Ausgabe 10 - 2015
„Alles kann Führung nicht lösen“

Wie gut funktioniert Führung in deutschen Unternehmen? Antworten dazu liefert die aktuelle Studie „Deutschland führt?!“ des Beratungshauses Information Factory. Wir sprachen mit der Geschäftsführerin Claudia Conrads über die Herausforderungen der Mitarbeiterführung.
Personalwirtschaft: Führungskräfte gelten als Heilsbringer, müssen aber nicht selten auch als Sündenbock herhalten. Was macht eine gute Führungskraft aus?
Claudia Conrads: Führungskräfte sollten sich weder als Lichtgestalt stilisieren noch im Büßerhemd durch die Gänge laufen. Die Studie zeigt, dass von Führungskräften vor allem sozial-kommunikative Fähigkeiten erwartet werden. Zu den Top-Skills gehört an erster Stelle die Fähigkeit, mit Mitarbeitern erfolgreich zu kommunizieren. Als zweiter Stelle wird die Fähigkeit genannt, die Belange der Mitarbeiter zu verstehen. Es geht aber auch um fachliche Kompetenz. Sie wird an dritter Stelle genannt. Gute Führung verinnerlicht Mitarbeiterorientierung und Verantwortung. Das umzusetzen, wird aufgrund der veränderten Arbeitswelt aber immer anspruchsvoller.
Ein Anspruch, an dem die Führungskräfte nicht selten scheitern. Ihre Studie zeigt, dass Selbst- und Fremdbild zum Teil weit auseinanderklaffen.
Das Selbst- und Fremdbild stimmt bei vielen Menschen nicht überein. Wir haben alle unsere blinden Flecken. Und Führungskräfte haben es aufgrund ihrer exponierten Stellung besonders schwer. Aber es ist problematisch, wenn sich die Führungskräfte bei zentralen Führungsthemen überschätzen. Aus ihrer Sicht klappt die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern, kennen die Mitarbeiter ihre Ziele und sie geben auch regelmäßiges Feedback. Die befragten Mitarbeiter sehen das aber deutlich anders, bemängeln die Wirksamkeit der Zusammenarbeit, vermissen klare Ziele und regelmäßige Rückmeldungen. Dabei finden die Zielvereinbarungsgespräche durchaus statt, aber offensichtlich nicht so, wie sich die Mitarbeiter das vorstellen.
Was läuft schief?
Das Zielvereinbarungsgespräch sollte ein motivierendes Gespräch sein. Man muss sich gut vorbereiten und für einen längeren Zeitraum nach hinten und vor allem auch nach vorne blicken. Die Führungskräfte wissen das, aber sie sind vermutlich zeitlich überfordert. Oft sind Mitarbeitergespräche ein rein administrativer Akt, der zweimal im Jahr mehr schlecht als recht erledigt wird.
Stößt die Personalentwicklung mit ihren Programmen an ihre Grenzen?
Sowohl die Führungskräfte als auch die Personalentwickler sind insgesamt mit den bestehenden Führungskräfteentwicklungsprogrammen nicht zufrieden, wie unsere Studie belegt. HR muss die Führungsprogramme auf ihre Wirksamkeit prüfen und die Bedürfnisse von Führungskräften in den Blick nehmen. Nicht alle Instrumente sind für alle gut. Neben den grundlegenden Führungskräfteprogrammen sollten die Unternehmen auch Führungskräfte-Coaching anbieten, um den Führungsalltag reflektieren zu können. Das muss nicht unbedingt über externes Coaching geschehen. Ein kollegialer Austausch über den Führungsalltag ist auch sehr hilfreich. Denn Führung wird nicht gelernt, sondern gelebt.
Führungskräfte sollen Teams zu mehr Leistung motivieren. Klappt das?
Unsere Studie zeigt, dass nur 45 Prozent der Mitarbeiter Freude an der Arbeit haben. Dieser Wert liegt über dem von Gallup, ist aber immer noch nicht gut. Aus demotivierten Mitarbeitern entsteht kein leistungsfähiges Team. Deshalb brauchen die Unternehmen glaubwürdige Führungskräfte, die Menschen mitnehmen können. Eine transformationale Führungskraft kann das. Aber sie muss auch transaktional funktionieren, Feedback geben. Auf Kongressen geht es vielfach darum, Mitarbeiter über Belohnungen und Geschenke zu motivieren, eine Wellnessoase zu schaffen. Das wird so nicht funktionieren. Führungskräfte sind nicht dazu da, Mitarbeiter glücklich zu machen. Es geht um Ergebnisse. Führung muss deshalb in der Lage sein, die Kraft der Mitarbeiter zu entfalten, sie ihren Fähigkeiten entsprechend richtig einzusetzen, ihnen Gestaltungsfreiräume zu geben. Vielfach sind die Mitarbeiter eher unter- statt überfordert.
Also doch der Heilsbringer?
Führung ist anspruchsvoller geworden. Es ist nicht immer leicht, die Geschäftsstrategie zu operationalisieren und auf die Mitarbeiterebene herunterzubrechen und die Sinnhaftigkeit herauszuarbeiten. Das hat viel mit Führung, aber auch mit der persönlichen Einstellung der Mitarbeiter zu tun. Alles kann Führung nicht lösen.
Autor
Das Interview führte Erwin Stickling.
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