Ausgabe 1 - 2016
Neue Führungskräfte-Skills in Zeiten der Internationalisierung

Schneller, höher, weiter – in der Wirtschaftswelt des 21. Jahrhunderts wimmelt es nur so vor technologischem Fortschritt. Viele mittelständische Unternehmen und große Konzerne stehen vor Umstrukturierungen. Internationalisierungsstrategien stehen auf dem Plan vieler HR-Abteilungen. Wie die deutschen Unternehmen der Internationalisierung auf HR-Ebene entgegentreten, zeigt eine neue Studie.
Die Internationalisierung führt in eine Welt vernetzter Systeme und bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Vor dem Hintergrund einer immer vielfältiger werdenden Welt kommt es darauf an, neue Wachstumsmärkte zu erschließen und sich in den nächsten Dekaden mit verstärktem Wissenstransfer innerhalb der dezentral vernetzten Systeme zu bewegen.
Dies gilt in Deutschland auch für die Personalabteilungen der mittelständischen Unternehmen sowie für die großen Konzerne. Die fortschreitende Internationalisierung stellt HR auf die Probe – die deutschen Unternehmen müssen sich global aufstellen und weltweit liefern, um von den wachstumsstarken Märkten zu profitieren, die nun mal nicht immer vor der Haustür zu finden sind. Die Studie „Going Global“ der Personalberatung Boyden und der EBS Business School zeigt, dass die Unternehmen den internationalen Anforderungen und der globalen Vielfalt nur bedingt etwas entgegensetzen können.
Durch den enormen Wettbewerb auf globaler Ebene ist eine den neuen Anforderungen entsprechende HR-Strategie Grundvoraussetzung für eine erfolgsversprechende Zukunft. Die Überwindung der Internationalisierungshemmnisse muss umgehend in Angriff genommen werden, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Ein Strategiewechsel ist notwendig, hier besteht dringend Handlungsbedarf, um langfristig nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Wettstreit um die gleichen Manager
Das Konkurrenzdenken innerhalb der einzelnen Industrien, aber auch zwischen Konzernen und Mittelständlern, ist so hoch wie nie, die Suche nach passenden Führungskräften gestaltet sich oftmals entsprechend schwierig. 68 Prozent der Unternehmen sind der Meinung, dass Mittelständler und Großkonzerne immer häufiger im Wettstreit um die gleichen Manager liegen. So ist es auch wenig verwunderlich, dass die Mehrheit der Befragten ihre Talent-Management-Prozesse intensivieren wollen.
Dabei ist die Mischung aus erfahrenen Professionals und jungen Talenten für die Hälfte der Studienteilnehmer besonders wichtig, insbesondere wenn es um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens geht. Diese (zukünftigen) Führungskräfte haben idealerweise eine internationale Ausbildung und bringen vor allem durch reichlich Berufserfahrung innerhalb einer fremden Kultur wertvolle interkulturelle Kompetenz und Know-how mit ein. Denn die Kenntnis ausländischer Kulturen und Marktgegebenheiten bietet wiederum Chancen im globalen Wettbewerb.
Neue Manageranforderungen auf globaler Ebene
Die Befragung brachte zudem einige interessante und aufschlussreiche Ergebnisse hinsichtlich der neuen Managereigenschaften. Für drei Viertel der deutschen Unternehmen haben sich die Anforderungen an Manager hinsichtlich der Internationalisierung geändert. Neben der fachlichen Kompetenz werden verstärkt interkulturelle Kompetenzen und Soft Skills von Managern erwartet.
Topführungskräfte sind immer stärker gefordert, auch virtuelle Teams innerhalb einer fremden Kultur zu führen, die in Folge von globalen Unternehmensstrategien sowohl bei Konzernen als auch im Mittelstand vermehrt auftreten. Das Steuern dieser Teams gestaltet sich laut Studie besonders schwierig. Geeignetes Führungspersonal für diese Art der zwischenmenschlichen Interaktion und zugleich technologische Kooperationstechnik zu finden, bereitet den deutschen Unternehmen große Sorgen. Voraussetzungen für das Führen virtueller Teams sind exzellente Kommunikations-Skills, eine einschlägige fremdsprachige Kompetenz und die Fähigkeit, einzelne Prozesse aus der Hand zu geben, zu delegieren. Auch Offenheit und Flexibilität wird vermehrt gefordert.
