Ausgabe 10 - 2017
„Der Fokus liegt zu sehr auf Verwaltung“

Der Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD) setzt auf innovatives HR-Management. Denn der Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche zwingt zur Kreativität und fördert die Bereitschaft zur Erneuerung, wie der HR-Leiter der VKKD, Artur Sawadsky, erklärt.
Personalwirtschaft: Was unterscheidet Personalarbeit im Gesundheitswesen von HR in der freien Wirtschaft? Artur Sawadsky: Sie hinkt der freien Wirtschaft um ein bis zwei Jahrzehnte hinterher. Bestes Beispiel ist das Recruiting. In der freien Wirtschaft ist das Talent Management Standard. In der Gesundheitsbranche stehen wir noch ganz am Anfang.
Woran liegt das?
Im Bereich der öffentlichen Verwaltungen einschließlich der kommunalen und konfessionellen Krankenhäuser setzen wir immer noch den Fokus zu sehr auf Verwaltung und weniger auf Management und Gestaltung.
Sehen Sie Anzeichen, dass sich das ändert?
Durchaus. Und zwar aufgrund des Fachkräftemangels. Vor dem wird ja schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten gewarnt. Aber inzwischen bekommen ihn Krankenhäuser ganz real und in allen Bereichen zu spüren: in der Ärzteschaft, aber vor allem in der Pflege.
Eine schöne Vorlage für jemanden, der offensive HR-Arbeit umsetzen will.
Exakt. Weil eben nicht nur die Personalverantwortlichen, sondern auch die Führungskräfte in den Kliniken den Zusammenhang zwischen guter HR-Arbeit und wirtschaftlichem Erfolg erkennen. Wenn wir beispielsweise über eine moderne Klinikausstattung verfügen, das Image stimmt und der Bedarf seitens der Patienten vorhanden ist, wir die Klinik dennoch nicht voll auslasten können, weil es uns an Personal mangelt, spätestens dann erkennen Verantwortliche in Medizin und Pflege, dass gute Personalarbeit wertschöpfend ist. Die Bereitschaft, innovative Wege in der HR-Arbeit zu unterstützen, nimmt zu. Was ja nicht zuletzt an meiner Funktion abzulesen ist.
Sie haben die Leitung HR beim VKKD zum 1. April übernommen. Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
An erster Stelle steht die Fachkräftegewinnung. Daran müssen wir uns messen lassen. Wie viele Bewerbungen gehen ein, nachdem wir in das onlinebasierte Personalmarketing investiert und einen Talent Manger eingestellt haben? Hat sich die Qualität der Bewerber erhöht? Steigt die Einstellungsquote? Können wir mit den neuen Instrumenten, zu denen das Active Sourcing gehört, langfristig die Kosten für das Recruiting senken? Werden wir die Fluktuation verringern? Können wir zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit beitragen? Macht sich das neue Konzept zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement bezahlt? Das alles muss sich am Ende rechnen. Da werden wir an ganz konkreten Zahlen gemessen.
Mit welchen Maßnahmen wollen Sie diese Ziele erreichen?
Das Talent Management ist ganz wichtig. Dazu gehört, die Potenziale unserer mehr als 3000 Mitarbeiter sichtbar zu machen, unsere Leistungsträger an uns zu binden und neue Talente zu gewinnen. Beispiel Active Sourcing: Es genügt nicht mehr, Personalanzeigen zu schalten und von Sachbearbeitern verwalten zu lassen. Heute müssen wir als Arbeitgeber um Mitarbeiter werben. Deshalb präsentieren wir uns in sozialen Netzwerken, an Schulen und Universitäten gegenüber angehenden Pflegekräften und Medizinern als attraktiver Arbeitgeber. Und wir pflegen bereits während der Ausbildung den Kontakt zu angehenden Fach- und Führungskräften.
Welche Akzente haben Sie in der Personalentwicklung gesetzt?
In der Gesundheitsbranche wird Personalentwicklung immer noch häufig mit Bildungsmanagement gleichgesetzt. Ich sehe Bildung jedoch stets im Kontext von Entwicklung. Deshalb habe ich die VKKD Akademie gründet. Neben klassischen Fortbildungsangeboten bieten wir dort auch Mitarbeiterentwicklungsprogramme an. Darüber hinaus hat der VKKD mit seiner Führungswerkstatt ein modernes Führungskräfteentwicklungsprogramm für die obere und mittlere Leitungsebene eingeführt.
Wie waren die Reaktionen auf diese Maßnahmen?
Natürlich gab es anfangs, wie bei jedem Veränderungsprozess, auch Vorbehalte. Aus den Reihen der Mediziner wurde kritisch gefragt, welchen Mehrwert es habe, sich an mehreren Tagen über das Thema Führung zu unterhalten, wenn in derselben Zeit eine bestimmte Anzahl von Operationen durchgeführt und so entsprechende Einnahmen für den Verbund erwirtschaftet werden könnten.
