Ausgabe 10 - 2015
Global denken und handeln

Viele Unternehmen sind bereits international ausgerichtet. Dennoch werden Manager und Unternehmen zukünftig noch viel stärker global agieren müssen. Ein Global Mindset in den Köpfen und in der Organisation ist gefordert.
Als Global Mindset wird die Fähigkeit definiert, unterschiedliche Kulturen zu verstehen und diese miteinander in Einklang zu bringen. Der Begriff entwickelte sich aus dem „Think global, act local“-Dilemma: Viele Unternehmen stehen in einem Spannungsfeld zwischen globaler Standardisierung und lokaler Anpassung ihrer Produkte und Strategien. Ein Global Mindset umfasst die Erkenntnis, unterschiedlichen Kulturen und Märkten Offenheit und Bewusstsein entgegenbringen zu müssen. Darüber hinaus ist es auch der Hang und die Fähigkeit, zwischen diesen Verschiedenheiten zu vermitteln (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1
Ein Global Mindset ermitteln

Die Ermittlung eines Global Mindset ist im Wesentlichen dreistufig: Neben einer generellen Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Märkten geht es in einem zweiten Schritt darum, ein tieferes Verständnis darüber zu erzeugen, was schließlich in der Fähigkeit mündet, diese verschiedenen Kulturen und Märkte zu integrieren.
Bei international agierenden Managern spricht man dann von einem Global Mindset, wenn sie zum einen eine komplexe psychisch-kognitive Persönlichkeit aufweisen. Das heißt, sie können mannigfaltiges Wissen differenzieren und integrieren. Zum anderen besitzen sie eine kosmopolitische Orientierung.
Globales Denken auf verschiedenen Ebenen
Die wissenschaftliche Einordnung des Global Mindset hat ihren Ursprung in dem Informationsverarbeitungsansatz der Kognitionspsychologie. Demnach kommt es darauf an, wie der internationale beziehungsweise globale Manager die umgebende Umwelt wahrnimmt, wie er diese interpretiert und wie er in ihr sinnstiftend handelt. Die Entwicklung eines Global Mindset findet dabei auf verschiedenen Ebenen statt:
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auf individueller Ebene beziehungsweise auf Geschäftsführer- oder Vorstandsebene,
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auf der Ebene von Gruppen, zum Beispiel bei Topmanagement-Teams und
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auf der Ebene der Organisation als Ganzes.
Die Entwicklung und Kultivierung eines Global Mindset ist nicht nur auf große multinationale Unternehmen beschränkt, sondern wird auch für internationale kleine und mittlere Unternehmen, Hidden Champions und sogenannte Born Globals immer wichtiger.
In mehreren Studien ist ein positiver Zusammenhang zwischen einem Global Mindset und der organisationalen Effizienz festgestellt worden. Das heißt, ein Global Mindset verbessert nachhaltig die internationale Performance. Es ist der Schlüssel zu einem langfristigen Wettbewerbsvorteil, es wirkt sich positiv auf den unternehmerischen Erfolg aus und es führt zu einer erfolgreicheren Internationalisierung. Nun stellt sich die Frage, wie ein Unternehmen einerseits diagnostizieren kann, ob es über ein Global Mindset verfügt und wie ausgeprägt dieses ist, und wie eine Organisation andererseits ein Global Mindset kultivieren und implementieren kann.
Kontextuelle und kulturelle Intelligenz
Bei der Diagnose wird der innere und äußere Unternehmenskontext betrachtet. Hierbei stehen zunächst folgende Aspekte im Vordergrund: Was sind unsere Kernkompetenzen? Sind diese in andere Länder übertragbar? Neuere Untersuchungen sprechen hierbei von kontextueller Intelligenz, also davon, ob das Unternehmen sich an fremde Kontexte sowie Kulturen anpassen und seine Produkte gegebenenfalls modifizieren kann.
