Am Ende überwiegen die Vorteile
Die Einstellung deutscher Unternehmen gegenüber HR Software-Lösungen aus der Cloud gilt als verhalten. Eine aktuelle Studie zeigt, welche Hemmnisse weiterhin bestehen und warum sich dennoch eine wachsende Zahl von Firmen für Cloud-Lösungen entscheidet.
Cloud Computing hat mittlerweile in ziemlich alle von IT-Technik abgedeckten Lebensbereiche Einzug gehalten. Mit großer Selbstverständlichkeit etwa geben selbst ansonsten datenschutzbewegte User von Smartphones persönliche Informationen an Applikationen weiter, bei denen die Daten in der Cloud gespeichert werden. Sorgen um missbräuchlichen Zugriff auf die Daten scheinen die wenigsten umzutreiben – auch Fälle wie die kürzlich in den USA bekannt gewordene Veröffentlichung von pikanten Promi-Fotos aus der iCloud wurden eher mit unzureichenden Schutzmaßnahmen des Anbieters, nicht mit der Technologie an sich in Verbindung gebracht.
Sicherheitsbedenken bleiben bestehen
Konträr dazu stellt sich zumindest bislang noch die Situation in deutschen Unternehmen dar, besonders im HR-Bereich. Von der Verwaltung der Personalstammdaten über Payroll und Recruiting bis Performance Management – in keinem Aufgabenfeld der Personalabteilung haben Cloud-Lösungen, Stand heute, einen Anteil von 20 Prozent. In den meisten Fällen liegt er weit darunter. Dagegen dominieren, gerade in als sensibel geltenden Bereichen wie Stammdatenverwaltung und Payroll, nach wie vor die sogenannten On-Premise-Lösungen, die auf internen Servern laufen. Das geht aus einer aktuellen Erhebung hervor, die das Beratungsunternehmen Promerit HR + IT Consulting AG, das unter anderem Software-Einführungsprozesse begleitet, kürzlich vom US-amerikanischen IT-Marktforschungsunternehmen IDC hat durchführen lassen.
An der Studie mit dem Titel „Wie HR Cloud Software zukunftsorientiertes HR Management erfolgreich unterstützen kann“ nahmen 190 HR-IT-Entscheider aus Unternehmen mit mehr als 2500 Mitarbeitern im deutschsprachigen Raum teil. Tatsächlich scheint im Vergleich zu den privaten Usern das Risikobewusstsein innerhalb dieser Gruppe stärker ausgeprägt zu sein: Bedenken hinsichtlich Datensicherheit oder -verlust (66 Prozent), ein Datenstandort außerhalb Deutschlands (62 Prozent) und gesetzliche Vorschriften sowie interne Compliance-Regelungen (55 Prozent) nennen die Befragten als die größten Hemmnisse für die Nutzung von Cloud-Technologien im Personalmanagement.
Eine Frage der Informiertheit
Bedenken, die Axel Singler, Partner bei Promerit HR + IT, grundsätzlich nachvollziehen kann. Die er aber in der Breite für die Hersteller von Unternehmenssoftware für nicht (mehr) angebracht hält: „Die Cloud-Anbieter haben sehr viel in diesem Bereich getan – etwa, indem sie Rechenzentren nach Europa und Deutschland verlagert haben und diese nach hiesigen Standards mehrfach haben zertifizieren lassen.“ Auch wenn es vorrangige Aufgabe der Anbieter sei, für Transparenz und Information zu sorgen – in vielen Fällen, so Singlers Überzeugung, seien die Vorbehalte auch auf mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema Cloud zurückzuführen. „Die Befragung zeigt: Nur knapp jedes zweite Unternehmen, das bereits HR Cloud Services nutzt, nennt Sicherheitsbedenken als Hemmfaktor. Unter den Firmen, die sich noch überhaupt nicht mit HR-Cloud-Lösungen auseinandergesetzt haben, sind es dagegen mit 70 Prozent deutlich mehr.“ Informiertheit baut Bedenken ab. In diese Richtung deutet auch ein weiteres Studienergebnis: Unternehmen, die ihre HR-IT-Strategie in den vergangenen beiden Jahren (neu) entwickelt haben, setzen mit 35 Prozent am häufigsten auf HR-Cloud-Lösungen. Demgegenüber sprechen sich die zehn Prozent, die überhaupt keine konsistente HR-IT-Strategie haben, am häufigsten gegen ihren Einsatz aus.
