Ausgabe 10 - 2016
Change Management in der Altersvorsorge

Viele Unternehmen bauen ihre bAV-Systeme um. Gerade für Konzerne ist dies eine besondere Herausforderung. Das Beispiel Syngenta zeigt, wie der bAV-Umbau mit gutem Projektmanagement gelingen kann.
Im Zuge der HR-Transformation von der klassischen Personalabteilung hin zu einer prozessorientierten HR-Business-Partner- und HR-Service-Organisation und dem damit verbundenen Strukturwandel mit ausgelagerten Prozessen und Services wurde das Thema betriebliche Altersvorsorge sowie Nebenleistungen bei Syngenta strategisch und im Design neu betrachtet. Eine weitere komplexe Aufgabe bestand in der Einführung einer vor der HR-Transformation entwickelten, aber bisher noch nicht implementierten Versorgungsordnung.
Bedingt durch die Unternehmenshistorie und hohe Komplexität in den Versorgungswerken existierten besondere Herausforderungen:
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HR-Fluktuation und Wissensverlust,
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Unklarheiten bei den Versorgungsregelungen und Ansprüchen,
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fehlerhafte Daten in Versorgungs- und Abrechnungssystemen.
Hierdurch existierte ein arbeitsrechtliches und finanzielles Risiko für das Unternehmen und eine Unzufriedenheit bei Mitarbeitern und dem Management. Versorgungsbezieher beklagten sich über fehlerhafte Abrechnungen und Rentenerhöhungen, die nicht zeitgerecht durchgeführt wurden. Innerhalb des globalen HR-Services-Modells wurde diese Personengruppe nicht mehr ausreichend berücksichtigt.
Zusätzlich musste die Implementierung des neuen Designs einer beitragsorientierten Altersvorsorge abgeschlossen werden. Diese wurde auf aufgrund von Personalwechseln nicht vollständig implementiert. Das vollumfängliche Hintergrundwissen lag ausschließlich beim externen bAV-Berater. Somit galt es auch hier den entsprechenden Wissenstransfer sicherzustellen.
Projektorganisation
Zur Bewältigung der vorgenannten Herausforderungen und zur Wiederherstellung des Mitarbeitervertrauens wurde ein entsprechendes Projekt zur Neustrukturierung der bAV für Deutschland initiiert. Mithilfe einer straffen Projektorganisation sollte eine ganzheitliche Analyse und konsequente Umsetzung von Lösungen in einem definierten Zeitrahmen erreicht werden.
Bei der Planung und der Zusammenstellung der Projektorganisation stellten sich mehrere erfolgskritische Fragen:
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Welche internen Kapazitäten und Kenntnisse stehen zur Verfügung?
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Wie spielen drei bAV-Beratungen zusammen?
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Wie sind die Verantwortlichkeiten innerhalb der HR Funktion geklärt?
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Wie soll die Einbindung der Betriebsräte erfolgen?
Ein stringentes und nachhaltiges Projektmanagement sollte die Antwort auf diese Fragen sein. Durch dieses Projektmanagement sollte darüber hinaus die Glaubwürdigkeit bei den Interessengruppen verbessert werden. Zusätzlich sollte die Koordination der eingeschränkten HR-Ressourcen, der drei baV-Beratungen sowie aller internen Stakeholder (Management, Betriebsräte, Headquarter, Finance, Procurement et cetera) gewährleistet werden.
Die Projektsteuerung wurde durch einen externen Interim Manager durchgeführt.
Warum ein externer Interim Manager? Die Entscheidung, einen externen Projektleiter (Interim Manager) zu engagieren, wurde vor dem Hintergrund getroffen, dass man durch eine dezidierte Ressource mit Erfahrungen im Projektmanagement und Fachkenntnisse eine ziel- und lösungsorientierte Umsetzung sicherstellen wollte. Fähigkeiten im Change Management waren hier erforderlich. Der Interim Manager agiert, im Gegensatz zu eigenen Ressourcen, ohne durch konzernpolitische Überlegungen gehemmt zu sein. Mit der Beauftragung der RunningHR, die sich auf dem Gebiet HR Interim Management und Projektsteuerung spezialisiert hat, konnten diese Anforderungen erfüllt werden.