Anschließend wird überprüft, ob eine Einheit aus Organisationsstruktur, -kultur und -strategie besteht. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das Unternehmen eine kulturelle Intelligenz besitzt und ob es sich auf dem „kulturellen Minenfeld“ (Meyer 2014) erfolgreich bewegen kann, denn es ist für Manager nicht immer leicht, kulturelle Unterschiede zu überbrücken. Insbesondere der eigene Managementstil ist kulturell geprägt und für die Führungskraft über die Zeit zur Gewohnheit geworden. Ein solcher Managementstil lässt sich nur schwer verändern oder gar ablegen.
Als Nächstes werden die äußeren Rahmenbedingungen wie etwa das Markt- und Wettbewerbsumfeld betrachtet. Bowen und Javidan (2013) haben hierzu einen detaillierten Fragenkatalog entwickelt, an dem sich Unternehmen bei ihrer Selbstdiagnose ausrichten können:
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Sind wir ein globales Unternehmen?
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Welche Chancen sehen wir in fünf Jahren auf ausländischen Märkten und wo ist die Nachfrage?
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Werden in den nächsten Jahren vielfach Mitarbeiter außerhalb des Heimatlandes eingesetzt und umgekehrt Mitarbeiter aus anderen Ländern in der Unternehmenszentrale eingestellt?
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Werden Mitarbeiter vermehrt mit Mitarbeitern aus anderen Teilen der Welt zusammenarbeiten?
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Inwieweit werden ausländische Informationsquellen und Länderreporte von regionalkundigen Mitarbeitern analysiert?
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Ist das Top- und mittlere Management in der Lage, globale Chancen und Risiken angemessen zu bewerten?
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Sind Manager in der Lage, interkultureller Komplexität und Wertschöpfungsaktivitäten bei Angeboten, Mitarbeitern, Zulieferern und Kunden besser zu begegnen als die Wettbewerber?
Das Global Mindset kultivieren
Bisher veröffentlichte Studien sehen vor allem in den Unternehmenswerten, Missionen, Leitbildern, Identität und Visionen einen entscheidenden Erfolgsfaktor, um die Mitarbeiter durch Führung und Transparenz mit weltweiten Standards und allgemeinen Regularien auf ein gemeinsames Ziel einzustellen und so globale Konsistenz zu erzeugen. Die globale Orientierung des Topmanagements ist hierbei unerlässlich. Ebenso gehört ein hohes Maß an Diversität bei den Vorständen beziehungsweise Geschäftsführern zu den Erfolgsfaktoren.
Andere Experten gehen davon aus, dass sich das Global Mindset in einem stetigen nichtlinearen Prozess entwickelt und formt, wobei es von individuellen Denkmustern und kognitiven Fähigkeiten beeinflusst wird. Das heißt, dass auch Prozesse, Strukturen und Verhaltensmuster dem Prinzip der Kultivierung eines Global Mindset folgen müssen. Hierzu gehört auch, an Organisationsstrukturen, Organisationsprozessen, Richtlinien und Arbeitsanweisungen zu arbeiten, um mögliche Spannungen abzufedern.
Nach Gupta et al. (2008) hängen die Geschwindigkeit und die Entwicklung eines Global Mindset von vier Faktoren ab:
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von der Neugier über die Welt und Wahrnehmung und Interpretation, wie diese funktioniert,
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von der expliziten und selbstbewussten Artikulation des eigenen derzeitigen Mindsets,
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von dem Hang zur Diversität und der Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem sowie
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von dem Versuch, eine integrierte Perspektive zu entwickeln, welche die verschiedenen Wissensstränge über verschiedene Kulturen und unbekannte Märkte zusammenführt.
Gefördert wird die Kultivierung beispielsweise durch die Rekrutierung von Nachwuchskräften mit einer ausgeprägten Neugier an internationalen Herausforderungen und dem Bewusstsein für den Wandel. Generell müssen Manager in der Lage sein, Kulturen und Märkte zu verstehen, sich auf internationalem Parkett zu bewegen. Internationale Erfahrungen lassen sich über Job-Rotation-Programme unterstützen oder auch über die Integration von Expatriates an neuralgischen Punkten in der Unternehmensstruktur. Weiterhin sollte es eine Vielzahl von Möglichkeiten geben, sich in internationale Projekte einzubringen, was beispielsweise durch Matrix-Strukturen erleichtert wird. Auf Arbeitsebene bedeutet dies etwa das Pooling von Wissen über modulare Netzwerke und Communities of Practice. Generell müssen auch Budgets für globale Angelegenheiten bereitgestellt werden.
