Ausgabe 1 - 2016
Skandale, die auch HR etwas angehen
Thomas Sattelberger läuft seit der im September bei VW aufgedeckten Abgasmanipulation zu verbaler Höchstform auf. Der VW-Skandal liefert dem Ex-Personalvorstand eine Steilvorlage, um unheilvolle Seilschaften und Managerversagen zu geißeln. Nachdem er sich bereits in Tageszeitungen und Wirtschaftsmagazinen dazu geäußert hatte, befeuerte er im November via Twitter-Meldungen vor allem die HR-Szene. Ins Blickfeld seiner Kritik geraten Ex-VW-Personalvorstand Horst Neumann, VW-Betriebsratschef Osterloh und BPM-Präsidentin Elke Eller, Ehefrau von Neumann und Ex-Personalvorstand von VW Nutzfahrzeuge. Unter Sattelberger-Beschuss geraten aber auch die HR-Fachzeitschriften. Wie kann es sein, dass noch keine HR-Fachzeitschrift zum VW-Fall recherchiert hat?
Wir haben im Herbst den VW-Fall in der Redaktion diskutiert und zum Anlass genommen, um im Rahmen der hier präsentierten Titelgeschichte nochmals grundsätzlich das Zusammenspiel von Unternehmenskultur und Compliance sowie die Rolle von HR zu beleuchten. Der VW-Fall war und ist dabei ein dankbarer Aufhänger, da in der Wolfsburger Konzernzentrale offenbar hinter einer Fassade von Erfolg und Größenwahn eine Angstkultur vorherrschte, die ethisch korrektes Verhalten korrumpiert hat. Doch VW ist kein Einzelfall, wie andere prominente Fälle, sei es Siemens oder die Deutsche Bank, zeigen. Warum versagen Compliance-Strukturen und Führungsleitlinien im Alltag?
Wir haben mit unterschiedlichen HR-Protagonisten wie Sattelberger, Eller, Heuer, mit IG Metall-Vertretern und Psychologen gesprochen. Auffällig: Erklärungsansätze liefern vor allem die Psychologen. Die Personaler bewegen sich auf einer Appell-Ebene, Compliance und HR müssten näher zusammenrücken. Empörung über aktuelle Fälle, Selbstkritik? Kaum hörbar.
Insofern kann man Sattelberger verstehen, wenn er wachrütteln will. Doch seine Kritik ist in Teilen auch verdächtig. Neumann, ehemaliger IG-Metall-Funktionär, galt als blass und wenig innovativ. Und er konnte dem angsteinflößenden Macht-Duo Piëch/Winterkorn sicherlich wenig entgegensetzen. Aber er trägt, nach allem was man weiß, keine persönliche Verantwortung im VW-Skandal (sein Vorgänger Peter Hartz galt dagegen als innovativ, musste aber 2005 wegen eines von ihm zu verantwortenden Rotlichtskandals den Hut nehmen). Sattelbergers Kritik richtet sich daher vor allem gegen die IG-Metall, deren doppelte Macht über Vorstands- und Betriebsratsposten aus seiner Sicht unheilvolle Seilschaften fördert. Und seine Kritik an Elke Eller gilt indirekt dem ihm verhassten Verband BPM.
Elke Eller schweigt zur Causa VW. Aber sie hat uns gegenüber verlautbaren lassen, dass auf dem BPM-Kongress das Thema Compliance ganz oben auf der Agenda stehen wird. Wenn sie mutig ist, wird sie sich dort einer Podiumsdiskussion mit Thomas Sattelberger stellen. Die Sache ist es wert. Bei Kulturversagen muss sich HR offensiv und streitbar einmischen.
Erwin Stickling
Chefredakteur
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