Selbstverantwortlich zum Kulturwandel
Development Center werden normalerweise im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen von Fach- und Führungskräften eingesetzt. Die strategische Neuausrichtung bei der Metro Group zeigt jedoch, dass Development Center viel mehr können: Sie führen bei entsprechender Ausrichtung zu einem Kulturwandel und zur Förderung der Selbstverantwortung der Mitarbeiter.
Was zeichnet Development Center in einem internationalen Konzern wie der Metro Group aus? Auf den ersten Blick sind es Zahlen wie die folgenden: Seit März 2013 haben mehr als 200 Führungskräfte aus 29 Ländern an den Development Centern teilgenommen. Es ist keine Seltenheit, dass unter 20 Teilnehmern und Beobachtern mehr als 10 Nationalitäten vertreten sind.
Strategische Neuausrichtung und Kulturwandel
Das Besondere der Development Center liegt jedoch in der Zielsetzung: International erfahrene Berater der ITB Consulting haben gemeinsam mit Mitarbeitern des Bereichs Talent Management, Leadership & Change der Metro AG ein innovatives Development Center-Format entwickelt, das die neue HR-Strategie in ein konkretes Verfahren übersetzt und einen gewünschten Kulturwandel unterstützt. Daneben verfolgen die Development Center weiterhin das Ziel, Stärken und Lernfelder der Teilnehmer diagnostisch sauber zu erfassen und darauf aufbauend Entwicklungsmaßnahmen zu initiieren.
Wie sah der Entwicklungsprozess aus? Voraussetzung und Leitbild für die Entwicklung der neuen Development Center war die strategische Neuausrichtung der Personalentwicklung an die Unternehmensstrategie. Die Strategie der Metro Group zielt auf ein langfristig nachhaltiges Wachstum ab. Das Handelsunternehmen mit rund 250 000 Mitarbeitern in 31 Ländern will dabei vor allem den flächenbereinigten Umsatz und das Ergebnis steigern. Eine grundlegende Bedingung für dieses langfristig nachhaltige Wachstum ist die konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf den Mehrwert für die Kunden.
Für den Personalbereich leitete sich aus der Unternehmensstrategie der Leitgedanke ab, dass Wachstum und konsequente Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen nur möglich sind, wenn die Mitarbeiter entsprechend unterstützt werden, damit sie mitwachsen können. Konkret bedeutet dies zunächst: Talente werden im Unternehmen frühzeitig identifiziert, weiterentwickelt und an das Unternehmen gebunden.
Im nächsten Schritt führte die Metro Group passend zur strategischen Ausrichtung neue Unternehmensleitlinien ein, die sogenannten „Guiding Principles“ (siehe Abbildung).
Abbildung
Guiding Principles der Metro

Diese Leitlinien dienen der einheitlichen Kommunikation innerhalb des Unternehmens und stellen gleichzeitig die Grundlage für Mitarbeiterbewertungen dar.
Diese Leitlinien dienen der einheitlichen Kommunikation innerhalb des Unternehmens und stellen gleichzeitig die Grundlage für Mitarbeiterbewertungen dar:
• Der Kunde im Mittelpunkt. Für unsere Kunden da sein.
• Globales Unternehmertum. Global denken – lokal handeln.
• Erfolgreich durch herausragende Leistungen. Das Beste geben. Neue Wege gehen.
• Vertrauen in unsere Mitarbeiter. Wachstum durch unsere Mitarbeiter. Vertrauensvolle Zusammenarbeit.
• Authentische Führung. Integrität – Transparenz – Authentizität.
• Nachhaltigkeit. Sicherstellen, dass Entscheidungen auf wirtschaftlichen, umwelttechnischen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsprinzipien beruhen.
Um diese Guiding Principles mit Leben zu füllen, wurde die Personalentwicklung insgesamt stärker an den Bedürfnissen des Einzelnen ausgerichtet. Beispielsweise werden die Mitarbeiter angehalten, nach den Development Centern einen persönlichen Entwicklungsplan für sich selbst zu schreiben und werden so zum Treiber ihrer eigenen Entwicklung. Auch Führungskräfte werden aktiver in die Personalentwicklung eingebunden. Bei ihrer jährlichen Zielsetzung spielen nicht nur unternehmerische Ziele eine Rolle, sondern auch Ziele bezüglich der Entwicklung der eigenen Mitarbeiter sowie die eigene Nachfolgeplanung. Wichtig ist hierbei, eine gute Balance zwischen der Förderung des selbstverantwortlichen Handelns der Mitarbeiter und deren Unterstützung in Fragen der Personalentwicklung durch die Personalabteilung beizubehalten.
Die konsequente Ausrichtung am Kunden und an den Bedürfnissen der Mitarbeiter erfordert auch einen Wandel der Unternehmenskultur. Durch die Einführung der Guiding Principles sowie den damit verbundenen Veränderungen in der Personalarbeit sollte hierfür der Grundstein gelegt werden. Angestrebt werden eine kooperative Führungskultur mit Kommunikation auf Augenhöhe sowie die Förderung einer transparenten Feedback-Kultur und eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit.
