Ausgabe 10 - 2015
Digital und mobil zu begehrten Kandidaten

Die Nutzung von mobilen Endgeräten nimmt rasant zu und hat bereits in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens Einzug gehalten. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Arbeitswelt und die Rekrutierung von Fachkräften? Eine aktuelle Stepstone-Studie befasst sich mit den wichtigsten Trends rund um Arbeiten 4.0 und Recruiting.
Das Internet macht die Welt zum sprichwörtlichen Dorf, in dem Grenzen in Raum und Zeit kaum noch Bedeutung haben. Vieles ist nur noch ein paar Klicks entfernt. Die Megatrends Digitalisierung und Globalisierung haben auch die Arbeitswelt bereits nachhaltig beeinflusst. Wie können Personalverantwortliche diese Entwicklung nutzen, um Spezialisten für das eigene Unternehmen zu gewinnen? Die jüngst veröffentlichte Stepstone Trendstudie befasst sich unter anderem mit dieser Fragestellung – mit dem Ziel, ein möglichst klares Bild von Trends am Arbeitsmarkt, den Bedürfnissen von Fachkräften und der Situation von Personalverantwortlichen zu erhalten. Für die umfassende Studie befragte die Online-Jobbörse im Frühjahr 2015 17 000 Fach- und Führungskräfte sowie 1000 Unternehmen.
Digital erhöht Arbeitstempo
Der Berufsalltag von Fachkräften ist heute bereits überwiegend digital – und dadurch in der Regel hoch komplex. Schon jetzt nutzen rund zwei Drittel aller Beschäftigten einen Computer, jeder Zweite bewegt sich beruflich im Internet. Das erleichtert das Arbeiten, hebt Grenzen auf, bringt aber auch Veränderungen und Herausforderungen mit sich. Wie die Stepstone-Studie zeigt, stellt mehr als die Hälfte der Fachkräfte darüber hinaus ein höheres Arbeitstempo sowie steigende Anforderungen seitens des Arbeitgebers fest. Ein Blick auf das aktuelle Arbeitspensum einer durchschnittlichen Fachkraft in Deutschland zeigt: Sie arbeitet 8,5 Stunden täglich und verbringt 17 Tage im Jahr auf Geschäftsreisen. Gut jeder Zehnte arbeitet sogar mehr als zehn Stunden, bekommt täglich mehr als 50 E-Mails und führt bis zu 50 Telefonate. Jede fünfte Fachkraft kommuniziert für zwei Stunden pro Tag in einer Fremdsprache. Jeder Dritte verbringt täglich mindestens zwei Stunden seiner Arbeitszeit in Meetings (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1
Fakten im Arbeitsalltag und deren Zunahme im Arbeitsleben

Das Arbeitstempo sowie die Anforderungen des Unternehmens an einen Mitarbeiter haben sich durch die Digitalisierung erhöht.
Im Jahr 2020 sollen weltweit 50 Milliarden intelligente Geräte am Netz hängen. Durch diese Entwicklung ändern sich auch die Ansprüche an Arbeitnehmer. In der voll vernetzten Industrie 4.0 braucht es künftig sehr gut ausgebildete Experten, die sowohl über Produktions- als auch über Digitalwissen verfügen und ihre komplexen mechanischen Kollegen kontrollieren können. Und angesichts der immer stärker wachsenden Datenmengen in den Betrieben stehen Spezialisten hoch im Kurs, die in der Lage sind, aus den gesammelten Informationen wertvolles Wissen zu generieren. Diese Entwicklungen sind spannend und revolutionär, bedeuten aber auch einen Umbruch für unser alltägliches Leben, die Arbeitswelt und die Personalsuche.