Das Projekt wurde neben dem Projektmanagement in vier Teilprojekte untergliedert:
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Pension Inventory (Bestandsaufnahme, Schwachstellenanalyse)
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Remedial Actions (Lösungsentwicklung und Umsetzung aus Inventory)
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Pension Plan (finale Umsetzung der beitragsorientierten bAV)
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Benefit Process Outsourcing (Auslagerung der Benefit Administration)
Abbildung
Pension-Projektorganisation

Der Umbau der bAV bei Syngenta erfolgte in fünf Teilprojekten und wurde durch ein externes Projektmanagement gesteuert.
Pension Inventory
Die Teilprojekte „Pension Inventory“ und „Remedial Actions“ beschäftigten sich im Kern mit der Bestandsaufnahme der baV, Analyse der Risiken sowie der Entwicklung von entsprechenden Lösungen. Hierbei wurde die Prüfung der Mitarbeiterzusagen und der bestehenden Versorgungspläne vorgenommen. Dies hat geholfen, die arbeitsrechtlichen, finanziellen und bilanziellen Risiken zu bestimmen und einzugrenzen. Die größte Schwierigkeit hierbei war die korrekte Ermittlung von Versorgungsansprüchen. Dieses war insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten Administrations-Outsourcing wichtig, da hierfür eine saubere Datenlage die Grundlage bildet.
Der Teil Remedial Actions hat sich den Lösungen aus dem Inventory gewidmet.
Im Rahmen der Aufarbeitung wurden gemeinsam mit den Betriebsräten Vereinbarungen getroffen, die es erlaubten, entstandene Nachteile für Mitarbeiter auszugleichen. Aufgrund der Anzahl der Fehler aus der Historie hatte dies auf der einen Seite anfänglich Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit von HR, auf der anderen stärkte es diese, da sich HR im Rahmen des Projekts als proaktiv, transparent und handlungsfähig präsentierte.
Lernpunkte: Es ist sicherzustellen, dass gerade im Bereich der bAV auf die Qualität in den Daten, Prozessen, Systemen und der Dokumentation geachtet wird. Dieser Bereich birgt erhebliches rechtliches und finanzielles Risiko für alle Beteiligten. Die vollständige und korrekte Dokumentation von Vorgängen und Schriftverkehr ist hierbei besonders wichtig.
New Pension Plan
Im Teilprojekt „New Pension Plan“ ging es um die Einführung der neuen beitragsorientierten bAV. Wie bereits zu Beginn erwähnt, haben interne Personalwechsel zu einer Verzögerung bei der Umsetzung des neuen Pension Plans geführt. Die Kernziele hier waren:
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einheitlicher Versorgungsplan für die deutschen Gesellschaften,
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Günstigkeitsprüfung und Überführung bestehender Versorgungszusage,
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zeitgemäßes und flexibles Benefit-Instrument.
In der Harmonisierung haben wir uns auf die Vereinheitlichung der baV in unseren Gesellschaften fokussiert. Hierbei mussten die unterschiedlichen Tarifverträge (Chemie sowie Groß- und Außenhandel) und Betriebsvereinbarungen entsprechend integriert werden. Mit einem Matching-Contribution-Modell konnten wir einen flexiblen beitragsorientierten Versorgungsplan entwerfen, welcher den Mitarbeitern Flexibilität in der Beitragsgestaltung und auch eine Risikoabsicherung anbietet. Wichtige Elemente des Plans sind:
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jährliche Möglichkeit der Beitragsänderung,
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Risikoleistungen,
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Absicherung der Berufsunfähigkeit.
Als schwierigster Meilenstein zeigte sich die Überführung der Mitarbeiter mit bestehenden Ansprüchen und Zusagen. Hier wurde eine versicherungsmathematische Günstigkeitsprüfung durchgeführt, um Nachteile für die Mitarbeiter auszuschließen. Dies galt für die Höhe der Betriebsrente und für die Risikoleistungen. Die Mitarbeiter wurden mit einer persönlichen Modellberechnung angeschrieben. Begleitet wurde diese Überführungsaktion mit einer Beratungshotline, die durch entsprechende Fachexperten besetzt war.
