Ausgabe 1 - 2016
Vielfalt zahlt sich aus

Nach und nach verändert die Diversity-Bewegung das Business. Die Tech-Branche gehört zu den Vorreitern, wenn es um das Thema geht. In vielen Tech-Unternehmen sind stark diversifizierte Teams mit unterschiedlichen Hintergründen nicht mehr wegzudenken.
Viele Tech-Unternehmen bemühen sich aktiv, die Vorteile heterogener Teams zu nutzen. Es wurde erkannt, dass es gerade in Projektteams von Vorteil ist, nicht nur einen einzigen Standpunkt einzunehmen. So können Teams, die sich aus Menschen mit unterschiedlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und Lebenswegen zusammensetzen, innovativere und kreativere Ergebnisse erzielen als die homogenen Teams. Zudem führen diverse Teams häufig zu einer besseren Arbeitsatmosphäre. Schließlich liegt es nahe, dass eine heterogene und internationale Mitarbeiterschaft für ein Unternehmen von Vorteil ist, um neue Märkte zu erschließen.
In manch anderen Unternehmen ist Diversity schlicht eine Zwangsläufigkeit, weil der deutsche Arbeitsmarkt nicht genügend Mitarbeiter mit den erforderlichen Skills zur Verfügung stellt. Daher werden für Vakanzen, wie beispielsweise in der Softwareentwicklung, Mitarbeiter aus dem Ausland rekrutiert. Diversity ergibt sich dann in der Folge von selbst. Stellenweise kann es völlig normal sein, dass in einem Bereich von 100 Mitarbeitern mitunter 20 verschiedene Nationalitäten beschäftigt sind und die einzige gemeinsame Sprache Englisch ist.
Neue Richtungen eingehen
Gerade die Technologiebranche nähert sich aus den genannten Gründen bei Attributen wie Geschlecht und Nationalität einem „equal opportunity“-Status in der Mitarbeiterschaft an. Aber ist damit Diversity komplett umgesetzt? Nein, denn hinsichtlich Ausbildung und Karriereweg sind Management- und Spezialistenteams häufig noch sehr homogen. Die Mitarbeiter sehr ähnliche Ausbildungen durchlaufen, in den gleichen Unternehmen gearbeitet und in den gleichen Business Schools ihren MBA absolviert, kommen also aus den gleichen „Kaderschmieden“. Manager neigen immer noch zu einem „Ähnlich wie ich“-Bias. Sie stellen Mitarbeiter ein, die einen ähnlichen Karriereweg genommen haben wie sie selbst und aus Unternehmen kommen, die hinsichtlich Marktpositionierung und Kultur als ähnlich eingeschätzt werden. Diese Haltung ist zwar nachvollziehbar, schränkt aber die Vielfalt im Team ein.
Quereinsteiger, die beispielsweise einen anderen Ausbildungsweg genommen haben oder aus ‚fremden Branchen‘ kommen, mögen fachliche Lücken aufweisen und in der Teamarbeit durch eine andere Herangehensweise etwas sperrig sein. Aber gerade ihr abweichender und frischer Blick auf Herausforderungen sowie ihr ergänzender Erfahrungsschatz können Teams entscheidend voranbringen. Für das Recruiting ist es daher wichtig, auch mit Kandidaten in Kontakt zu kommen, die einen abweichenden Karriereweg genommen haben und Personalauswahlmethoden einzusetzen, die ein möglichst umfassendes und objektives Bild der neuen Mitarbeiter ergeben, um den möglichen Einfluss des „Ähnlich wie ich“-Bias auszuschalten. Eine Fokussierung ausschließlich auf Kandidaten, mit geradlinigem Werdegang aus Wettbewerbsunternehmen reduziert die Vielfalt in der Mitarbeiterschaft und nimmt dem Unternehmen die positiven Effekte diverser Teams. Aufgabe in Personalmarketing und Recruiting sollte es also sein, Mitarbeiter mit diversen Skills und Lebenswegen zu gewinnen und schon im Recruiting zu prüfen, was es an fachlichem oder kulturellem Input braucht, um die Mitarbeiter möglichst gut im Unternehmen ankommen zu lassen. Wie lässt sich ein Diversity Ansatz im Unternehmen umsetzen? Es gibt einige Maßnahmen entlang des Recruitingprozesses, die sinnvoll sind und die beachtet werden sollten.