Gesuchte Experten haben hohe Ansprüche
Mit den veränderten Ansprüchen an Fachkräfte wachsen auch die Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen. Mitarbeiter mit Spezialwissen und einem geforderten Maß an Effizienz sind rar. Schon jetzt sagen drei Viertel der Personalverantwortlichen, dass ihre größte Herausforderung darin bestehe, geeignete Kandidaten für ihre vakanten Positionen zu finden. Unternehmen müssen demnach ihre Recruiting-Strategie an die aktuellen Bedingungen des Arbeitsmarktes und die in der Folge gestiegene Erwartungshaltung der Kandidaten anpassen. Unerlässlich ist etwa das Wissen um die Ansprüche der Fachkräfte an einen Job und Arbeitgeber, um genau dort mit passenden Maßnahmen und Botschaften anzusetzen.
Mehr als jeder zweite HR-Verantwortliche empfindet es heute als Herausforderung, die Gehaltsvorstellungen der Kandidaten zu erfüllen, ebenso viele nennen diesbezüglich die Anforderungen der Kandidaten an die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen. Vorstellungen zu flexiblen Arbeitszeiten zu erfüllen, liegt mit 38 Prozent auf Platz drei der Herausforderungen aus Personaler-Sicht. Den Wünschen auf Kandidatenseite entgegenzukommen ist das eine – sie gilt es jedoch zusätzlich auch mit den Interessen auf Arbeitgeberseite zusammenzubringen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Bewerberanforderungen und Herausforderungen für Recruiter

Beim Recruiting ist das Wissen um die Ansprüche der Fachkräfte an Job und Arbeitgeber unerlässlich, um genau dort mit passenden Maßnahmen und Botschaften anzusetzen.
Gehalt bei Young Professionals eher zweitrangig
Das Ziel, der perfekte Arbeitgeber für den perfekten Kandidaten zu sein, rückt näher, je mehr Übereinstimmungen es zwischen beiden gibt. Aus Sicht der für die Studie befragten Young Professionals zwischen 18 und 22 Jahren machen den perfekten Arbeitsplatz folgende Attribute aus: ein gutes Verhältnis zu den Kollegen, die Arbeitsinhalte, klar definierte Anforderungen und Ziele sowie Entwicklungsmöglichkeiten. Ein gutes Gehalt folgt in der Hierarchie der Favoriten vergleichsweise spät. Bemerkenswert: Berufseinsteiger räumen der Jobsicherheit und einem positiven Unternehmensimage eine wesentlich höhere Priorität ein als berufserfahrene Fachkräfte. Fazit aus diesen Erkenntnissen: Die Fachkräfte von morgen fühlen sich im Schnitt eher zu Unternehmen hingezogen, die ihre Mitarbeiter individuell fördern und eine passende Arbeitsatmosphäre bieten – und nicht unbedingt zu denen, die am meisten zahlen.
Loyalität war gestern
Doch wie kommuniziert ein Arbeitgeber seine Vorzüge am besten an potenzielle neue Mitarbeiter? Die Online-Stellenanzeige ist nicht nur das Recruiting-Tool Nummer eins, sondern für Jobsuchende auch oft der erste Kontaktpunkt mit Arbeitgebern. Sie sollte daher zum einen bereits sämtliche für den Bewerber relevanten Informationen umfangreich, übersichtlich und transparent kommunizieren, denn für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Zum anderen empfiehlt es sich, den Zugang zum Unternehmen so unkompliziert wie möglich zu gestalten, also kurz und ohne viel Aufwand seitens des Bewerbers. Je detaillierter sich dieser informiert fühlt und je niedriger die Hürde ist, mit dem Unternehmen von Interesse in Kontakt zu treten, desto wahrscheinlicher ist der nächste Schritt in Richtung Bewerbung.