Den Mentalitätswandel herbeiführen
Für die Umsetzung stoßen Organisationen beispielsweise ein Audit und einen kollektiven Bewertungsprozess an, die an die Strukturen und Prozesse im Unternehmen angepasst sein müssen. Mit anderen Worten: Die Organisation muss reflektieren, wo sie steht und wohin der eingeschlagene Weg führen soll. Berücksichtigt werden hier etwa das Headquarter Mindset, interne und externe Stakeholder-Wahrnehmungen, vergangene Erfahrungen, Konflikte und Koordinationsprobleme zwischen Zentrale und Niederlassungen.
Das Unternehmen erarbeitet dies in einem gemeinsamen Sinnstiftungsprozess über Großgruppen, Fokusgruppen und Einzelgespräche unter Einbindung der vom Wandel betroffenen Stakeholder-Gruppen. Weiterhin geben interkulturelle Sensitivitätsfragebögen Aufschluss über ein gemeinsames Verständnis und ein mögliches Umdenken. Weitere Möglichkeiten sind Assessments wie zum Beispiel das CAGE Distanz Tool von Ghemawat sowie die Kultivierung auf Strategie-, Struktur- und HR-Ebene durch geeignete Maßnahmen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Maßnahmenebenen

Zur Kultivierung eines Global Mindset existiert eine Vielzahl von Maßnahmen. Die praktische Umsetzung hängt dabei von der jeweiligen Ebene ab (Strategie und Führung, Struktur und Organisation, HR).
Widerstände und Ängste überwinden
Die Implementierung eines Global Mindset erfordert angemessene Organisationsentwicklungsmaßnahmen und Steuerungssysteme, einen geregelten Austausch von Mitarbeitern in internationalen Märkten und Kontexten und die effektive Interaktion zwischen Zentrale und Auslandstöchtern. Behindert wird die Implementierung auf individueller Ebene häufig durch Sprachbarrieren, individuelle Ängste und Widerstände, sich nicht auf kulturelle Diversität einzustellen, und vor allem durch einen Führungsstil, der das Global Mindset nicht vorlebt. Hinzu kommen soziale Konflikte und strukturelle Hemmnisse. Demnach sind hier insbesondere eine Kultur gegenseitigen Vertrauens und offene Kommunikationskanäle förderlich. Ein ausgeglichener Top-down-Prozess und ständige Kommunikation und Interaktion über das mittlere Management (middleup) sind zur Implementierung unerlässlich. So lässt sich schließlich eine neue international ausgerichtete Identität mit einer gemeinsamen Sinnstiftung erreichen.
Bowen, David/Javidan, Mansour: The ‚Global Mindset‘ of Managers. What It Is, Why It Matters, and How to Develop It, in Organizational Dynamics, 4/2013.
Ghemawat, Pankaj: For Corporate Cosmopolitanism, Start at the Top, in Harvard Business Review, 7/2013.
Gupta et al.: The Quest for Global Dominance: Transforming Global Presence into Global Competitive Advantage, San Francisco 2008.
Hanke, Thomas/Hruby, Jörg: Mindsets für das Management. Überblick und Bedeutung für Unternehmen und Organisationen, Wiesbaden 2014.
Hruby, Jörg: Das Global Mindset von Managern, Wiesbaden 2013.
Meyer, Erin: Navigating the Cultural Minefield. Learn how to work more effectively with people from other countries, in Harvard Business Review, 5/2014.
Autoren
Dr. Thomas Hanke, Hochschullehrer, FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Essen,
thomas.hanke@web.de
Dr. Jörg Hruby, Management Board, Steinbeis-Beratungszentrum Global Mindset und Leadership, Düsseldorf,
J.Hruby@gmx.de
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