Geld ist nicht alles

Vom Kita-Zuschuss bis zum Sachbezug: Arbeitgeber haben viele Möglichkeiten, Gehaltszahlungen unter steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten zu optimieren und die Mitarbeiterbindung zu erhöhen. Scheu vor zusätzlichem Verwaltungsaufwand muss man nicht haben, wie das Beispiel Proinnovera zeigt.
Dr. Burkhard Breuer ist promovierter Biologe und kennt sich als solcher mit der Funktion biologischer Organismen aus. In seiner Eigenschaft als Arbeitgeber weiß er auch um die Eigendynamik sozialer Individuen in dem Biotop Unternehmen. „Ich kann meine Mitarbeiter nicht motivieren, denn Motivation kommt von innen. Aber ich kann sie inspirieren, sodass Begeisterung für das gemeinsame Ziel entsteht“, sagt Breuer. Diese innerliche Begeisterung könne man auch durch äußere Rahmenbedingungen anfachen. „Das ist dann echte intrinsische Motivation. Eine Triebkraft, die von innen kommt“, so Breuer.
Breuers anthroposophische Sichtweise erscheint auch aus unternehmerischer Sicht nachvollziehbar, wenn man einen Blick auf seine Firma Proinnovera wirft. Der Auftragsdienstleister für klinische Forschung und Entwicklung arbeitet für das Who’s who der globalen Pharmabranche und benötigt hoch qualifiziertes Personal, das nicht bei dem erstbesten Angebot zum nächsten Arbeitgeber weiterzieht. Bei Proinnovera arbeiten 100 Angestellte, unter ihnen sowohl promovierte Mediziner als auch Biologen und Statistiker. Breuer, Geschäftsführer und Inhaber des Unternehmens, bot seinen Mitarbeitern von daher von Beginn an Mehrwerte zur reinen Gehaltszahlung, „um meinen Angestellten etwas Gutes zu tun und ihre Bindung und Loyalität zu erhöhen“, erklärt er.
Eine klassische Win-win-Situation
Hierzu gehörten etwa betriebliche Altersvorsorge, professionelle Massagen während der Arbeitszeit oder Essenszuschüsse. Das Problem: „Viele Leistungen waren nur begrenzt sichtbar und gehen damit sprichwörtlich aus den Augen und aus dem Sinn.“ Die Verwaltung erfolgte papiergestützt und die Abbildung lediglich über die monatliche Gehaltsabrechnung. Hier sah der Mitarbeiter beispielsweise den monatlichen Zuschuss des Arbeitgebers zur Altersvorsorge. Wollte er die kumulierten Werte erfahren, mussten diese erst umständlich über die Produktanbieter angefordert werden. „Einmal im Jahr gibt es dann von der Versicherung eine Übersicht zur betrieblichen Altersvorsoge. Aber diese ist meist eher unverständlich“, sagt Afra Dimetros, Human-Resources-Managerin bei Proinnovera. „Das heftet man schnell ab und vergisst es genauso schnell wieder“, beschreibt sie den lange Zeit üblichen Gang der Dinge. Dabei sind steuerlich begünstigte Zusatzleistungen für Mitarbeiter wie Arbeitgeber grundsätzlich hoch attraktiv. Bei der Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge beispielsweise spart der Arbeitnehmer, da auf die monatlichen Beiträge weder Steuern noch Sozialabgaben gezahlt werden müssen. Auch Sachbezüge bis 44 Euro monatlich oder die Übernahme von Kita-Gebühren des Arbeitnehmers bleiben steuer- und sozialabgabenfrei. „Damit sind Nebenleistungen ein wichtiges Tool, um Gehaltserhöhungen attraktiv zu gestalten und die kalte Progression auszubremsen“, sagt Breuer. Nicht minder wichtig: Der Arbeitgeber spart seinen Anteil zur Sozialversicherung in vielen Fällen ebenfalls – eine klassische Win-win-Situation.
Web-Plattform bietet Hilfestellung
„Das Steuerrecht begünstigt eine Vielzahl von Nebenleistungen“, sagt Sven Janßen, Geschäftsführer der Beeline Solutions. „Gerade kleine und mittelständische Arbeitgeber scheuen aber oft den damit einhergehenden Verwaltungsaufwand und verlieren so an Boden im Wettbewerb um gutes Personal.“ Genau hier setzt das Start-up aus dem westfälischen Münster an: Das Unternehmen hat eine Software-as-a-Service-Lösung (SaaS) geschaffen, mit der Arbeitgeber die Potenziale steuerlich begünstigter und von Sozialabgaben befreiter Zusatzleistungen zum Gehalt für ihre Mitarbeiter erschließen und ausschöpfen können. Im Sinne einer „Ideallinie“ – Beeline heißt auf Deutsch „Luftlinie“ – soll die höchstmögliche Wertschöpfung und Kaufkraft für den Mitarbeiter erzielt werden.