Development Center – die Rahmenbedingungen
Die neuen Development Center der Metro Group stellen ein konkretes Beispiel für die Synthese von Strategieimplementierung und Förderung des Kulturwandels dar. Zielgruppe des Verfahrens sind interne Führungskräfte der Metro AG, der Vertriebslinie Metro Cash & Carry und weiteren Gesellschaften der Metro Group, wie zum Beispiel der MGB Hongkong. Um den unterschiedlichen Anforderungen an Mitarbeiter verschiedener Hierachieebenen gerecht zu werden, wurden zwei leicht unterschiedliche Formate entwickelt. Das sogenannte Regional Development Center (RDC) richtet sich an Mitarbeiter der Führungsebene drei (wie zum Beispiel Category oder Store Manager). Die International Development Center (IDC) richten sich an Mitarbeiter der Ebene zwei (zum Beispiel jene Führungskräfte, die direkt an das Managementboard einer Landesgesellschaft berichten).
Beobachter in den Development Centern sind interne Führungskräfte, zumeist Vorstandsmitglieder der Ländergesellschaften. Beide Formate zeichnen sich durch eine kulturell sehr heterogene Zusammensetzung, sowohl auf Seiten der Teilnehmer als auch auf Seiten der Beobachter, aus. Die Durchführungssprache ist sowohl für die RDCs als auch die IDCs Englisch. Beide Verfahren dauern inklusive Einweisung der Teilnehmer und Beobachter sowie Rückmeldungen an Teilnehmer jeweils rund drei Tage.
Strategische Ziele und deren Umsetzung im Development Center
Entsprechend der beschriebenen strategischen Neuausrichtung stehen die Entwicklung der Mitarbeiter, sowie die Steigerung ihrer Selbstverantwortung im Fokus der Verfahren. Es geht primär um die Identifikation von Stärken und Lernfeldern – eine direkte Karriereentscheidung ist an diese Development Center nicht geknüpft. Am Ende steht keine „Ja-Nein-Entscheidung“, sondern ein individueller, von den Teilnehmern selbst erstellter Entwicklungsplan. Die Übungen und Elemente des Development Centers und die Bewertung der Teilnehmer basieren auf den neu entwickelten Unternehmenswerten, den oben beschriebenen Guiding Principles. Wenn zum Beispiel das Kriterium „Nachhaltigkeit“ in Übungen erfasst wird, ist dies natürlich ein wichtiges Signal an die Belegschaft. Für die Führungskräfte, die als Beobachter fungieren, stellt das Development Center somit auch eine wichtige Möglichkeit dar, mit der Beobachtbarkeit der Guiding Principles vertraut zu werden und Best Practices für die Anwendung im Alltag mitzunehmen.
Im Sinne der Feedback-Kultur und der Selbstverantwortung der Teilnehmer wurden die klassischen diagnostischen Elemente – wie Rollenspiele oder Fallstudien – um Reflexions- und Feedback-Einheiten sowie Trainingselemente für Teilnehmer und Beobachter ergänzt. Ein Feedback-Training für die Teilnehmer bildet den Startpunkt der Verfahren. Es leistet einen wesentlichen Beitrag zur Förderung einer transparenten Feedback-Kultur – auch außerhalb des Development Centers.
Im IDC können die Teilnehmer darüber hinaus in einer speziellen Peer-Coaching-Einheit im Verlauf des Verfahrens selbstbestimmt gemeinsam an aktuellen Business-Themen arbeiten. Des Weiteren wird im IDC ein Persönlichkeitstest eingesetzt, zu dessen Ergebnissen die Teilnehmer eine individuelle Rückmeldung erhalten. Diese beiden Elemente werden nicht beobachtet, was wiederum die Selbstverantwortung der Teilnehmer stärkt und den Entwicklungsaspekt des Development Centers hervorhebt.
Auch das klassische Interview wurde im Rahmen der Neuausrichtung weiterentwickelt und durch einen sogenannten „Development Dialogue“ abgelöst. Hier geht es vor allem darum, dass die Teilnehmer über ihre Stärken und Lernfelder reflektieren und gemeinsam mit den Beobachtern überlegen, wie ihre berufliche Zukunft weiter ausgestaltet werden kann. Ganz im Sinne der Transparenz erhält der Teilnehmer bereits im Vorfeld des Gesprächs eine Reihe von Fragen und kann sich entsprechend vorbereiten. Jede Übung endet mit einer „Reflexionsrunde“. Hier erhalten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre Selbsteinschätzung der gerade gezeigten Leistung mit den Beobachtern zu teilen. Auch die Beobachter geben unmittelbar situativ Feedback, sodass die Teilnehmer bereits während des Development Centers von Übung zu Übung lernen können. Abschließend wird in einem „Sharing“ geteilt, was jeder aus der Übung für den beruflichen Alltag mitgenommen hat – die Beobachter werden im Sinne des Kulturwandels auch hier zu Mitlernenden.
