Ausgabe 10 - 2017
Der richtige Managertyp am richtigen Ort
Bei der Personalauswahl für Auslandsentsendungen legen Unternehmen zu wenig Augenmerk auf den Charakter. Persönlichkeits- und Kompetenzprofil des Entsandten müssen zum vorherrschenden Managementstil des Ziellandes passen, sonst scheitert das Engagement.
Der hohe Internationalisierungsgrad der deutschen Wirtschaft erfordert nach wie vor, Fach- und Führungskräfte ins Ausland zu entsenden – sei es für ein zeitlich begrenztes Projektmanagement, für Aufbau und Leitung von internationalen Tochtergesellschaften und akquirierten Unternehmen, den Transfer von nötigem Know-how oder als Personalentwicklungsmaßnahme für Nachwuchsführungskräfte. Auslandsentsendungen stellen einen festen Baustein im Portfolio der Personalpolitik deutscher Unternehmen dar.
Gleichzeitig sind sie jedoch auch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für Unternehmen und die zu entsendenden Mitarbeiter. Im Zielland herrschen, neben allgemeinen kulturellen Unterschieden, vor allem andere Managementstandards und Arbeitsstile, die mit den Herangehensweisen hierzulande kaum vergleichbar sind. Diese Unterschiede in der Mitarbeiter- und Unternehmensführung nehmen mit höherer kultureller Distanz tendenziell in gleichem Maße zu. Einer Untersuchung zufolge fallen für Entsendete die schwerwiegendsten Probleme in den Bereich Kommunikation und Führung.
Die Statistik hierzu spricht Bände. Je nach Region brechen circa 40 Prozent, in manchen Regionen sogar bis zu 70 Prozent, der entsandten Arbeitskräfte ihren Auslandsaufenthalt vorzeitig ab. Hinzu kommen noch diejenigen, die zwar ihren Vertrag vor Ort erfüllen, jedoch hinter den Leistungserwartungen zurückbleiben. Dies führt zu erheblichen Kosten für die Unternehmen. Gängige Schätzungen gehen in etwa von dem Drei- bis Vierfachen des Jahresgehaltes eines entsandten Mitarbeiters aus. Um dieser Gefahr gegenzusteuern, ist es notwendig, dass wir uns mit zwei zentralen Trugschlüssen bei der Personalauswahl für Auslandsentsendungen auseinandersetzen, die uns den Blick auf die entscheidende Frage verstellen: Welche Charaktereigenschaften muss eine Führungskraft mitbringen, um das Risiko für einen Misserfolg zu minimieren?
Trugschluss Nummer eins: Expertenentsendung
Dass es problematisch sein kann, einen Mitarbeiter lediglich aufgrund seiner Fachexpertise für die Entsendung ins Ausland auszuwählen, dürfte bereits bekannt sein. Es handelt sich hierbei um die Internationalisierung des Peter-Prinzips, eine 1969 von dem Erziehungswissenschaftler Laurence Peter formulierte und nach ihm benannte Theorie. Einfach ausgedrückt entsteht das Prinzip dann, wenn zum Beispiel der beste Vertriebsmitarbeiter eines Teams zum Sales Director befördert wird, unabhängig davon, ob er die Managementfähigkeiten, die für diese Stelle erforderlich sind, auch besitzt. Übertragen auf eine Auslandsentsendung wird also fachliche Expertise als primäres und einziges Entsendungskriterium herangezogen. Ein derartiges Vorgehen verringert nachgewiesenermaßen nicht nur die Effizienz von Organisationen, sondern kann den Erfolg einer Auslandsentsendung gefährden.
Trugschluss Nummer zwei: Soft Skills, die bessere Lösung
In einem ersten Schritt ist es hilfreich zu erkennen, dass Expertenwissen per se für eine erfolgreiche Mitarbeiterentsendung nicht ausreicht. Bei der Entsendungspolitik allerdings allein auf die Vermeidung des Peter-Prinzips zu achten, wäre zu kurz gedacht. Man könnte nun annehmen, dass es besser sei, Manager mit einem egalitären Führungsansatz zu entsenden, die ihre Mitarbeiter durch Coaching dabei unterstützen, selbst Lösungen zu finden und diese dann autark umzusetzen.