So auch bei Proinnovera: Im Sommer 2014 wurde das unternehmensspezifische, webbasierte „Beeline Benefit-Portal“ für das Unternehmen mit anfangs sechs Bausteinen eingerichtet. Zum monatlichen Essenszuschuss und dem Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersvorsorge kamen Zuschüsse für die Internetnutzung, Gesundheitsvorsorge, Werbeflächen auf Privat-PKW und der Sachbezug in Höhe von monatlich 44 Euro.
Mehr noch: Beeline erhält grundsätzlich keine Vergütung von Lieferanten, sondern versucht für Unternehmen und Mitarbeiter bestmögliche Konditionen auszuhandeln. So kommen Mitarbeiter in den Genuss provisionsfreier Direktversicherungen in der betrieblichen Altersvorsorge. Insgesamt kann ein Proinnovera-Mitarbeiter damit steuer- und sozialabgabenfreie Mehrwerte von bis zu mehreren hundert Euro monatlich realisieren.
Geld für sich arbeiten sehen
„Unsere Mitarbeiter können sich jederzeit in das Portal einloggen und sehen, was ihr Arbeitgeber zusätzlich zum Gehalt für sie tut“, sagt Personalmanagerin Dimetros. Dabei können etwa Stand und Entwicklung der betrieblichen Altersvorsorge tagesaktuell angezeigt werden. „Sie sehen das Geld buchstäblich arbeiten“, erklärt Marc Augustin, der das Portal auf Seiten von Proinnovera betreut. Dabei sei der Implementierungs- und Schulungsaufwand bei Einführung des Unternehmensportals denkbar gering gewesen. „Jeder, der einen privaten E-Mail-Account hat oder Kunde eines Online-Versandhändlers ist, findet sich spielend im Beeline Benefit-Portal zurecht“, verdeutlicht Augustin. Wer über ein Smartphone mit Kamerafunktion verfügt, kann Belege über die Verwendung des monatlichen Sachbezugs direkt nach dem Kauf abfotografieren und über den Browser seines Handys im Benefit-Portal hochladen. Die Erstattung erfolgt automatisch mit der nächsten Gehaltsabrechnung. „Das Webportal wickelt die Gutschrift ab und macht den Mehrwert sofort sichtbar“, sagt Dimetros. In naher Zukunft wird dieser Prozess durch eine Smartphone-App noch abgekürzt.
Für den Fall, dass der Anwender keinen Beleg hochlädt, liefert das System am Monatsende automatisch einen Gutschein eines Online-Versandhändlers in Höhe des jeweiligen Anspruchs. Der Gutschein lässt sich aber auch anstelle des Beleges gezielt vom Mitarbeiter aktivieren und steht ihm dann in Echtzeit zur Verfügung. Der Vorteil: Gutscheine lassen sich ansammeln, sodass im Laufe eines Jahres schnell der Gegenwert eines neuen Notebooks oder Fernsehers zusammenkommt.
Mitarbeiter kommunizieren auch untereinander
Ein gutes halbes Jahr nach Einführung des Unternehmensportals ziehen Geschäftsführung und Mitarbeiter der Proinnovera GmbH ein rundum positives Fazit: „Das Portal zahlt sich für beide Seiten aus, sowohl finanziell als auch ideell“, sagt Breuer. „Ich als Arbeitgeber spare Lohnnebenkosten, der Mitarbeiter Steuern und Sozialabgaben. Für die Personalabteilung wird der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert und zudem entfallen bei der betrieblichen Altersvorsorge Abschluss- und Bestandsprovisionen in vierstelliger Höhe pro Vertrag, die dem Mitarbeiter zugute kommen.“ Gleichzeitig steige die Identifikation mit dem Arbeitgeber und Proinnovera gewinne im Wettbewerb um Fachkräfte an Attraktivität.
Ein praktischer Nebeneffekt: Das Portal dient auch der Kommunikation der Mitarbeiter untereinander. Informationen zur Weihnachtsfeier, gemeinsamen Bowlingabenden oder Ausflügen auf die Kartbahn können über das Beeline-Webportal verbreitet und Anmeldungen hierüber verwaltet werden. „Der Mitarbeiter sucht ja ohnehin regelmäßig die Website auf, um sich zu informieren.“ Da liege es nahe, auch Organisatorisches teamintern über das Portal abzuwickeln. Damit ermöglicht Beeline dem Mitarbeiter nicht nur ein attraktives Leistungsprogramm, sondern auch ein Social Intranet. „Es gibt noch so viele Möglichkeiten“, lacht Breuer. Man müsse sie nur nutzen.
Autor
Carsten Hinnah, Wirtschaftsjournalist, Münster,
hinnah@sputnik-agentur.de
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