Diversity-Strategie gehört auf die Managementagenda
Diversity ergibt sich nicht einfach durch guten Willen, sondern ist das Ergebnis der gelungenen Umsetzung einer Diversity-Strategie. Diversity sieht eine längerfristige Veränderung der Organisationskultur vor und ist dabei als ein ganzheitliches Konzept des Umgangs mit personeller und kultureller Vielfalt zu sehen.
Um Diversity nachhaltig in der Organisation zu etablieren, müssen die Ziele der Diversity-Strategie aus der Unternehmensstrategie – beispielsweise durch die Gewinnung neuer Märkte oder die Positionierung von Produkten für bestimmte Zielgruppen – abgeleitet werden. Der Diversity-Ansatz sollte top-down ins Unternehmen gebracht werden. Die oberen Führungsebenen haben eine Beispielfunktion. Damit Diversity aber nicht als unsinniger Zwang erlebt wird, sollten den einzelnen Bereichen möglichst viele Freiheitsgrade in der Umsetzung gegeben werden.
Kritische Überprüfung der Anforderungsanalyse
Welche formalen Qualifikationen werden wirklich für die zu besetzende Stelle benötigt? Die Beschreibung in den Ausschreibungen darf natürlich keine Person einer bestimmten Gruppe (Kulturkreis, Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung oder ähnliches) ausschließen. Auch Qualitäten, die nicht aus Zeugnissen ersichtlich sind, sollten Ihre Wertschätzung erfahren. Beispielsweise sind Abschlüsse von Land zu Land unterschiedlich und können somit nur begrenzt miteinander verglichen werden. Lebenserfahrung, Kenntnisse aus mehreren Kulturkreisen, Sprachkompetenz oder Berufserfahrungen ohne formalen Abschluss können für Unternehmen nützlich sein.
Die Gewinnung von Kandidaten mit unterschiedlichem Background aus unterschiedlichen Regionen kann durch aktives Recruiting erfolgen. Hierbei kann ein international ausgerichteter Ansatz erfolgreich sein. Aktuell sind eher technologisch orientierte Branchen in der Vorreiterrolle, wenn es um das Thema internationales Recruiting geht. Die Beschäftigung von Fachkräften aus dem Ausland erhöht die internationale und interkulturelle Kompetenz eines Unternehmens. Wenn Unternehmen sich für die Personalsuche im Ausland entscheiden, gilt es, eines oder mehrere Länder auszuwählen, auf die die internationale Personalsuche zielen soll. Hierzu sollten sich Unternehmen im Vorfeld mit verschiedenen Fragestellungen auseinandersetzen. Welche Erwartungen haben Fach- und Führungskräfte aus diesem Land an den Recruitingprozess und das Job Offering? Hierbei kann eine international ausgerichtete Executive Search Beratung ein geeigneter Partner sein.
Um im Bewerbungsprozess einen objektiven Eindruck von diversen Kandidaten zu gewinnen, gilt es, unstrukturierte Interviews zu vermeiden. Kompetenzorientierte Interviews mit geplanten Fragen geben allen Kandidaten die gleichen Chancen und haben darüber hinaus eine gute Aussagekraft für den späteren Erfolg im Job.
Kompetenzorientierter Ansatz
Gerade bei erfahrenen Fach- und Führungskräften findet außerdem ein strukturiertes Interview höhere Akzeptanz. Die Verwendung strukturierter Einstellungsinterviews ist ein geeignetes Instrument, um die speziellen Vorteile des persönlichen Gesprächs zu nutzen und gleichzeitig eine methodisch zuverlässige Beurteilung zu erhalten. So können mittels einer objektiven Herangehensweise die geforderten Kompetenzen und deren Ausprägungen, folglich das Soll-Profil mit dem Ist-Profil des Bewerbers, abgeglichen und eine Aussage über deren Eignung für die Position getroffen werden.
Häufig gibt es in Deutschland bei der Besetzung von Managementpositionen einen „Exotenkandidaten“ auf der Shortlist, der sich in den relevanten Kriterien, dem Werdegang, eventuell auch in der Nationalität und/oder anderen Aspekten von den anderen Kandidaten unterscheidet. Die Entscheidung fällt dann aber häufig doch eher konservativ aus. An dieser Stelle ist Mut gefragt. Diese Investition lohnt sich. Teams aus Mitarbeitern, die unterschiedliche Eigenschaften, Fähigkeiten und Erfahrungsschätze haben, aber Leidenschaft für die gleichen Themen und Ziele mitbringen, machen erfolgreich und schaffen ein attraktives Arbeitsklima.
Autorin
Dr. Monika Becker, Business Unit Director Software, Hager Unternehmensberatung,
monika.becker@hager-partner.de.
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