Ausgabe 1, Special Outsourcing - 2013
Barrieren und Potenziale
Wie weit sind die Unternehmen, sich per Outsourcing Unterstützung für ihre Personalarbeit einzuholen? Und spielt die Durchdringung von Softwaresystemen bei HR-Prozessen eine Rolle für die Outsourcing-Entscheidung? Eine Studie hat sich diesen Zusammenhang angeschaut.
Der Personalbereich sieht sich im Spannungsfeld zwischen Kostenoptimierung und Steigerung der Servicequalität. Im Vordergrund steht der Wandel von einer rein administrativ und verwaltend ausgelegten Funktion hin zu einem Dienstleister für das Management des Unternehmens. Um dem Wandel des Anforderungsprofils gerecht zu werden, bedarf es umfassender organisatorischer und technischer Maßnahmen.
Vermehrt wurden in den vergangenen Jahren daher Umorganisationen oder technische Weiterentwicklungen im Rahmen von Effizienzsteigerungsproj ekten durchgeführt, wie zum Beispiel:
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Prozessoptimierung
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Implementierung von Portallösungen
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Einführung von Shared Services für bestimmte Teile der Personalfunktion
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Outsourcing von Teilfunktionen des Personalbereichs (zum Beispiel der Personalabrechnung)
Von besonderem Interesse ist hierbei das Outsourcing (Business Process Outsourcing, BPO), wobei im Human Resources Management diesbezügliche Entscheidungen in wesentlichen Teilen durch IT-Outsourcing tangiert und mitgesteuert werden.
Einfluss der IT untersucht
Die meisten Studien untersuchten bislang strategische und finanzielle Aspekte als potenzielle Beweggründe des HR Outsourcings oder den Prozess des Outsourcings selbst. Doch es gibt bisher kaum Arbeiten, die untersuchen, wie Entscheidungen für (oder gegen) Outsourcing im Unternehmen getroffen werden und welchen Einfluss das Ausmaß IT-basierter HR-Aktivitäten auf die Outsourcing-Entscheidung besitzt.
Dabei spielt die Unterstützung des HR-Managements durch Informationstechnologien und -systeme eine stetig größer werdende Rolle. Der Zielsetzung der durchgeführten Studie folgend, werden die Aspekte des IT Outsourcing mit denen des HR Outsourcing-Prozesses verbunden. Es wird aufgezeigt, inwieweit HR Outsourcing durch Elemente des IT Outsourcing beeinflusst wird. Dabei stehen vier Kernfragen der Studie im Mittelpunkt:
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Gibt es Erfahrungen mit Outsourcing im Betrachtungsbereich?
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Wie ist die grundsätzliche Affinität zum Outsourcing?
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Welches sind die wesentlichen Treiber für ein Outsourcing überhaupt?
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Welches sind die wesentlichen Faktoren für ein erfolgreiches Outsourcing?
Die Unterstützung oder teilweise sogar Übernahme von HR-Aktivitäten durch Informationstechnologien kann hierbei auf unterschiedlichen Ebenen verlaufen (Abbildung 1).
Abbildung 1
Unterstützungsebenen der IT bei HR Abteilungen

Bei vielen Prozessen der Personalarbeit können Softwaresysteme unterstützen. Auf oberster Ebene kommt zur Betreuung der Systeme die Gesamtverantwortung des Dienstleisters für die Aufgabe hinzu.