Strategische Themen wandern in die Cloud
Offenbar geht also eine zunehmende Zahl an Firmen unbefangener mit der Cloud-Technologie um. Auf die Frage, ob und für welche Personalprozesse in den kommenden 12 bis 24 Monaten der Einsatz von HR-Cloud-Lösungen geplant ist, ergibt sich dabei folgendes Bild: Für das Recruiting gehen 30 Prozent der Befragten vom Einsatz von Cloud-Lösungen aus – gegenüber heute ein Plus von 12 Prozent. Für das Performance Management tun dies 27 Prozent (plus 10) und für das Potential Management 26 Prozent (plus 12). Die größten Zuwächse verzeichnet die Strategische Nachfolgeplanung (plus 14 auf 23 Prozent), und die geringsten Zuwächse zeigen sich in den Feldern Stammdatenmanagement und Payroll mit fünf respektive drei Prozent (siehe Abbildung 1). „Was auffällt: Bei den Feldern, auf denen die Nachfrage nach HR-Cloud-Lösungen besonders rasant steigt, handelt es sich meist um strategische Themen, die HR bisher häufig zugunsten administrativer Prozesse vernachlässigt hat und die daher selten von Softwarelösungen abgebildet wurden“, kommentiert Axel Singler die Ergebnisse. „Insbesondere Talent-Management-Themen wie die Nachfolgeplanung oder Prozesse, in die Mitarbeiter und Führungskräfte stark eingebunden sind und bei denen es in hohem Maße auf Nutzerfreundlichkeit ankommt, wandern in die Cloud.“
Abbildung 1
Einsatz von HR Cloud Services – heute und morgen

Insbesondere strategisch bedeutsame Prozesse und solche, bei denen es den Unternehmen auf die Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitern ankommt, sind zunehmend für eine Abdeckung durch Cloud-Technologien interessant.
Mobilfähigkeit als großer Vorteil
Der Wunsch nach mehr Strategiebezug von HR-Arbeit, nach einer größeren Mitarbeiternähe sowie ein gewandeltes User-Verhalten – die zunehmende Präferenz für Cloud-Lösungen erklärt sich demnach auch dadurch, dass HR-Manager zunehmend davon überzeugt sind, mit ihnen eine moderne, flexible Arbeitswelt besser abbilden zu können. Dass die Befragten diesen Aspekt für wichtig halten, zeigt sich bei der Frage nach den Antriebsfaktoren für den Wechsel in die Cloud. Hier nennen 57 Prozent der Befragten den „Mobilen Zugriff“ als wichtiges Entscheidungskriterium und 48 Prozent die Einbindung von Außenstellen wie Filialen, Niederlassungen oder das Homeoffice. Zwar sei es grundsätzlich auch technisch möglich, On-Premise-Lösungen so zu konfigurieren, dass sie von unterwegs genutzt werden können. „Aber HR-Cloud-Anbieter konnten bei der Entwicklung ihrer Lösungen direkt auf neue Webtechnologien wie HTML5 setzen, womit Aspekte wie die intuitive Bedienbarkeit und Einfachheit der Anwendung gegeben sind. Gerade hier haben Cloud-Anbieter den Vorteil der späten Geburt“, so Singler, der in der Praxis noch einen anderen Aspekt erkennt: „Müde von langwierigen und teuren On-Premise-Projekten, bei denen gegebenenfalls von der IT nicht das gewünschte Ergebnis geliefert wurde, sieht HR die Chance, mit einer Cloud-Lösung die Tool-Hoheit zu übernehmen. HR wird zum Treiber. Die IT zum Getriebenen. Darum raten wir, dass sich beide im Rahmen der HR-IT-Strategiediskussion an einen Tisch setzen, um gemeinsam die Ziele und ihre Umsetzung zu definieren.“
Abbildung 2
Antriebsfaktoren für den Wechsel in die Cloud

Neben geringem Aufwand und Kosten nennen die Befragten vor allem die Möglichkeit der mobilen und flexiblen Nutzung von Cloud-Technologien als Vorteile.
Geringer Aufwand bei Einführung und Pflege
HR-IT-Entscheider schauen, wie könnte es anders sein, neben der Nutzenseite auch auf die Kosten. Hier schneiden Cloud-Lösungen in ihren Augen gut ab. So nennen die Studienteilnehmer das Kriterium „Geringere Kosten und Aufwand für Betrieb und Wartung“ zu 51 Prozent und „Niedrigere Gesamtkosten“ zu 46 Prozent als Antriebsfaktoren für die Entscheidung pro Cloud. An diesem Punkt empfiehlt Berater Singler jedoch, zweimal hinzuschauen: „Wie bei jeder Investition bedarf es individueller Business-Cases. In diesen sollten der Betrachtungszeitraum, zu unterstützende Prozesse und Migrationskosten – um nur einige Punkte zu nennen – eingehen.“ Der Vorteil der schnellen Einführung und des geringeren Wartungsaufwands sei bei Cloud-Lösungen aber allemal gegeben. Dies schätzen auch viele Befragte so ein: 51 Prozent nennen den geringeren IT-Aufwand und 44 Prozent den stets aktuellen Release-Stand als Antriebsfaktoren für die Implementierung einer Cloud-Lösung. Axel Singler erläutert: „Bei On-Premise-Lösungen kann die Einführungsphase schon einmal ein Jahr dauern. Auch Upgrades sind häufig mit enormen Aufwänden seitens der IT- und der HR-Abteilung verbunden. Bei Cloud-Lösungen hingegen werden Upgrades teilweise direkt durch den Anbieter gesteuert und finden in kürzeren Abständen statt.“
