Ausgabe 10 - 2017
Kandidaten, die das Digitale verinnerlicht haben – was das Marketing von HR erwartet
Folge vier unseres Lastenhefts lotet aus, welchen Bedarf das Marketing bei HR anmeldet. Rede und Antwort stand uns Tanja Lockwood, Director Customer Marketing von Villeroy & Boch.

Tanja Lockwood
Personalwirtschaft: Frau Lockwood, die Digitalisierung hat das Marketing voll erfasst – Fluch oder Segen?
Tanja Lockwood: Unser CEO investiert viel Herzblut in die Digitalisierung. Das verleiht uns Rückenwind, so lassen sich die neuen Chancen wunderbar nutzen. Zum Beispiel ermöglichen Apps dem Vertrieb atemberaubende Produktpräsentationen auf dem Tablet. Freilich verhalten sich Kunden anders als früher. Die Customer Journey ist nicht mehr ein stringenter Prozess, der linear zum Kauf führt. Kunden steigen ein, aus und wieder ein.
Was folgt daraus für das Berufsfeld Marketing?
Der typische Marketingmensch ist kreativ und entwickelt neue Ideen. Nun treten analytische und IT-Kompetenzen hinzu. Ich selbst gehe gern mit Zahlen um. Die Digitalisierung hilft mir zu erkennen, wo ich mein Budget am besten einsetze. Besonders umworben sind Online-Marketing-Manager und E-Commerce-Manager, nicht älter als 35 Jahre. Digital Natives sind tief verwurzelt in der neuen Medienwelt. Sie lassen sich schnell auf neue Technologien ein und wissen sie zu nutzen.
Sprechen wir über die Zusammenarbeit mit HR: Wo besteht der größte Handlungsdruck?
HR kann vor allem im Recruiting eine große Stütze sein: Wir sind ständig auf der Suche nach Marketeers, die das Digitale verinnerlicht haben. Als Premiumanbieter stehen wir im harten Wettbewerb um die besten Marketingleute und wollen auch mit unserer Arbeitgebermarke punkten. Zweitens ist HR in der Personalentwicklung gefragt. Das hohe Veränderungstempo zwingt uns, die Organisation ständig weiterzubilden. Ebenso gefordert ist HR im Talent Management.
Was könnte HR im Recruiting noch besser machen?
Die Herausforderung ist, dem von Kandidaten vorgelegten Tempo mit zeitnahem Feedback zu entsprechen. Im digitalen Zeitalter reden wir hier von wenigen Tagen. Das ist sicher nicht immer einfach zu bewerkstelligen. Genauso wichtig ist es, heiß umworbene Experten proaktiv anzusprechen.
Worauf liegt der Fokus in der Personalentwicklung?
Neben der fachbezogenen Weiterbildung achten wir stark auf die Persönlichkeitsentwicklung. Die Kollegen sollen überzeugend präsentieren und verkaufen. Zur Seite stellen wir ihnen außerdem Coaching- und Mentoringangebote. Einsteigern bieten wir ein dreijähriges Marketing-Traineeprogramm, um sie auf künftige Aufgaben im Unternehmen vorzubereiten.
Sie haben das Talent Management erwähnt. Warum ist es für Ihren Bereich so wichtig?
Marketeers tendieren dazu, in kürzeren Zeitspannen zu rotieren. Zwei bis fünf Jahre sind keine Ausnahme. Um Mitarbeiter stärker ans Unternehmen zu binden, muss man ihnen konkrete berufliche Perspektiven zeigen. Daher ist es sinnvoll, gemeinsam zu besprechen, wo die Reise hingehen soll und welche Zwischenstationen dafür vorgesehen sind. Das motiviert und fördert die Loyalität zum Arbeitgeber.
Als Marketingexpertin wollen Sie sicher auch zusammen mit HR die Arbeitgebermarke schärfen.
Ja, als bekannte Marke mit einem Aufruf an Macher und Gestalter bieten wir viele Vorteile, trotz ländlichem Standort im saarländischen Mettlach. Relevant beim Anlocken der besten Talente ist sicherlich, dass wir eine offene Arbeitsatmosphäre leben und für Marketing und Produktentwicklung in Kürze ein komplett renoviertes, modernes Gebäude mit attraktiven Außenarbeitsplätzen bieten. Damit die Kollegen nicht für Alltägliches vom Arbeitsplatz weggerissen werden, ist noch zu klären, was wir ihnen an Services wie Post, Reinigung et cetera bereitstellen können. Darüber denken wir aktuell nach.
Das wird nicht ausreichen, um der steigenden Schlagzahl im Marketing zu begegnen. Wie können Ihre Mitarbeiter anspruchsvolle Aufgaben und Privatleben miteinander vereinbaren?
