Ausgabe 10 - 2017
Illusion Inklusion
Das Genderproblem auf dem Piratenschiff meiner Söhne ist nicht kleinzureden. Zwölf Männer treiben dort fern von weiblichem Einfluss ihr Unwesen, sie plündern, räubern, singen und saufen, was das Zeug hält. Doch jenseits der mangelnden Frauenförderung wird bei ihnen das Thema Diversity offenbar großgeschrieben: Zahlreiche Kollegen sind sichtbar schwerbehindert. Zwei tun mit Holzbein und Augenklappe Dienst, der Kapitän trägt wie einst Captain Hook einen silbernen Haken, wo einmal die linke Hand war. Und auch sonst ist das Team bunt gemischt: Am Steuer steht ein alter Fahrensmann mit rauschendem grauem Bart, im Ausguck ein dunkelhäutiger Pirat mit Fernglas und unter Deck sortiert ein Volltätowierter geradezu rührend die Kisten mit dem Gold.
Zwar mag es en vogue sein, Business-Fragestellungen mithilfe von Spielzeug zu simulieren, über das wir sonst im halbdunklen Kinderzimmer stolpern. Leider lehren uns die Piraten in diesem Fall aber nicht das Geheimnis einer funktionierenden inklusiven Personalpolitik. Denn sie machen schlicht aus der Not eine Tugend. Echte Inklusion geht anders: Sie wird als Ziel in der Personalstrategie verankert, im täglichen Umgang miteinander vorgelebt, hilft, gedankliche Hürden abzubauen und mit Berührungsängsten offen umzugehen. Echte Inklusion schafft langfristige organisatorische Voraussetzungen für eine vorurteilsfreie und erfolgreiche Zusammenarbeit behinderter und nicht behinderter Menschen auf Augenhöhe. Damit ist sie wichtiger Bestandteil einer umfassenden Diversity-Strategie.
Unsere Recherchen zur Titelstrecke zeigen aber: Viele Unternehmen scheuen sich vor der Inklusion, weil sie zusätzlichen Aufwand, eine sprichwörtliche „Behinderung“ ihres Betriebs, fürchten. Dass die Perspektiven von Mitarbeitern mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen Unternehmen im Gegensatz bereichern können, bleibt häufig ungesehen. So zahlen die meisten lieber eine Ausgleichsabgabe, statt, wie in der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt, ab 21 Mitarbeitern mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung zu besetzen.
Wer wirklich inkludieren will, erfährt viel Unterstützung und Austausch zum Thema. Einige gelungene Beispiele und Empfehlungen finden Sie in diesem Heft.
Cliff Lehnen
Chefredakteur
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