So können Outsourcing-Leistungen lediglich die IT-Infrastruktur betreffen, dies beinhaltet etwa Rechenzentren, Endbenutzersysteme, lokale Netze sowie zentrale Systeme. Des Weiteren ist Outsourcing auch auf Applikationsebene möglich, wobei Bereiche wie Anwendungsentwicklung, -betrieb und -wartung abgedeckt werden. IT Outsourcing-Entscheidungen können schließlich auch Auslagerungen eines kompletten Arbeitsprozesses beinhalten oder sogar dessen Transformation und kontinuierliche Verbesserung. HR-Outsourcing ist folglich auch immer mit Elementen des IT Outsourcing verbunden. Um das Ausmaß von IT Outsourcing-Aktivitäten im Rahmen der empirischen Untersuchung verlässlich erfassen und auswerten zu können, wurde auf ein quantitatives Erhebungsdesign zurückgegriffen. Der in fünf Themengebiete unterteilte Fragebogen mit 180 Frage-Items wurde an 1400 Ansprechpartner in zwei Wellen verteilt. Die Rücklaufquote lag bei 4,7 Prozent, es lagen somit 66 Fragebögen vor.
Zentrale Ergebnisse
25 Prozent der Teilnehmer betreiben zum Befragungszeitpunkt bereits aktiv HR BPO. Vertreten waren dabei mehrheitlich Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche, aber auch aus der Fabrikation und Rohstoffgewinnung. Die Mitarbeiterzahl erstreckt sich hierbei über eine Spanne von 55 bis 3000 Mitarbeiter.
Übergreifend kann festgestellt werden, dass Unternehmen HR BPO vornehmlich in den Bereichen der Entgeltabrechnung, der HR IT sowie der Personaladministration avisieren. Prozesse, die die oberste HR-Führungsebene sowie Strategie und Grundsatzfragen betreffen, werden bei Outsourcing-Entscheidungen bisher nicht in Betracht gezogen. Als generelle Voraussetzungen für ein erfolgreiches Auslagern wurden die Einbindung von Fachabteilungen, ein klares Commitment des Top-Managements, die Festlegung von Maßstäben zur Erfolgsmessung sowie deren Kommunikation, Coaching der betroffenen Mitarbeiter sowie frühzeitige und regelmäßige Kommunikation innerhalb ihres Unternehmens genannt.
Durchdringung noch gering
Bei der Frage, ob derzeit geplant sei, Geschäftsprozesse auszulagern (Abbildung 2), gaben 64 Prozent der Teilnehmer an, dies für „nicht sinnvoll“ für die Organisation zu halten. Weitere drei Prozent halten Outsourcing „prinzipiell nicht für tragfähig“. Die Gruppe, die sich neutral-positiv gegenüber Outsourcing zeigte, machte immerhin noch ein Drittel (33 Prozent) aus. Darin enthalten sind Teilnehmer, die dies „aktiv planen“ (neun Prozent aller Studienteilnehmer), die es prinzipiell planen, bei denen sich aber „noch keine Handlungsoption ergeben hat“ (17 Prozent) sowie die, die sich „noch nicht damit auseinandergesetzt“ haben (sechs Prozent).
Abbildung 2
Planen Sie derzeit, Geschäftsprozesse zu einem Partner auszulagern?

Die Skepsis gegenüber den Vorteilen eines HR BPO überwiegt noch in den Unternehmen.
Wenn sich die Befragten ein Outsourcing vorstellen können, dann kommt schnell die Frage nach den Erwartungen, die sich mit dem Auslagern verknüpfen. Die Einsparungen der operationalen direkten Kostenbasis müssten für a) auszulagernde Geschäftsprozesse für ein Drittel der Teilnehmer mindestens 0-40 Prozent und für 66 Prozent der Teilnehmer mindestens 40-80 Prozent betragen, um Outsourcing zu einer attraktiven Handlungsoption zu machen. Bei b) „Für das Outsourcing-Vorhaben insgesamt“ waren die Teilnehmer schon mit weniger Kosteneinsparungen zufrieden. So gaben 39 Prozent an, 0-40 Prozent Kostenreduktion als Minimum anzusehen, 52 Prozent forderten hier 40-80 Prozent.
