Ausgabe 1 - 2016
Gleiches Geld für alle

Wie ist der Stand der Dinge beim Thema Equal Pay? Wir zeigen, was im Ausland bereits umgesetzt ist, und was auf die Wirtschaft in Deutschland zukommt.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) hat einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der Bewegung in die Vergütungslandschaft bringen wird. Unternehmen ab 500 Mitarbeiter werden im Rahmen eines vorgegebenen Verfahrens nachweisen müssen, wie sie „Equal Pay for Equal Work“ strukturell umsetzen. International gibt es diese gesetzlichen Rahmenbedingungen schon länger. Besonders im angelsächsischen Raum ist die Überprüfung von Gehaltssystemen auf Diskriminierungsfreiheit gängige Praxis.
Sowohl in den USA als auch in vielen europäischen Ländern wurden in den vergangenen Jahren die gesetzlichen Vorgaben verschärft. Um nur einige Beispiele zu nennen: In Kalifornien werden die Anforderungen an gleichberechtigte Bezahlung ab Anfang 2016 deutlich erhöht. In Schwedenverpflichtet das Antidiskriminierungsgesetz von 2009 die Arbeitgeber, alle drei Jahre eine Gehaltsüberprüfung vorzunehmen, in Österreich müssen Unternehmen seit 2011 alle zwei Jahre Berichte zur Gleichheit des Arbeitsentgelts veröffentlichen. In Frankreich sind Unternehmen seit 2006 verpflichtet, über die Gehälter und Pläne zur Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles Bericht zu erstatten. In Großbritannien wirkt sich die Gesetzgebung insbesondere durch den „Equality Act 2010“ stark auf die Vergütungs- und Stellenbewertungssystematik aus. Vor Gericht werden praktisch nur noch analytische Stellenbewertungssyteme für die Begründung von Gehaltsunterschieden anerkannt.
Auch in Deutschland soll nun ein weiteres Gesetz zur Entgeltgleichheit auf den Weg gebracht werden. Der Gesetzentwurf soll drei Säulen beinhalten:
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Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer,
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Beseitigung nachweislicher Entgeltdiskriminierung durch anerkannte Verfahren,
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Stellungnahme zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit im Lagebericht für Unternehmen ab 500 Beschäftigte.
Zudem plant das BMFSJ zusammen mit den Tarifpartnern eine Initiative, um Muster von struktureller Entgeltungleichheit in Tarifverträgen zu identifizieren und zu überwinden.
Der Weg zu Equal Pay
„Equal Pay“ wird definiert als gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Daher ist von zentraler Bedeutung, wie festgestellt werden kann, ob die Arbeit in verschiedenen Positionen gleichwertig ist. Hierfür eignet sich vor allem eine analytische Stellenbewertung, eine Verfahrensweise, bei der nicht die Positionsinhaber, bisherigen Titel oder Berichtswege bewertet, sondern die konkreten Anforderungen an die Stelle analysiert und mit Hilfe definierter Einflussfaktoren vergleichbar gemacht werden. Bei einer Stellenbewertung werden beispielsweise Anforderungen wie Fachwissen, Problemlösung und Kommunikation in ihren erforderlichen Ausprägungen bewertet und dann jeder Stelle ein Grade zugewiesen. Im deutschen Tarifwesen spricht man auch von der Eingruppierung in Entgelt- oder Gehaltsgruppen.
Bei der Auswahl eines analytischen Stellenbewertungssystems, insbesondere für den übertariflichen Bereich oder in nicht tarifgebundenen Unternehmen, gilt es einige Punkte zu beachten:
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Durch die Auswahl und Gewichtung der Faktoren darf kein Geschlecht bevorzugt werden.
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Die Faktoren sollten voneinander unabhängig sein, um Doppelgewichtungen zu vermeiden.
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Das System sollte in der Lage sein, alle Stellen einer Organisation bewerten zu können.
Gleichwertige Arbeit – gleiche Bezahlung?
Innerhalb des gleichen Grades werden die Stellen als gleichwertig angesehen und Männer und Frauen müssten gleich bezahlt werden. In der Praxis finden sich allerdings auch innerhalb eines Grades erhebliche Gehaltsunterschiede. Diese lassen sich beispielsweise durch die Länge der Berufserfahrung, die Marktgehälter der jeweiligen Fachbereiche, unterschiedliche Betriebszugehörigkeiten sowie individuelle Faktoren erklären.
