Fair und leistungsgerecht
Nur ein Drittel der deutschen Beschäftigten empfindet das eigene Gehalt als angemessen, immer mehr Angestellte wünschen sich eine erfolgsabhängige Bezahlung. Welche Vergütungsmodelle sind attraktiv und zeitgemäß?
Im Rahmen des Kelly Global Workforce Index (siehe Info-Box) untersuchen wir regelmäßig auf globaler Ebene, wie sich Arbeitnehmer die künftige Arbeitswelt wünschen. Für 2013 haben wir unter anderem einen Schwerpunkt auf den Bereich Vergütung gelegt.
Kelly Global Workforce Index
Für Deutschland gibt es dabei interessante Ergebnisse: Nur ein Drittel der Beschäftigten hierzulande empfindet das eigene Gehalt als angemessen – und fühlt sich daher kaum zu einer besseren Leistung motiviert. Hingegen können leistungsbezogene Zuschläge ein durchaus wirksamer Anreiz sein. Immer mehr Angestellte wünschen sich eine erfolgsabhängige Bezahlung, die Vergütung von Überstunden verliert hingegen deutlich an Attraktivität. Nahezu jeder Zweite möchte lieber nach Produktivität und Leistung bezahlt werden, während nur etwas über ein Drittel die Bezahlung nach (Über-)Stunden als wünschenswert erachtet. Deshalb geht der Trend klar in Richtung Bonussysteme. Schon heute erhalten mehr als 43 Prozent der Arbeitnehmer leistungsbasierte Extrazahlungen.
Viele Begriffe – ein Gedanke
Leistungsorientierte Bezahlung, erfolgsorientierte Bezahlung, erfolgsabhängiges Gehalt, Erfolgsvergütung, Provision, Bonus – es gibt viele Namen für eine flexible Vergütung. Allen gemeinsam ist, dass ein Teil des Gehaltes fix ist, während sich der Rest des Lohnes nach Leistung beziehungsweise Erfolg bemisst. Als Indikator für die Höhe des variablen Teils können finanzielle Ziele (abhängig von wirtschaftlichen Kennzahlen), qualitative Ziele (z.B. Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern, Innovationen oder ökologisches Engagement) oder auch persönliche Ziele (meist abhängig von individuellen Zielvereinbarungen) dienen.
Die Losung scheint klar: Mehr Leistung – mehr Geld. Aber in welcher Form? Die traditionellen, bezahlten Überstunden als Standardentgelt für Mehrarbeit stoßen bei Deutschlands Arbeitnehmern zunehmend auf Ablehnung. Insgesamt bevorzugt knapp die Hälfte der von Kelly Services Befragten ein erfolgsorientiertes Modell. Dagegen sprechen sich nur 37 Prozent für bezahlte Überstunden aus. Allerdings spielt auch das Geschlecht eine Rolle. Während die Mehrheit der männlichen Arbeitnehmer (54 Prozent) die leistungsorientierte Variante vorzieht, halten sich die Vorlieben der Frauen die Waage: 41 Prozent sind für Überstunden, während 42 Prozent die Bezahlung nach Leistung präferieren.
Jüngere wollen Überstunden
Ein Befund verwundert allerdings besonders: Schaut man auf die Altersgruppen, sind die größten Fürsprecher von leistungsorientierter Entlohnung über bezahlte Überstunden die Arbeitnehmer der Generation Y (46 Prozent). Ihr Zuspruch steht deutlich über dem der Generation X (36 Prozent) und jenem der Babyboomer (25 Prozent). Im Umkehrschluss gilt: Die Mehrheit der Babyboomer (58 Prozent) und jeder zweite Angehörige der Generation X würde sich für ein ergebnisorientiertes Anreizmodell entscheiden. Gleiches gilt nur für vier von zehn Arbeitnehmern der Generation Y.
Betrachtet nach der Art des Beschäftigungsverhältnisses zeigt sich wiederum eine klare Tendenz: Je sicherer der eigene Job ist, desto eher steigt die Bereitschaft zu einer Extra-Vergütung nach Leistung anstelle von Überstunden. In erster Linie sind es Festangestellte (51 Prozent), die eine variable Vergütung befürworten. Bei den Teilzeit-Angestellten ist knapp jeder Zweite dafür – bei den temporär Beschäftigten hingegen nur ein Drittel.