Darauf achten wir ganz besonders, nicht nur mit verschiedenen Sportangeboten und mit attraktiven Arbeitsbedingungen in einer ehemaligen Abtei, umgeben von einer weitläufigen Parklandschaft mit einem malerischen See. Im Marketing verfolgen wir überwiegend das Prinzip der Vertrauensarbeitszeit. Daher können die Kollegen je nach Terminplan und Projektstatus ihr Berufs- und Privatleben eigenverantwortlich organisieren und in Einklang bringen.
Lastenheft: Das braucht das Marketing von HR
Nummer | Bereich | Anforderung | Zeithorizont |
1 | Recruiting | Neue Wege in der Personalgewinnung gehen Das Recruiting von Marketeers steht vor einer Zäsur, heiß umworbene Profile sind Mangelware. Das hat unmittelbare Konsequenzen für HR: Neben einer stärkeren Präsenz auf Businessplattformen wie Xing und Linkedin sollten Recruiter mittels Active Sourcing direkt auf Kandidaten zugehen. Besonders Quereinsteigern mit einschlägiger Berufserfahrung sollte die Tür offenstehen, ebenso beispielsweise Geisteswissenschaftlern, die oft Kompetenzen vorweisen, welche für das Marketing elementar sind. | mittelfristig |
2 | Bewerbermanagement | Die Candidate Experience gestalten Marketingexperten kennen sich bestens mit Customer Journeys und User Experiences aus. Ihre Erwartungen an einen gelungenen Verkaufsprozess übertragen sie – bewusst oder unbewusst – auf ihr Bewerbungserlebnis. Die Bewerberführung sollte daher aus intuitiven, sauberen Prozessen bestehen. Wesentlich im digitalen Zeitalter ist außerdem ein schnelles Feedback. | kurzfristig |
3 | Employer Branding | Die richtigen Mitarbeiter für das Unternehmen begeistern Marketingexperten zufolge ist die Entwicklung der Arbeitgebermarke eine vordringliche Aufgabe für Personaler. In gemischten Teams könnten HR und Marketing ihre Stärken gezielt einbringen. Aus Marketingsicht unterscheidet sich kaum, ob ein Produkt oder ein Arbeitgeber vermarktet werden soll. Auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen könnte HR beispielsweise ermitteln, mit welchen Botschaften sich Wettbewerber positionieren, und auf dieser Grundlage das Einzigartige des eigenen Unternehmens erarbeiten. | kurzfristig |
4 | Arbeitsgestaltung | Voraussetzungen für agile und übergreifende Zusammenarbeit schaffen Marketingexperten sind es gewohnt, mit hohem Tempo in Projekten und an Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen zu arbeiten. Sie sind agil, was sich auch in der Nutzung digitaler Werkzeuge ausdrückt, die zum Austausch mit Agenturen und Designern wie auch für schnelle Notizen„on the Job“ eingesetzt werden. Diese Flexibilität sollte sich auch in einer Arbeitsumgebung widerspiegeln, die Kommunikation und Kollaboration fördert, ohne für andere störend zu sein. | mittelfristig |
5 | Arbeitsorganisation | Den Bedürfnissen aller Generationen gerecht werden Vom Marketing besonders angesprochen wird die Generation Y. Noch immer ist nicht völlig klar, wie diese Zielgruppe wirklich tickt. Mal gilt sie als besonders flexibel, selbstbewusst und sehr aufgeschlossen gegenüber der Digitalisierung, mal als konservativ, mit einem großen Bedürfnis nach Sicherheit und langfristiger beruflicher Perspektive. Wichtig ist, den bis 35-Jährigen mit Angeboten zur Vereinbarung von Beruf und Privatleben zu begegnen, die auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sind – jedoch ohne dabei die übrigen Generationen und deren spezifische Bedürfnisse zu übergehen. | langfristig |
In der letzten Folge unserer Serie beschäftigen wir uns mit den Erwartungen des Einkaufs an HR.
- Illusion Inklusion
- Gesund durch Gassi gehen
- Heilsame Hunde
- Der Progressive
- „Es muss dem Business dienen“
- Kandidaten, die das Digitale verinnerlicht haben – was das Marketing von HR erwa...
- „Spaß am Digitalen“
- Vier Pfoten für besseres Klima
- Jeden Tag ein bisschen besser
- „Der Fokus liegt zu sehr auf Verwaltung“
- Tool 3: Dynamic Capabilities
- Strategie? Welche Strategie?
- Inklusion: (K)ein Problem!?
- „Es ist ein Commitment, keine Quote“
- Behinderte Integration
- Die Grenzen der Überwachung
- Schwarze Schafe im Betrieb
- Der richtige Managertyp am richtigen Ort
- Fit für die digitale Betriebsprüfung
- Werkzeuge für die Präzisionsarbeit
- „Personaler werden strategischer arbeiten“
- Der Mythos von der idealen Führungskraft
- Autonome Bewerbungsanalyse in der Personalrekrutierung
- „Für mich ist Führung eine Frage der Haltung“
- „Viele Strukturen und Prozesse sind im Umbruch“
- „Es bedarf einer Agilitätskompetenz