Wichtig für Unternehmen wird zukünftig die Frage, mit welchen Kriterien ein unterschiedliches Gehaltsniveau zwischen Männern und Frauen auch bei gleichwertiger Arbeit begründet werden darf und welche Kriterien als unmittelbar diskriminierend angesehen werden. Als unmittelbare Diskriminierung könnte beispielsweise gelten, wenn Männer mit langer, ununterbrochener Erwerbstätigkeit bei gleichwertiger Arbeit besser bezahlt werden, obwohl die zusätzliche Erfahrung keine Relevanz für die Aufgabe hat. In Kalifornien dürfen beispielsweise Seniorität, Leistung sowie Qualität oder Quantität der Produktion zur Gehaltsdifferenzierung herangezogen werden. Wenn gezeigt werden kann, dass die Faktoren Ausbildung oder Erfahrung eine betriebliche Notwendigkeit darstellen und somit nicht diskriminierend wirken, können diese zusätzlich genutzt werden.
Die Erfahrung zeigt, dass sich vorhandene Gehaltslücken am einfachsten in einer Matrix visualisieren lassen, da so alle Einflussfaktoren systematisch aufgezeigt werden. Aggregierte Darstellungen wie die unbereinigte Gehaltslücke geben zwar eine erste Orientierung, eröffnen aber nicht die notwendigen Einsichten, um im nächsten Schritt geeignete Maßnahmen abzuleiten. Vor allem bei Tarifstellen bietet sich zusätzlich die Analyse pro Gehaltsbestandteil (Grundgehalt, Sonderzahlungen, Zulagen, etc.) an, um Unterschiede gezielt zu identifizieren.
Ein weiterer, wichtiger Schritt zur gleichberechtigten Bezahlung ist die inhaltliche Überprüfung von Prozessen und Instrumenten zu Gehaltsfindung, Leistungsbewertung und Beförderung in Bezug auf Diskriminierungspotenziale. Dabei müssen auch unmittelbar diskriminierende Faktoren beachtet werden. Diese liegen beispielsweise vor, wenn hauptsächlich Frauen in Teilzeitpositionen arbeiten und Mitarbeiter/innen in Teilzeitpositionen im Gehalt benachteiligt werden. Mit Benachteiligung ist nicht eine prozentuale Anpassung des Gehaltes in Bezug auf die Arbeitszeit gemeint, sondern beispielsweise ein Ausschluss von einem variablen Vergütungssystem oder eine systematische Benachteiligung bei Aufstiegschancen. Die Plattform www.eg-check.de unterstützt die Prüfung durch Checklisten, wobei der Schwerpunkt auf dem Tarifbereich liegt. Im Zweifel empfiehlt es sich, die angewendeten Instrumente und Prozesse von Experten und gegebenenfalls fachanwaltlich prüfen zu lassen.
Schließen von Gehaltslücken
Die Analyse der Gehaltsstruktur gibt erste Hinweise darauf, wie eine potenziell vorliegende Lücke geschlossen werden kann. Liegt die Lücke in allen Jobfamilien vor, oder nur in bestimmten? Sind eher Positionen auf höheren oder niedrigeren Ebenen betroffen? Werden Mitarbeiterinnen schon auf einem niedrigeren Gehaltslevel eingestellt oder wächst die Gehaltslücke mit der Betriebszugehörigkeit? Je nach Ergebnis ist es hilfreich, die Praktiken zu Gehaltsfindung, Gehaltsanpassung, Leistungsbewertung, Zuschlägen und Nebenleistungen zu überprüfen. Zum Schließen der Gehaltslücke gehört ein aktives Gehaltsmanagement, beispielsweise die schnellere Gehaltsentwicklung bei Unterschreiten eines Gehaltsbandes oder das Einfrieren deutlich überhöhter Gehälter.
Abbildung
Gehaltslücke pro Jobfamilie und Grade

Im Bereich Operations ist die Gehaltslücke besonders eklatant.
Was kommt auf die Unternehmen zu?
Details zur neuen Gesetzgebung wurden noch nicht veröffentlicht. Dennoch empfiehlt es sich für Unternehmen, bereits jetzt aktiv zu werden, um mögliche Missstände zu identifizieren und auszugleichen, bevor eine Veröffentlichungs- und Auskunftspflicht greift. Ein Klima zu schaffen, in dem Gleichberechtigung mehr ist als ein Lippenbekenntnis, ist keine leichte Aufgabe. HR sollte hier jedoch als treibende Kraft agieren und als Business Partner die Verantwortung für eine effiziente und faire Vergütungspraxis übernehmen.
Autoren
Silke Aumann, Leiterin HR Analytics, QPM GmbH, Düsseldorf,
silke.aumann@qpm.de
Ralf Kuklik, Leiter R&D, QPM GmbH, Düsseldorf,
ralf.kuklik@qpm.de
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