Männer variabler entlohnt
Die unterschiedlichen Wünsche der Arbeitnehmer in Sachen Entlohnung sind deutlich. Wie aber sieht es in der Realität aus? Wer bezieht bereits einen Teil seines Einkommens über erfolgsbasierte Modelle? Auch in dieser Frage ergeben sich interessante Unterschiede zwischen den verschiedenen Arbeitnehmergruppen. Bei den Männern bekommt fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) bereits heute einen Teil des Lohns variabel nach Leistung, bei den Frauen sind es hingegen nur 36 Prozent. Auch spielt das Alter eine nicht unerhebliche Rolle: 47 Prozent der Generation X arbeiten bereits in erfolgsabhängigen Strukturen. Bei den Babyboomern und den Vertretern der Generation Y ist der Anteil geringer (40 bzw. 37 Prozent).
Die Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass bei Frauen die Sicherheit eines festen Lohns sowie Planungssicherheit im Vordergrund stehen. Männer sind eher bereit, gewisse Gehaltsrisiken einzugehen. Ältere Arbeitnehmer möchten das bisher Erreichte nicht nur absichern, sondern nach Möglichkeit noch ausbauen.
Auf den Job kommt es an
Die Unterschiede bei der Vergütungsart variieren je nach Tätigkeit (siehe Abbildung 1): Angestellte im Verkauf (70 Prozent), Juristen (65 Prozent) oder Ingenieure (53 Prozent) werden häufiger erfolgsabhängig vergütet als Wissenschaftler (33 Prozent) oder Mitarbeiter im Gesundheitswesen (30 Prozent). Aufgrund der manchmal problematischen Messbarkeit des Erfolgs und der unterschiedlichen Zielsetzungen bei den einzelnen Berufsbildern ist das wenig verwunderlich – ein Arzt hat eine andere Aufgabenstellung als ein Autoverkäufer. Doch finden sich offensichtlich sogar bei Berufsbildern, bei denen eine klassische Erfolgsmessung kaum möglich ist, variable Vergütungsmodelle, die eher Leistung honorieren als Zeitaufwand.
Abbildung 1
Häufigkeit leistungsbasierter Vergütung nach Tätigkeit

Nach wie vor sind Bonus-Systeme im Sales-Bereich ein gängiges Tool. Doch andere Bereiche hinken nicht weit hinterher. Augenfällig ist der hohe flexible Gehaltsanteil im Rechtsbereich.
Ebenfalls wenig überraschend ist die Bedeutung der Beschäftigungsart für eine leistungsorientierte Bezahlung: Hier zeigt sich ein Gefälle von Vollzeit-Beschäftigten (46 Prozent) über Teilzeit-Beschäftigte (37 Prozent) hin zu temporär Angestellten (31 Prozent). Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der erfolgsorientierten Vergütung im Mittelfeld. Weltweit werden rund 44 Prozent der Befragten flexibel bezahlt, in Europa sind es 39 Prozent. In Kontinentaleuropa steht Deutschland hinter Russland, den Niederlanden und Belgien auf Platz vier. Die Aussicht auf mehr Geld als Motivation für den Wechsel der Vergütungssysteme ist verständlich. Welche weiteren Folgen ergeben sich für Mitarbeiter, die auf eine leistungsorientierte Bezahlung setzen?
Ziele und Grenzen
Ein erfolgsabhängiges Gehaltsmodell bedeutet für die Beschäftigten auch ein höheres Maß an Eigenverantwortung und Zielstrebigkeit. Hängt ein Teil des Lohns davon ab, ob bestimmte Ziele erreicht werden, muss sich der Betroffene entsprechend engagieren und erzielt im Idealfall Umsatz- oder Ertragssteigerungen für sein Unternehmen. Zudem kann der Identifikationsgrad des Mitarbeiters mit den allgemeinen Unternehmenszielen durch variable Lohnmodelle steigen, wenn die eigenen Bestrebungen an die Unternehmensziele angepasst werden. Bestenfalls erweist sich ein flexibles System dann als Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Der leistungs- und ergebnisorientierten Bezahlung sind nach eigener Einschätzung der Befragten jedoch auch Grenzen gesetzt: Insgesamt sind nur 30 Prozent der Meinung, dass sie ihre Performance bei einer erfolgsorientierten Vergütung tatsächlich steigern würden. Am ehesten trauen sich Männer diesen Kraftakt zu: 39 Prozent sind der Ansicht, dass erfolgsorientierte Bezahlung auch mehr Leistung möglich macht. Bei den Frauen ist nur knapp jede Vierte der gleichen Meinung. Auch richtet sich die Einschätzung der eigenen Steigerungsfähigkeit nach der jeweiligen Tätigkeit. Bemerkenswert: Ausgerechnet die befragten Naturwissenschaftler sind der Meinung, dass sie durch eine erfolgsorientierte Vergütung noch leistungsfähiger würden – 43 Prozent glauben dies. Dabei gehören gerade sie zu den Berufsgruppen, bei denen die individuelle Leistung bislang kaum eine Rolle für die Entlohnung spielte. Auf den weiteren Plätzen folgen IT-Spezialisten mit 38 Prozent und Mitarbeiter aus den Bereichen Finance und Buchhaltung mit 31 Prozent.