Leider ist jedoch auch das ein Trugschluss. Es ist vielmehr entscheidend, welcher Managertypus in welche Region entsandt wird, wie eine internationale Studie des Managementforschers André Laurent zeigt. Für die Studie befragte er mehr als 1700 Manager aus 14 unterschiedlichen Nationen, ob es aus ihrer Sicht wichtig sei, dass sich Führungskräfte durch Expertenwissen auszeichnen. Die Ergebnisse der Studie werfen ein neues Licht auf die Personalauswahl für eine Auslandsentsendung. Sie erlauben, entscheidende Rückschlüsse auf das für die Zielregion notwendige Führungsverhalten, und somit die Eigenschaften der zu entsendenden Mitarbeiter, zu ziehen.
Die Ergebnisse zeigen eine breite Streuung über die befragten Nationen hinweg (siehe Abbildung auf Seite 54). Deutschland steht ungefähr in der Mitte der Skala. Weiter oben befinden sich die angelsächsisch geprägten und nord-europäischen Nationen, die mit ihren geringen prozentualen Zustimmungsraten mehrheitlich einen egalitären, coachingorientierten Führungsstil favorisieren. In Italien, Frankreich, Spanien und Japan wird, wie es die hohen Zustimmungsraten in der Grafik zeigen, von Führungskräften ein hohes Fachwissen erwartet. Was auf den ersten Blick überraschend anmutet, ist in der internationalen Managementforschung ein bereits bekanntes Phänomen. Managementstile und Arbeitsweisen sind nicht einfach von einem Land auf das andere übertragbar, sondern müssen – durch auf die Zielregion abgestimmte Managementinstrumente – genauso übersetzt werden wie Sprachen, um entsprechende Ergebnisse zu erzielen.
Führungstypus muss zur Region passen
Die Resultate der Befragung lassen sich auf zwei Grundtypen von international akzeptierten Führungspersönlichkeiten zurückführen, die sich jedoch fundamental unterscheiden. Da ist zum einen der Manager als Experte, der sich neben seinen Managementfähigkeiten hauptsächlich durch sein fundiertes Fachwissen auszeichnet. Von ihm wird erwartet, dass er diese Fachkenntnis einsetzt, Rückfragen seiner Mitarbeiter souverän beantwortet, die Konsequenzen von Entscheidungen voraussieht und wenn nötig bei Details mitentscheiden kann. Verfügt ein Manager nicht über diese Fähigkeiten, wird er Schwierigkeiten haben, in einer autoritätsaffinen Umgebung seine Ziele durchzusetzen, und Gefahr laufen, von seinen Mitarbeitern nicht als kompetente Führungspersönlichkeit wahrgenommen zu werden. Das kann im schlimmsten Fall zu Demotivation der Führungskraft und dem Abbruch der Auslandsentsendung führen.
Managertyp: Coach oder Experte

Zustimmung von internationalen Managern zu der Aussage:„Es ist wichtig, die richtigen Antworten auf die meisten Fragen seiner Mitarbeiter zu haben.“
Auf der anderen Seite steht der Führungstypus des Managers als Coach. Er unterstützt seine Mitarbeiter dabei, die richtigen Antworten auf ihre Fragen selbstständig zu finden, und lässt ihnen bei der Umsetzung viel Freiraum. Hier sind anstatt Expertenwissen Fähigkeiten gefragt, die in Organisationen mit flachen Hierarchien charakteristisch sind. Mitarbeitercoaching-, Moderations- und Mediationsfähigkeiten oder das Führen durch Zielvereinbarungen beispielsweise sind einige dieser Instrumente. Wird ein Manager, der überwiegend über Expertenwissen, jedoch kaum über die genannten Fähigkeiten verfügt, in ein solches Umfeld entsandt, besteht das Risiko, dass er seine Mitarbeiter demotiviert, indem er einerseits Entscheidungen diktiert und zusätzlich die Spielräume bei der Umsetzung nimmt. Mögliche Folgen reichen von Spannungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter über Effizienzeinbußen bis hin zu Kündigungen in der Belegschaft. Selbstverständlich stellt diese Typisierung nur eine erste Orientierung dar, die weitere Analysen zu den Unterschieden im internationalen Management und ihre Einbettung in den darauffolgenden Auswahlprozess für eine Entsendung keinesfalls ersetzen kann. Deutlich wird bei der Gegenüberstellung dieser Führungsmuster jedoch, dass es sich um zwei grundsätzlich gegensätzliche und in den Nationen tief verankerte Managementstile handelt. Diese lassen sich bei Mitarbeitern, die bereits in einer Entsendungssituation stehen oder bereits für eine Entsendung ausgewählt wurden, nur noch bedingt für die entsprechende Region „antrainieren“.