Lernpunkte: Kontinuierliche, transparente und individuelle Kommunikation mit den Interessengruppen ist wichtig, um verlorenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit wieder aufzubauen.
Benefit Process Outsourcing
Das Teilprojekt „Benefit Process Outsourcing “ hatte das Ziel der kompletten Auslagerung der Verwaltungsprozesse, das heißt, die Bestandsverwaltung, die Rentnerverwaltung sowie die Mitarbeiterberatung von einem spezialisierten Unternehmen durchführen zu lassen. In Anlehnung an die HR-Transformation war die Einführung eines Employee Self Services ein wichtiges Ziel. Dazu wurden den Mitarbeitern verschiedene Zugangsmöglichkeiten zum Service zur Verfügung gestellt:
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webbasierte Plattform,
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Beratungshotline,
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Service-E-Mail-Adresse.
In erster Linie fokussierte sich das Projekt auf die Verwaltung der bAV für aktive und inaktive Mitarbeiter sowie die Abwicklung der laufenden Rentnerverwaltung. Nachgelagert wurden weitere Nebenleistungen, wie zum Beispiel Versicherungsangebote, Aktienbeteiligungspläne und andere betriebliche Benefits in die Online-Lösung integriert.
Um eine effiziente und effektive Administration und Zusammenarbeit zwischen dem HR-Bereich und dem Dienstleister sicherzustellen, stellte sich als ein Kernpunkt im Projekt die Definition der Anforderungen an Schnittstellen, Daten und Abläufe heraus. Auf eine möglichst automatisierte Abwicklung wurde ein besonderes Augenmerk gelegt.
Als besondere Herausforderung erwies sich das Vertrags- und Dienstleistermanagement heraus. Mithilfe des externen Projektmanagers konnten wir eine möglichst genaue Definiton des fachlichen Leistungskatalogs zum frühestmöglichen Zeitpunkt erstellen. Somit konnten wir vor allem eine realistische und umfassende fachliche Einschätzung der notwendigen Kennzahlen (Volumen, Transaktionen, Zeitlinien, Kosten et cetera) vornehmen.
Lernpunkte: Die frühzeitige Erstellung eines genauen Leistungskatalogs erleichtert die Vergleichbarkeit der Angebote sowie die späteren Vertragsverhandlungen.
Change und Kommunikation
Im Teilprojekt Change und Kommunikation, welches parallel über alle anderen Projektstreams verteilt war, lag der Schwerpunkt in der vertrauensbildenden Kommunikation, um Akzeptanz für das neue outgesourcte Angebot zu schaffen. Die Kommunikation zur Belegschaft und gegenüber den Betriebsräten und dem Management folgte kontinuierlich und in Anlehnung an die Projektpläne. Hierbei wurde auf ein Mix aus persönlicher, individueller Ansprache und genereller Information wie zum Beispiel Betriebsversammlungen, Infomails, Telefonkonferenzen sowie individuelle Schreiben gesetzt.
Alle Interessengruppen sollten im Projektverlauf immer up to date sein, um das Vertrauen in das Projekt, den neuen Dienstleister und den HR-Bereich zu stärken.
Gleichzeitig wurde über diese Art der Kommunikation ein Erwartungsmanagement gegenüber den einzelnen Zielgruppen sichergestellt.
Erfolge
Durch das Projekt konnten wir eine starke Entlastung im Bereich der lokalen HR-Abteilung erreichen. Die Eskalationen, die speziell im Bereich der Rentenverwaltung sehr hoch waren, sind auf nahezu „null“ zurückgegangen. Die Datenqualität konnte auf ein hohes Niveau gehoben werden. Durch diese Qualitätssteigerung haben wir eine hohe Visibilität im Bereich der baV und können proaktiv und effizient handeln. Die Online-Tools sowie die Beratungshotline erfreuen sich einer hohen Beliebtheit und Akzeptanz.
Autoren
Christian Müller, Leiter HR Services Deutschland/Österreich, Syngenta Agro GmbH, Maintal,
christian.mueller-2@syngenta.com
Thomas Kroell, Interim Manager/Inhaber, RunningHR, Frankfurt,
tk@runninghr.com
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