Laut EBS decken sich die Ergebnisse mit den Erfahrungen aus dem Lehrbetrieb: Internationale Teamfähigkeit, Aufgeschlossenheit und Vielseitigkeit werden vermehrt gefordert. Das Anforderungsprofil an Manager in Spitzenpositionen hat sich im Zuge der Internationalisierung massiv geändert und entwickelt sich immer schneller.
In Asien wird fleißig gesucht
Auch die geografische Lage spielt bei der Gewinnung von Topführungskräften eine bedeutende Rolle. Mehr als drei Viertel der Studienteilnehmer setzen auf ein Gesamtpaket aus urbanem Umfeld, Infrastruktur und Freizeitangeboten. Gesucht werden die Manager außerdem verstärkt in Asien, wo 39 Prozent ihr Glück versuchen. Europa und Nordamerika folgen auf den Plätzen.
Die Attraktivität und Wachstumsdynamik der dortigen Märkte werden als Hauptgründe für die Suche nach Spitzenkräften im Ausland genannt. Neue Impulse aus fremden Kulturen sowie zahlreiche neue Geschäftskontakte und steigende internationale Integration von Führungskräften garantieren Innovationsanstöße. Diese außenwirtschaftlichen Beziehungen können zu einer Produktivitätssteigerung führen und der vorhandene Wissenstransfer kann sich positiv auf den Wettbewerb auswirken.
Interkulturelle Führungskräfte auf globaler Ebene
In Zukunft werden also vor allem Führungspersönlichkeiten benötigt, die interkulturell agieren und neue Gegebenheiten schnell adaptieren. Diese Führungskräfte mit professioneller Qualifikation und sozialer Sensibilität auf globaler Ebene zu finden und sie für eine erfolgreiche Internationalisierung zu entwickeln, wird die zentrale Aufgabe von HR sein.
Interim Management kann in dieser Hinsicht eine willkommene Alternative zur Entsendung von Mitarbeitern aus dem Stammhaus sein. Externe Führungskräfte können auf ihr Wissen um die Marktbedingungen sowie kulturbedingte Unterschiede vertrauen. Zudem verfügen sie über die erforderlichen Sprachkenntnisse, mit denen das Kontaktnetzwerk leichter zu bedienen ist.
Ein Blick in die Zukunft verrät außerdem: Jedes zweite Unternehmen sieht aufgrund der Internationalisierung langfristig steigende Umsätze. Kurzfristig sehen die deutschen Unternehmen neben der Internationalisierung besonders den Fachkräftemangel, die Anknüpfung an die Industrie und die Anforderungen an Diversity als weitere Herausforderungen. Letzteres wird einen immer höheren Stellenwert einnehmen, denn mehr Vielfalt wird als gut für das Employer Branding betrachtet. Diversity wird außerdem von vielen deutschen Unternehmen als Potenzial begriffen, Innovation und Kreativität zu steigern.
Wer also international erfolgreich agieren will, muss sich den aktuellen globalen Herausforderungen und ihren Wechselwirkungen stellen. Insgesamt reicht es nicht mehr aus, nur mit Spitzentechnologie zu punkten – die Stärkung des HR-Managements ist ein ebenso wichtiger Bestandteil des internationalen Entwicklungsprozesses. Globale HR-Aktivitäten mit schlanken Prozessen scheinen erfolgsversprechend, um innerhalb der weltweiten Wertschöpfungskette zu bestehen.
Starkes HR-Management als Garant für Erfolg
Um diese Wachstumspotenziale der Internationalisierung in vollem Umfang nutzen zu können, muss HR auf die globalen Anforderungen bestmöglich zugeschnitten werden. Der Bedarf an geeigneten Führungskräften für den Sprung ins Ausland wird steigen. Personalberatungen können mit ihren Methoden und Instrumentarien die Unternehmen dabei unterstützen, die passende Personalstrategie mit der Unternehmensstrategie zu verzahnen.
Nur eine konsequente Anpassung an die zukünftigen Gegebenheiten auf dem globalen Markt bietet Aussicht auf Erfolg. Die Internationalisierung muss strategisch angegangen, nachhaltiges Wachstum durch Qualität und Innovation begriffen werden. Im Bemühen um die neuen Märkte müssen kulturelle Unterschiede mit Flexibilität und Effektivität überbrückt werden, um international konkurrenzfähig zu sein und zu bleiben.
Autoren
Jörg Kasten, Managing Partner und Chairman Boyden World Corporation, Boyden global executive search, Bad Homburg,
joerg.kasten@boyden.de
Marjo-Riitta Diehl, Professorin für Organizational Behavior und Human Resources, EBS Business School, Oestrich-Winkel,
marjo-riitta.diehl@ebs.edu
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