Ausgabe 10, Special Arbeitsrecht - 2013
Viele Wege für ein Ziel
Viele Unternehmen suchten in den vergangenen Jahren, die von der Finanzmarktkrise und strukturellen Änderungen geprägt waren, nach dem Königsweg für die Reduzierung ihres Personalbestands. Meist wurde auf Bewährtes zurückgegriffen. Das Bewusstsein für einen sozialverträglichen Personalabbau nahm jedoch ebenfalls deutlich zu.
Welche Instrumente des Personalabbaus am effektivsten und vielversprechendsten sind, kann nicht für alle Unternehmen einheitlich beurteilt werden. Ein allgemeingültiges Patentrezept gibt es nicht. Vielmehr muss auf Basis der individuellen Situation des Betriebes oder Unternehmens ermittelt werden, wo genau die Probleme liegen und welche wirtschaftlichen Ziele mit dem Personalabbau verfolgt werden sollen und müssen. Sind die Ziele ermittelt, muss geprüft werden, mit welchen Instrumenten diese Ziele verfolgt werden können. Den Unternehmen stehen viele Wege zur Verfügung, die nicht stets mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen verbunden sein müssen. Die Personalkapazität kann auch durch andere Maßnahmen, wie durch die Nutzung der natürlichen Fluktuation oder durch Arbeitszeitverkürzungen, angepasst werden.
In ihrem Effekt unterscheiden sich die Instrumente des Personalabbaus insbesondere in zwei Punkten: einerseits durch den Zeitpunkt, zu dem die Maßnahmen beginnen und ihre Wirkung entfalten sollen, andererseits in der Dauer ihrer Wirkung. Aus dieser Differenzierung heraus lassen sich folgende Gruppen bilden:
• Zeitlich unmittelbar wirkende Instrumente bei akutem Liquiditätssicherungsbedarf, die nur vorübergehend eingesetzt werden können (zum Beispiel Kurzarbeit).
• Zeitlich unmittelbar wirkende Instrumente bei akutem Liquiditätssicherungsbedarf, die auch unbefristet eingesetzt werden/wirken können (wie Absenkung der Arbeitszeit bei Abrufarbeit, Reduzierung der Zahl an Leiharbeitnehmern, Aufhebungsverträge ohne Auslauffrist – kombiniert mit Abfindungen, Outplacement und/oder Transfergesellschaft –, Altersteilzeit mit sofortiger Wirkung).
• Zeitlich verzögert wirkende, unbefristete Instrumente (betriebsbedingte Kündigungen, Aufhebungsverträge mit Auslauffrist – wiederum kombiniert mit Abfindungen, Outplacement und/oder Transfergesellschaft –, Umstrukturierungen, Altersteilzeit mit verzögertem Beginn, Einstellungsstopps, Auslaufen befristeter Verträge je nach Vertragsende).
Maßnahmen
Die folgenden Instrumente wurden erfahrungsgemäß am häufigsten zum Personalabbau eingesetzt.
Kurzarbeit: ein während der Finanzmarktkrise häufig gewähltes Mittel der vorübergehenden Personalreduzierung war die Einführung von Kurzarbeit. Soweit eine wirksame rechtliche Grundlage (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) für die Einführung bestand, war Kurzarbeit dank der staatlichen Förderung ein effektives Instrument, um auf kurzzeitige Engpässe zu reagieren. Die während der Finanzmarktkrise eingeführten Sonderreglungen bezüglich der Erstattung der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge sind im März 2012 allerdings außer Kraft getreten, sodass sich der finanzielle Vorteil des Arbeitgebers deutlich verkleinert hat; er trägt die Beiträge für Kurzarbeitergeld nun wieder allein.
Trennung von Leiharbeitnehmern: Der Abbau von Leiharbeit ist ein weiteres probates und praxiserprobtes Instrument, um schnell Kosten zu senken. Der Vorteil für den Entleiherbetrieb liegt darin, dass Kündigungen von Leiharbeitnehmern für das Entleiherunternehmen nicht an arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu messen sind, sondern allein an den mit dem Verleiher im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vereinbarten Bedingungen. Viele Unternehmen sind wegen der skeptischen Haltung gegenüber der Zeitarbeit in der politischen Öffentlichkeit, der sehr kritischen Positionierung einiger Gewerkschaften und letztlich auch neuer gesetzlicher Restriktionen ohnehin schon gezwungen, den Einsatz von Zeitarbeit auf vorübergehende Auftragsspitzen zu beschränken und als Flexibilitätsreserve zu nutzen.