Abbildung 2
Auswirkungen leistungsbasierter Vergütung

Männer sind bonusaffiner als Frauen. Für weibliche Mitarbeiter steht hingegen immer noch häufig der Sicherheitsgedanke im Fokus.
International glauben 46 Prozent derjenigen, die (noch) nicht nach Leistung vergütet werden, dass eine solche Bezahlung leistungssteigernd wirken könnte. In Europa liegt der entsprechende Wert bei 41 Prozent, in der Region Asien-Pazifik sind es fast 60 Prozent. Bei einer Sache sind sich fast alle einig: Die überwiegende Mehrheit wünscht sich – unabhängig vom Vergütungsmodell – mehr Geld. Weniger als ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer hält seine derzeitige Entlohnung für angemessen. Die Zahl der explizit Unzufriedenen liegt hingegen über alle Branchen, Altersstufen und Geschlechter hinweg deutlich über einem Drittel. Am ehesten zufrieden mit dem Gehalt sind Ingenieure (42 Prozent), IT-Mitarbeiter (38 Prozent) sowie Buchhaltung und Finance (35 Prozent).
Die Deutschen zeigen sich beim Gehalt unzufriedener als ihre Kollegen jenseits der Landesgrenzen: Weltweit sind 38 Prozent der Meinung, dass die Vergütung ihrer Leistung entspricht. In Nord- und Südamerika sind es sogar 45 Prozent, in der Region Asien-Pazifik immerhin 41 Prozent.
Vergütung fair gestalten
Ein faires, leistungsorientiertes Vergütungsmodell sollte genau definieren, welche Messgrößen herangezogen werden. In der Regel sind das Zielhöhe, Zielgröße und Bezugswert, zum Beispiel: „Fünf Prozent mehr Umsatz im Vergleich zum Vorjahr“. Bei der Bewertung der Arbeitsergebnisse des Mitarbeiters als Basis für die Vergütung sollten sowohl Zielabwärtskorrekturen (falls nur ein Teil erreicht wurde) als auch Zielaufwärtskorrekturen (bei Übererfüllung) definiert werden, sodass die Vergütung am Ende letztlich alle unterschiedlichen Grade der Zielerreichung erfassen und honorieren kann.
Auch sollten Vereinbarungen für Sonderfälle getroffen werden. Was passiert zum Beispiel bei längerer Krankheit, bei Unfällen, Betriebsaustritt, Schwangerschaft beziehungsweise Elternzeit, Versetzung oder Sabbaticals? Und: Welche qualitativen Ziele lassen sich vereinbaren? Auch können externe Einflüsse (Produktionsleistung, Ressourcen, politische und rechtliche Vorgaben, Preisveränderungen, Wettbewerber, Infrastruktur) das Ergebnis eines einzelnen Mitarbeiters erheblich beeinflussen. Für diese Fälle sollte ein erfolgsorientiertes Vergütungsmodell ebenfalls von Beginn an Regelungen vorsehen.
Entscheidend ist: Zufriedenere Mitarbeiter identifizieren sich stärker mit den Zielen eines Unternehmens, sie bleiben länger, und sie sind in der Regel produktiver – gute Argumente für ein faires, leistungsgerechtes Vergütungsmodell.
Autor
Stefano Giorgetti, Country General Manager & Vice President, Kelly Services, Hamburg,
kelly-services@citigatedr.de
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