Erfolgsfaktoren bei der Implementierung
Gründe für den Wechsel in die Cloud gibt es demnach viele. Worauf aber ist bei der Einführung einer entsprechenden Lösung zu achten? Das interessierte auch die Studienmacher. Unter den zur Auswahl stehenden Erfolgsparametern für die gewinnbringende Implementierung und Nutzung von HR-Cloud-Lösungen gewichteten die Befragten auf einer Skala von 1 (sehr wichtig) bis 5 (unwichtig) die „Stammdatenkonsolidierung“ (1,8), die „Enge Zusammenarbeit zwischen HR und IT“ (1,9) und die „Konsolidierung der HR-Prozesse im Zuge der Software-Einführung“ (1,9) am höchsten. Für Singler setzen sie damit die richtigen Prioritäten: „Die Stammdaten sind so essenziell dafür, andere Tools vernünftig nutzen zu können, dass es vielfach Sinn macht, vor der Entscheidung für eine neue Software erst einmal an diesen Fundamenten zu arbeiten. Das heißt, diese global, einheitlich und in hoher Datenqualität zur Verfügung zu stellen.“ Auch warnt Singler vor einem verbreiteten Denkfehler: Es kursiere immer noch der Mythos, dass Cloud-Lösungen Personalabteilungen insofern die konzeptionelle Arbeit erleichterten, als dass sie ihnen durch ihren hohen Standardisierungsgrad bestimmte Prozesse vorgäben. „Hier würde ich als HRler vorsichtig sein. Es ist nach wie vor unabdingbar, vor der Entscheidung für eine neue Software seine Prozesse zu analysieren und zu optimieren. Anschließend gilt es, mit dem Softwareanbieter Integrationspotenziale zu heben.“
Hybride Modelle dominieren
Alles in allem ist Singler vom weiteren Siegeszug der Cloud-Technologie überzeugt. „In fünf Jahren wird es kaum noch ein Unternehmen geben, das nicht in irgendeinem Bereich eine Cloud-Lösung nutzt. Ich glaube auch nicht, dass es in Zukunft bezüglich der ausgelagerten Daten noch irgendwelche Tabuzonen gibt.“ Der Promerit-Experte ist sogar sicher, dass eines Tages der Bezug von HR-Software aus der Cloud das Standardszenario ist. Allerdings wird es, geht es nach den Befragten, noch etwas dauern. Für einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren ab heute gehen diese zu 41 Prozent noch davon aus, dass Software überwiegend als herkömmliche On-Premise-Lösung bezogen wird. Nur acht Prozent der Befragten prognostizieren, dass Cloud-Lösungen dominieren werden. Eine relative Mehrheit von 45 Prozent hält jedoch hybride Modelle für die vorherrschende Variante. Heißt: Die beiden Technologien laufen parallel. „Es ist wie beim Auto: Bevor flächendeckend elektrisch gefahren wird, fahren wir übergangsweise mit Hybridfahrzeugen. So wird es auch im Bereich der HR-Software sein. Dabei ist entscheidend, dass Unternehmen als Grundlage für ein solches Vorgehen eine aktuelle HR-IT-Strategie definieren und dann in der Umsetzung die Schnittstellen zwischen Cloud und On-Premise beherrschen“, kommentiert Singler. Warum Unternehmen die hybride Variante vorziehen? „Es geht den Unternehmen hier auch um Investitionssicherheit. Oft haben sie in den vergangenen Jahren noch einmal in On-Premise-Lösungen investiert.“
Die Full Cloud wird kommen
Insgesamt sprechen für Singler drei Entwicklungslinien für den zunehmenden Einsatz von Cloud-Lösungen: „Erstens gibt es heute keinen relevanten Anbieter mehr, der kein Cloud-Szenario abbildet. Alle großen Hersteller sind bereits heute in der Lage, Full-Cloud-Szenarien abzubilden. Zweitens wird eine wachsende Zahl an zufriedenen Kunden dafür sorgen, dass die Vorbehalte gegenüber der Technologie wegschmelzen. Und drittens werden sich Cloud-Lösungen aus ihrem bislang noch recht starren Korsett lösen.“ Was Singler damit meint: „Kunden machen heute schon insofern Druck, als dass sie weniger bereit sind zu akzeptieren, dass Cloud-Lösungen wie bislang nur in geringem Maße konfigurierbar sind.“ Der Experte hält vor diesem Hintergrund folgendes Szenario für plausibel: „Führende Hersteller werden in Zukunft eine offene Cloud-Plattform bereitstellen, die es sowohl Kunden als auch Partnern erlaubt, eigene Applikationen der jeweiligen Community anzubieten. Wenn die Verwendung so einfach wird wie der App Store von Apple, dann wird das sicher eine Erfolgsgeschichte.“
Eine ausführliche Präsentation und Einordnung der Studienergebnisse finden Sie im Sonderheft „HR Cloud-Lösungen“, das mit Ausgabe 11 erscheint.
Autor
Alexander Kolberg
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