,35. Auf der Beliebtheitsskala folgen IT- und Telekommunikationsunternehmen (4,27) sowie Arbeitgeber aus dem Handelssegment (4,2). Ganz hinten liegen Medien- und Marketing-Arbeitgeber mit einer Bewertung von 3,76. Preller verriet auch, welche Kriterien die Praktikanten am meisten für ihre Bewertung heranziehen: „Unternehmenskultur, Teamklima und Aufgabenvielfalt sind die wichtigsten Faktoren für die Wahrnehmung der Arbeitgeberqualität.“ Was den Durchschnittspraktikanten heute charakterisiert? Er ist 24,3 Jahre alt, absolviert ein sechsmonatiges Praktikum, macht gerade den Bachelor und verdient 736 Euro pro Monat. Wobei der Verdienst natürlich stark nach Branchen und Studienrichtungen variiert. Aus den Ergebnissen der Studie erstellt Clevis traditionell eine Matrix, die Unternehmen anhand der Dimensionen „Arbeitgeberqualität“ und „Markenimage“ in vier Kategorien einteilt:
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Challenger mit negativen Ergebnissen in beiden Kategorien,
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Pretender mit gute Markenimage, aber schlechter Arbeitgeberqualität,
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Hidden Champions mit schlechtem Markenimage, aber guter Arbeitgeberqualität und
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Stars, die in beiden Dimensionen gute Werte erzielen.
Ein sehr schlechtes Ergebnis fuhr im vergangenen Jahr ausgerechnet Gastgeber Axel Springer AG ein. Dies habe das Unternehmen zum Anlass genommen, an sich zu arbeiten, berichtete Sirka Laudon, Leiterin Personalentwicklung des Verlagshauses. So habe man in den Konzernbereichen intensiv Werbung für den sinnvollen Einsatz von Praktikanten gemacht. Heute gibt es zudem ein eigenes Feedbacksystem für Praktikanten. Wenn Abteilungen dort wiederholt schlecht abschneiden, sollen sie in Zukunft das Recht verlieren, Praktikanten einstellen zu dürfen. In diesem Jahr reichte es zumindest schon einmal für eine leicht bessere Platzierung.

Die Praktikanten des Jahres 2013 (von links nachts): René Delpy, Lukas Kramer und Christoph Blettgen.
Mindestlohn für Praktikanten?
Die Stars unter den Arbeitgebern für Praktikanten waren andere. An acht Branchensieger vergab Clevis die Auszeichnung Top-Praktikum 2013 (siehe Kasten). Darüber hinaus zeichneten Absolventa-Jobnet und die Zeitschrift Personalwirtschaft drei Praktikanten, die sich während des Praktikums durch besonders gute Leistungen und soziale Kompetenzen hervorgetan haben, als „Praktikant des Jahres“ aus. Gewonnen haben:
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René Delpy, der als Student der Wirtschaftsgeographie den Fachwechsel wagte und sein Praktikum in der Personalabteilung der Forschungszentrum Jülich GmbH bei Köln absolvierte. Dort unterstützte er die Kollegen bei der Weiterentwicklung der Personalmarketingstrategie.
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Lukas Kramer, der gerade einen Master mit dem Schwerpunkt Corporate Finance macht und bei der Axel Springer AG in der Abteilung Elektronische Medien tätig war. Er unterstützte die Abteilung unter anderem bei organischen und anorganischen Wachstumsprojekten.
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Christoph Blettgen, dessen Studium ebenfalls den Schwerpunkt Finance hat und der bei Microsoft Deutschland in der Finanzabteilung verschiedene Unternehmensbereiche beriet und dort jeweils großen Eindruck hinterließ.
In der Jury saßen Professor Dr. Ingo Weller vom Lehrstuhl für Personalwirtschaft der LMU München und Vertreter des Magazins Personalwirtschaft sowie des Absolventa Jobnet.
In einer Podiumsdiskussion tauschten sich zudem Elke Neuhard, Projektleiterin bei der Initiative „FairCompany“, Praktikant des Jahres Christoph Blettgen und Stefan Kramer von der Personalberatung EdWork unter anderem über die Frage aus, ob es einen Mindestlohn für Praktikanten geben müsse. Hintergrund: Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wird er nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Christoph Blettgen zeigte sich skeptisch: „Gerade kleinere Unternehmen würden dann vielleicht kein Praktikum mehr anbieten.“ FairCompany-Vertreterin Neuhard argumentierte: „Ein Mindestlohn würde einem Arbeitslohn gleichkommen. Ich hätte die Sorge, dass Unternehmen dann auch echte Arbeit verlangen und das Praktikum seinen qualifikatorischen Charakter verlieren würde.“
Unternehmen, die das Siegel erhalten wollen, müssen immerhin mindestens 300 Euro bezahlen. Stefan Kramer sagte: „Wir haben schon genügend Branchen mit geringem Lohn für normale Angestellte. Gerade dort würde die Zahl der Praktikumsplätze zurückgehen.“ Auch durch Kommentare aus dem Plenum wurde deutlich: Es braucht sowohl Praktika, in denen die Praktikanten gefordert werden und sich für eine Weiterbeschäftigung empfehlen können als auch solche, in denen junge Menschen einfach nur in einen Beruf hineinschnuppern können. Letztere dürften wohl zurecht in der Regel unentgeltlich gestaltet sein.
Autor
Alexander Kolberg
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