Was zunächst klingt wie zusätzliche Anforderungen an das Recruiting, birgt vor allem aber Chancen. Selten waren Arbeitnehmer so offen für neue Karriereperspektiven wie heute. Wie die Trendstudie zeigt, ist die Dynamik am Fachkräftemarkt außerordentlich hoch. 87 Prozent der befragten Fachkräfte zeigen sich grundsätzlich offen für einen neuen Job. 56 Prozent sind sogar bereit, für eine neue Stelle umzuziehen. Arbeitgeber können keine Loyalität erwarten, sondern müssen sich vielmehr ins Zeug legen: Gründe, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, sehen 75 Prozent der befragten Fachkräfte in der Perspektive, sich woanders besser persönlich weiterentwickeln zu können. Ein höheres Gehalt gaben zwei Drittel als Grund für einen möglichen Jobwechsel an (60 Prozent). 53 Prozent streben nach mehr Anerkennung, 51 Prozent wünschen sich eine Perspektive.
Mobilität zunutze machen
Dabei beschränkt sich die Flexibilität von Fachkräften nicht nur auf die Möglichkeit der Weiterentwicklung im Inland: 44 Prozent sind heute bereit, für einen Job ins Ausland zu gehen. Im Umkehrschluss bedeutet das für HR-Verantwortliche, dass sie sich nicht nur deutschlandweit, sondern international im Wettbewerb um die Top-Fachkräfte befinden. Eine Ausweitung der Recruiting-Maßnahmen über die Landesgrenzen hinaus kann durchaus sinnvoll sein. Auch dabei profitieren Unternehmen wie Fachkräfte von der sich ausweitenden Digitalisierung des Arbeitsmarktes: Via Internet lassen sich beide Seiten mit wenig Aufwand zusammenbringen.
Die zunehmende Mobilität zeigt sich auch im Nutzungsverhalten der Kandidaten: Aktuell besitzen 44 Millionen Menschen ein Smartphone, zwei Drittel setzen es bereits für die Jobsuche ein. Die hoch qualifizierten Digital Natives informieren sich immer häufiger von unterwegs über passende Jobs. Sie möchten interessante Stellenangebote in Echtzeit erhalten und speichern sowie zunehmend auch direkt via Smartphone Kontakt mit den Unternehmen aufnehmen. Dadurch gewinnt vor allem die Möglichkeit einer mobilen Bewerbung immer stärker an Bedeutung. Unternehmen sollten sich also die Frage stellen, ob alle möglichen Kontaktpunkte mit potenziellen Mitarbeitern optimal gestaltet sind. Lassen sich die Unternehmenswebsite und alle nötigen Infos auch über mobile Endgeräte optimal darstellen? Sind Kontaktaufnahme und Bewerbungsprozess für Kandidaten schnell und unkompliziert auch über das Smartphone möglich?
Kein Zweifel: Die Zukunft ist mobil und digital. Und genau das können sich Personaler zunutze machen. Die Vorteile sind vielfältig: Kommunikation in Echtzeit, örtliche Unabhängigkeit, die Möglichkeit des direkten und einfachen Kontaktes mit Bewerbern. Fazit: Wer die Ansprüche der Kandidaten in puncto Arbeitsplatz und Kontaktaufnahme erfüllen kann, wird heute und in Zukunft von einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil im War for Talents profitieren.
Über die Studie
Die Stepstone Trendstudie basiert auf einer Online-Umfrage, die im Frühjahr 2015 durchgeführt wurde und an der mehr als 17 000 Fach- und Führungskräfte sowie 1000 Personalverantwortliche in Unternehmen teilgenommen haben. Mehr als zwei Drittel der befragten Arbeitnehmer (70 Prozent) sind Fachkräfte und Spezialisten, rund 30 Prozent Führungskräfte. Bei 57 Prozent der Umfrageteilnehmer handelt es sich um Männer, bei 43 Prozent um Frauen. Die Studie wurde berufsgruppenübergreifend sowohl unter erfahrenen Fachkräften wie auch unter Berufseinsteigern durchgeführt.
Autor
Sascha Coenen, Experte Recruiting und Arbeitsmarkt, StepStone Deutschland GmbH, Düsseldorf,
sascha.coenen@stepstone.de
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