Wurden Aussagen zur Zustimmung oder Ablehnung vorgegeben, waren die Teilnehmer vor allem (in absteigender Zustimmung: stimme zu, stimme mehrheitlich zu) von folgenden Statements überzeugt:
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„Es sollte sich eine erhebliche Fokussierung auf Kernkompetenzen/strategische Entscheidungen ergeben“ (59 Prozent),
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„Fixe Kosten würden durch Auslagerung in variable Kosten umgewandelt“ (47 Prozent),
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„Auslagerung führt vermutlich zu einer Reduzierung der Kosten des Gesamtunternehmens“ (46 Prozent) sowie
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„Es ergibt sich ein Zugang zu spezialisierten Ressourcen (IT, Personal)“ (40 Prozent).
Auf der Seite der Risiken wurden häufig
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hohe Abhängigkeit vom Outsourcing-Anbieter (92 Prozent),
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drohender Arbeitsplatzverlust meiner Mitarbeiter (71 Prozent),
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Kontrollverlust über Anwendungen, Funktionen, Entscheidungen (68 Prozent),
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Reibungsverluste durch fehlende Übergangsprozesse (67 Prozent) sowie
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schlechte Qualität der Dienstleistung des Outsourcing-Partners (57 Prozent) genannt.
Nicht alle Branchen sind bereit
Es konnte herausgearbeitet werden, dass gerade innerhalb der Rohstoffgewinnungsbranche eine große Bereitschaft besteht, in Zukunft HR Outsourcing zu betreiben. Andere Branchen wie der Dienstleistungssektor streben dies hingegen weniger an. So sieht die Branche der Rohstoffgewinnung deutlich stärkeres Potenzial in den Bereichen Entgeltabrechnung, HR IT sowie Personaladministration als die anderen befragten Branchen. Bei den Vorteilen, die sich Teilnehmer durch eine Auslagerung versprechen, lassen sich Unterschiede verstärkt bei den Kosteneinsparungen und den Serviceverbesserungen erkennen. Rohstoffgewinnende Firmen sehen deutliche Potenziale der Kosteneinsparung, Firmen der Fabrikation/Materialgewinnung hingegen eher wenige. Die im Vergleich stärksten Potenziale sieht die Branche Rohstoffgewinnung bei den Serviceverbesserungen, die in den Augen dieser Firmenvertreter sehr relevant für zukünftige Outsourcingentscheidungen sind.
Im Hinblick auf potenzielle Barrieren scheint insbesondere der Kontrollverlust den Vertretern der Dienstleistungsbranche die größten Sorgen zu bereiten. Während persönliche Barrieren wie drohender Arbeitsplatzverlust vor allem in der Fabrikation/Materialgewinnung offenkundig ist, spielt diese Risikogruppe bei den Rohstoffgewinnern eine untergeordnete Rolle.
Mittelgroße Firmen eher zögerlich
Auch im Hinblick auf die jeweilige Unternehmensgröße lassen sich deutliche Unterschiede der wahrgenommenen Potenziale und Risiken feststellen. Die zukünftige Bereitschaft zur Auslagerung von Entgeltabrechnung, HR IT sowie Administration ist bei kleinen und großen Unternehmen am höchsten. Hier könnte naheliegen, dass insbesondere kleinere Unternehmen, die nicht über die nötige Manpower verfügen, sowie größere Unternehmen, die ihre Kosten optimieren wollen, auf Outsourcing zurückgreifen.
Bei den erwarteten Vorteilen des HR BPO unterscheidet sich in erster Linie die Einschätzung bezüglich Serviceverbesserungen wesentlich. Auch hier sind besonders kleine und große Unternehmen positiver gestimmt als mittelgroße Unternehmen.
Die entsprechende Bereitschaft zu beziehungsweise Ablehnung von HR BPO könnte sich auch aus dem Aspekt des Kontrollverlustes ergeben. Hier sehen mittelgroße Unternehmen eine deutlich stärkere Barriere als kleine und große Unternehmen.
Auf Basis der Studie lassen sich daher deutliche branchen- und größenspezifische Unterschiede hinsichtlich der erwarteten Potenziale und Barrieren von HR BPO feststellen. Des Weiteren wird aufgezeigt, dass im Befragungsbereich ein großes, bislang ungenutztes Potenzial für entsprechende Dienstleistungen besteht.