Es besteht demzufolge eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass eine Auslandsentsendung scheitert, wenn der nicht zur Region passende Managertypus entsandt wird. Somit kommt beim Auswahlprozess im Zuge von Auslandsentsendungen dem Design der Schnittstelle Mitarbeiter – Zielregion eine entscheidende Bedeutung zu.
Neues Paradigma: der relative „Local Fit“
Unter Betrachtung der vorgenannten Aspekte und durch Zuhilfenahme der Ergebnisse internationaler Managementstudien lässt sich als Synthese der relative „Local Fit“ als ein neues Paradigma der Entsendung formulieren. Der Begriff beschreibt die Passung von Auslandsentsandten relativ zum jeweiligen Managementstil im Zielland. Dieses Prinzip erleichtert Firmen, die Personalauswahl bei Entsendungen von Grund auf so zu gestalten, dass ihre Erfolgswahrscheinlichkeit steigt. Es bedeutet gleichzeitig, dass sich nicht jedes Persönlichkeits- und Kompetenzprofil einer Führungskraft für die Entsendung in jede beliebige Weltregion eignet und sich der Auswahlprozess primär daran und an dem vorherrschenden Managementstil im Zielland orientieren muss.
Mit Blick auf die Skala ist es somit nicht entscheidend, wo Deutschland absolut steht, sondern wo Deutschland relativ zu dem Land steht, in das der Mitarbeiter entsandt werden soll. Dies beeinflusst maßgeblich die im Stellenprofil definierten notwendigen Charaktermerkmale und Fähigkeiten. Soll ein Mitarbeiter in ein Land im unteren Bereich der Skala entsandt werden, dann ist es wichtig, dass der Mitarbeiter vertieftes Fachwissen besitzt und, unter anderem, in der Lage ist, autoritär zu führen. Bei der Entsendung von Mitarbeitern in Länder wie die USA, Großbritannien oder etwa Schweden im oberen Bereich der Skala sind entsprechende antagonistische Managementfähigkeiten gefragt. Das heißt, die Führungskräfte müssen, neben anderen für die Region relevanten Fähigkeiten, vor allem egalitäre Managementstile anwenden und leben können.
Erst nach der Auswahl des passenden Mitarbeiters für das entsprechende Zielgebiet macht es Sinn, ihn im notwendigen regionalspezifischen Managementwissen zu schulen und Führungsinstrumente zu trainieren. Das Entsendungsprinzip des relativen Local Fit trägt durch die richtige Personalauswahl dazu bei, Fehlschläge zu reduzieren und Auslandsentsendungen zum Erfolg zu führen. Die konsequente Umsetzung dieses Prinzips erlaubt deutschen Unternehmen, ungehobene Schätze ihres internationalen Engagements zu bergen.
Autor
Raphael Schoen, Dozent Diversity Management, HHL Leipzig, und Inhaber, Global-IQ.org, Berlin,
info@global-iq.org
- Illusion Inklusion
- Gesund durch Gassi gehen
- Heilsame Hunde
- Der Progressive
- „Es muss dem Business dienen“
- Kandidaten, die das Digitale verinnerlicht haben – was das Marketing von HR erwa...
- „Spaß am Digitalen“
- Vier Pfoten für besseres Klima
- Jeden Tag ein bisschen besser
- „Der Fokus liegt zu sehr auf Verwaltung“
- Tool 3: Dynamic Capabilities
- Strategie? Welche Strategie?
- Inklusion: (K)ein Problem!?
- „Es ist ein Commitment, keine Quote“
- Behinderte Integration
- Die Grenzen der Überwachung
- Schwarze Schafe im Betrieb
- Der richtige Managertyp am richtigen Ort
- Fit für die digitale Betriebsprüfung
- Werkzeuge für die Präzisionsarbeit
- „Personaler werden strategischer arbeiten“
- Der Mythos von der idealen Führungskraft
- Autonome Bewerbungsanalyse in der Personalrekrutierung
- „Für mich ist Führung eine Frage der Haltung“
- „Viele Strukturen und Prozesse sind im Umbruch“
- „Es bedarf einer Agilitätskompetenz