Zumal im Krankenhaus noch immer eine ausgeprägte Hierarchie gepflegt wird. Erscheint da das Thema Führung überhaupt relevant?
Auch das war ein Argument. Hier empfiehlt sich aber ein Blick auf ein paar Kennzahlen: beispielsweise auf die Fluktuationsrate oder den Krankenstand. Da lassen sich recht deutliche Korrelationen zum Führungsstil nachweisen. Mittlerweile ist die Führungswerkstatt fest etabliert und wird sogar rege nachgefragt.
Also herrscht inzwischen eitel Sonnenschein und allseitige Zustimmung?
Das sicherlich nicht. Geduld und ein langer Atem sind nötig. Andererseits weiß ich auch, dass uns nicht viel Zeit bleibt, um das Thema Fachkräfte in den Griff zu bekommen. Wir können nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Für die volle Auslastung einer neu gegründeten Klinik fehlt uns Personal. Der War for Talents ist in der Gesundheitsbranche angekommen.
Wie hilfreich sind in Ihrer neuen Position Ihre Erfahrungen aus der Privatwirtschaft?
Sie nützen mir ebenso wie mein berufsbegleitend abgelegtes Masterstudium in HR-Management. Der VKKD als zweitgrößter Anbieter von medizinischen Leistungen im Düsseldorfer Raum mit seinem Anspruch auf Qualitätsführerschaft im Bereich Gesundheit legt viel Wert auf modernes und innovatives Management. Ziel ist, eine gemeinsame und aus unserem Leitbild abgeleitete Führungskultur zu etablieren.
Ist die Loyalität der Mitarbeiter in einem konfessionell gebundenen Krankenhaus höher als in einem privatwirtschaftlich betriebenen?
Ich bin davon überzeugt, dass wir als konfessioneller Klinikverbund in vielerlei Hinsicht attraktivere Arbeitsbedingungen bieten. Zumindest gilt das für den VKKD. Unser Leitbild fußt auf christlichen Werten. Das bedeutet, dass wir eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitern empfinden. Und diese auch konkret zeigen, wie etwa mit Angeboten für Mitarbeiter in den Bereichen Fortbildung, Entwicklung und Gesundheitsförderung. Aber auch in Umstrukturierungsprozessen. Als wir ein Altenpflegeheim schließen mussten, weil das Gebäude nicht mehr den neuen baulichen Vorgaben des Gesetzgebers entsprach, haben wir allen 175 Mitarbeitern zugesichert, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Jeder wird unterstützt, eine Stelle in einer der Einrichtungen unseres Verbundes oder bei unserem Träger, der Caritas, zu finden.
Müssen Ihre Mitarbeiter katholisch sein?
Das ist eine Annahme, gegen die wir schwer ankommen. Aber sie stimmt einfach nicht. Wir beschäftigen alle Konfessionen. Natürlich haben wir ein christliches Selbstverständnis. Das ist meiner Ansicht nach ein Wettbewerbsvorteil. Projekte wie zum Beispiel die Führungskräftewerkstatt fußen auf unserem christlichen Leitbild. Dort steht, dass sich unsere Führungskräfte zu einem kooperativen Führungsstil verpflichten. Davon können Mitarbeiter nur profitieren.
Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil?
Auch wenn ich mit meinen fachlichen Aufgaben als Personalleiter gut ausgelastet wäre, nehme ich mir viel Zeit für Führungsarbeit. Kommunikation mit meinen Mitarbeitern, ihre Förderung und die Moderation in Konfliktfällen haben hohe Priorität. Mir ist bewusst, dass ich von meinen Mitarbeitern und deren Leistungen abhängig bin. Nur als Team wird es uns gelingen, die HR-Strategie erfolgreich in die Praxis umzusetzen.
Das Projekt im Überblick
Das Unternehmen: Der Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD) ist mit 1600 Betten in 33 Fachkliniken einer der größten Gesundheitsversorger in der Region Düsseldorf. Seine 3000 Mitarbeiter behandeln ambulant und stationär jährlich rund 150 000 Patienten. Der Anspruch: Ein zeitgemäßes, innovatives Personalmanagement zu etablieren, das sich an den Standards moderner privatwirtschaftlicher Unternehmen orientiert, hat sich der seit April 2017 amtierende Personalleiter zur Aufgabe gemacht. Die Veränderungen: Gründung der VKKD Akademie, die neben klassischen Fortbildungsangeboten auch Mitarbeiterentwicklungsprogramme anbietet, eine Führungswerkstatt mit einem Führungskräfteentwicklungsprogramm für die obere und mittlere Leitungsebene, eine aus dem Leitbild abgeleitete Führungskultur, die auf Partizipation fußt, Active Sourcing und Talent Management, um den quantitativen und qualitativen Personalbedarf zu sichern. |
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