Praktische Implikationen
Aufgrund der Ergebnisse lassen sich zahlreiche Implikationen für die (Beratungs-) Praxis ableiten. Die Betrachtung des derzeitigen Durchdringungsgrades von Outsourcing-Erfahrungen ergibt, das 17 der 66 untersuchten Unternehmen, also 26 Prozent, bereits mindestens einmal Outsourcing betrieben haben. Folglich besteht (immer noch) ein erhebliches, ungenutztes Potenzial zur Prozessveränderung. Um diese erfolgreich voranzutreiben, ist es ausschlaggebend zu wissen, in welchen Bereichen die Personalabteilungen die größten Potenziale sehen. Dies ist in den „operativen“, das heißt stark IT-getriebenen Teilbereichen der HR-Funktion der Fall.
Weiterhin ist es relevant, sich der wichtigsten erhofften Vorteile bewusst zu sein. Diese liegen vor allem in Kosteneinsparungen und Serviceverbesserungen. Risiken, die in den Köpfen der Personaler präsent sind und dadurch Outsourcing als nicht akzeptable Option erscheinen lassen, sind insbesondere im Bereich der Steuerungs- und Kontrolleinbußen zu sehen.
Die Clusteranalyse ermöglicht, Unterschiede innerhalb der Risikokategorien (Güte der Leistungserbringung, Kontrollverlust) aufzudecken, sodass diese zu erwartenden Probleme im Rahmen anstehender HR Outsourcing-Prozesse berücksichtigt werden können. Weiterhin besteht eine relativ große Übereinstimmung zwischen den Clustergruppen hinsichtlich der Bewertung von Kostenentwicklungen. Insbesondere werden für die Gruppe der technologiegetriebenen Personalabteilungen Kostensenkungspotenziale angezeigt, sodass hier der größte Erfolg für HR BPO angenommen werden kann. Und:
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Outsourcing-Entscheidungen im HR-Umfeld werden in erheblichem Maße von Informationstechnologie beeinflusst.
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Organisationen, die bereits Outsourcing-Erfahrung haben, schätzen Vor- und Nachteile einer Auslagerung differenzierter und objektiver ein.
Hierauf aufbauend kann eine gezielte Ansprache von möglichen Outsourcing-Partnern strukturiert und unterstützt werden. Dabei müssen innerhalb einer Geschäftsbeziehung gerade die in unserer Studie angeführten Treiber berücksichtigt werden, erfolgskritische Vorteile verfolgt und die Risiken kontrolliert beziehungsweise entschärft werden.
Die Studie
Detaillierte Ergebnisse der Studie können hier eingesehen werden:
Cooke, F.L./Shen, J./McBride, A.: Outsourcing HR as a competitive strategy? A literature review and an assessment of implications, Human Resource Management 44(4), 2005, S. 431-432
Fisher, S.L./Wassermann, M.E./Wolf, P.P./Wears, K.H.: Human resource issues in outsourcing: integrating research and practice, Human Resource Management 47(3), 2008, S. 501-523
Haines, V.Y./Lafleur, G.: Information technology usage in human resource roles and effectiveness, Human Resource Management 47(39), 2008, S. 525-540
Hendrickson, A.R.: Human resource information systems: backbone technology of contemporary human resources, Journal of Labor Research 24(3), 2003, S. 381-394
Mishra, A./Akman, I.: Information technology in human resource management: an empirical assessment, Public Personnel Management 39(3), 2010, S. 271-290
Autoren
Prof. Dr. Markus Bick, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin,
mbick@escpeurope.eu
Aaron W. Baur, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin,
abaur@escpeurope.eu
Harald Goetsch, Vorstandsvorsitzender, IT2 Solutions AG, Henstedt-Ulzburg,
hgoetsch@it2-solutions.com