Ziel: Persönlicher Entwicklungsplan
Die Teilnehmer halten in einem „Self-Reflection Booklet“ nach jeder Übung selbstverantwortlich ihre eigenen Stärken und Lernfelder fest. Ausgehend von dieser Selbsteinschätzung schreiben sie im Anschluss an das Development Center einen Entwurf für einen persönlichen Entwicklungsplan, den sie mit ihrem Vorgesetzten und HR-Verantwortlichen besprechen.
Die Beobachter schreiben parallel zum Development Center einen kurzen Bericht über die Stärken und Lernfelder des Teilnehmers – eine sogenannte „Feedback Summary“ –, welche der Teilnehmer am letzten Tag direkt auf einem USB-Stick mit nach Hause nehmen kann. Im Schreibprozess werden sie von ITB-Beratern und metrointernen Moderatoren unterstützt. Die Beobachter übernehmen so verstärkt Verantwortung für die Entwicklung der Teilnehmer – und lernen für den beruflichen Alltag das verhaltensnahe und präzise Niederschreiben von Beobachtungen. Führungskräfte werden dadurch gewissermaßen zu Personalentwicklern – ein weiteres Beispiel für den gelebten Kulturwandel.
Die Development Center stellen einen wesentlichen und wichtigen Baustein im Kanon der Leadership Development-Initiativen der Metro Group dar. Nominierungen für die Development Center erfolgen im Rahmen der „Leadership Talent Reviews“, in denen Potenziale in der Organisation identifiziert und Nachfolgepläne diskutiert und erstellt werden. Die Development Center spielen folglich eine gewichtige Rolle in der langfristig ausgerichteten Nachfolgeplanung für das gesamte Unternehmen. Nach dem Durchlaufen eines Development Centers ist für erfolgreiche Manager die Teilnahme in einem Leadership-Programm möglich. Dieses verfolgt das Ziel, Manager unterschiedlicher Ebenen strukturiert und nachhaltig zu fördern und so die Nachfolgeplanung in der Organisation weiter zu unterstützen.
Erfolgsfaktoren und Stolpersteine bei der Implementierung
Was waren rückblickend die zentralen Erfolgsfaktoren und mögliche Stolpersteine bei der Implementierung der neuen Development Center?
• Wichtig war und ist es, eine wertschätzende Atmosphäre zu gestalten und Mut zu einer Feedback-Kultur zu haben, in der jeder Einzelne als Experte der eigenen Stärken und Lernfelder angesehen wird.
• Entscheidend war und ist zudem, von vorneherein Beobachter auch auf höchster Führungsebene miteinzusetzen – diese werden so zu Botschaftern des Verfahrens.
• Die besonders anspruchsvolle Rolle der Beobachter beinhaltet, dass sie über das klassische Beobachten hinaus auch als Sparringspartner den Teilnehmern Feedback geben und die Kurzreports miterstellen. Diese verschiedenen Rollen gilt es im Verlauf des Verfahrens auszufüllen. ITB-Moderatoren und metrointerne HR Professionals stehen den Beobachtern daher unterstützend während des Prozesses zur Seite.
• Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des Verfahrens leistet die vertrauensvolle Zusammenarbeit und der enge Austausch zwischen den ITB-Beratern und den Personalverantwortlichen der Metro AG – in flexiblen Rollen: Der ITB-Berater ist Fachexperte, agiert aber auch als Prozessbegleiter und ist offen für Feedback in einem gemeinsam gestalteten Prozess. „Kulturwandel kann es nur geben, wenn alle Beteiligten bereit sind, diesen auch vorzuleben“, sagt Kristine Heilmann, Geschäftsführerin der ITB Consulting.
• Offenheit für Neues und Flexibilität im Prozess sind ebenfalls Erfolgsfaktoren. Ein Development Center zu entwickeln, welches einen Kulturwandel unterstützt, erfordert von allen Beteiligten den Mut, Fehler zu machen – und aus diesen dann auch zu lernen.
• Und schließlich sichert eine konsequente Ausrichtung an der Strategie und den aktuellen Business-Herausforderungen die Akzeptanz des Verfahrens.
Fragt man die Teilnehmer selbst, so schätzen Mitarbeiter und auch Führungskräfte insbesondere das Feedback nach jeder Übung, sowie das Netzwerken mit den Kollegen aus den anderen Ländern.
Der Erfolg von Development Center-Verfahren hängt von der gut durchdachten Einbettung in den strategischen Kontext eines Unternehmens ab. Gleichzeitig bieten solche Verfahren aber auch die Möglichkeit, strategische Botschaften ins Unternehmen zu tragen und diese damit verständlich und greifbar zu machen sowie einen Kulturwandel im Unternehmen weiter zu forcieren.
Autoren
Anke Terörde-Wilde, Gesellschafterin und HR Beraterin, ITB Consulting, Bonn,
anke.teroerde-wilde@itb-consulting.de
Pia Petruschke, HR-Beraterin, ITB Consulting, Bonn,
pia.petruschke@itb-consulting.de
Tomasz Kiewisz, Director Leadership & Talent Management,
METRO AG, Düsseldorf
Lisa Krauß, Specialist Leadership & Talent Management,
METRO AG, Düsseldorf
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