Kündigung versus einvernehmlich
Betriebsbedingte Kündigungen bieten dem Arbeitgeber die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers einseitig zu beenden. Hiermit sind jedoch einige Nachteile verbunden. Eine finanzielle Entlastung alleine durch Kündigungen ist frühestens mit Ablauf der Kündigungsfristen zu erwarten. Dies kann – je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer – mehrere Monate in Anspruch nehmen. Bei qualifiziertem Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung oder bei Obsiegen des Arbeitnehmers in erster Instanz eines etwaigen Kündigungsschutzverfahrens setzt die finanzielle Entlassung wegen des Weiterbeschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers erst mit dem Urteil der letzten Instanz ein, wenn der Arbeitnehmer die ihm dann gegebenen prozessualen Möglichkeiten nutzt. Die vor Ausspruch der Kündigung notwendigen Vorverfahren wie die Anhörung des Betriebsrates, Anträge bei Behörden für die Kündigung Schwerbehinderter, Schwangerer oder in Eltern-, Pflege- oder Familienpflegezeit befindlicher Arbeitnehmer verzögern die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch mehr – wenngleich gerade die Kündigung von Arbeitnehmern in Elternzeit regelmäßig mangels Entgeltanspruchs als weniger dringlich erscheint.
Notwendige tiefergreifende Veränderungen stellen regelmäßig auch eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG dar. Die dann folgenden Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat samt des sich anschließenden Anzeigeverfahrens bei der Arbeitsagentur nach § 17 KSchG können bekanntlich zu enormen zeitlichen Verzögerungen führen. Das gilt besonders dann, wenn eine Einigung mit dem Betriebsrat scheitert und die Einigungsstelle angerufen werden muss.
Betriebsbedingte Kündigungen sind regelmäßig erst einmal mit erheblichen Kosten verbunden, die über die eigentlichen Kosten für das Auslaufen der Arbeitsverhältnisse deutlich hinausgehen. Im Falle von Betriebsänderungen sind dies zunächst Kosten für Berater und gegebenenfalls die Einigungsstelle selbst. Erfahrungsgemäß erhebt selbst bei unzweifelhaft zulässigen Kündigungen ein mehr oder weniger geringer Teil der betroffenen Arbeitnehmer Kündigungsschutzklagen; neben Prozesskosten stehen dann regelmäßig erhöhte Abfindungszahlungen oder andere Belastungen der Arbeitgeber zur Diskussion.
Die bei betriebsbedingten Kündigungen durchzuführende Sozialauswahl führt außerdem dazu, dass der Personalbestand häufig nicht durch die Mitarbeiter verringert werden kann, deren Trennung aus unternehmerischer Sicht erforderlich oder wünschenswert wäre. Die Sozialauswahl sichert den sozial Schwächeren, nicht den Leistungsstärkeren den Arbeitsplatz. Leistungsträger können nur in einem eng begrenzten Rahmen von der Sozialauswahl ausgenommen werden.
Einvernehmliche Personalreduzierungen können durch Aufhebungsverträge realisiert werden.
Sofern Mitarbeiter freigesetzt werden müssen, wird diese einvernehmliche Beendigung in der Praxis richtigerweise bevorzugt. Das hat vielfältige Gründe: Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Kündigungsfristen schnell beenden. Darüber hinaus muss er allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz von Betriebsräten, Schwerbehinderten, Schwangeren et cetera nicht beachten. Auch eine Sozialauswahl entfällt. Studien belegen, dass ein auf Einvernehmen angelegtes Trennungsmanagement wegen seiner strategischeren Ausrichtung sogar kostengünstiger sein kann als die klassische einseitige Trennung. Arbeitnehmer profitieren bei einer einvernehmlichen Beendigung ebenfalls, indem sie am Beendigungsprozess partizipieren und ihre Wünsche vorbringen können. Regelmäßig werden den Arbeitnehmern Gegenleistungen in Form von Abfindungen und/oder Outplacement-Leistungen angeboten, auf deren Art und Höhe sie durch die Partizipation am Beendigungsprozess Einfluss nehmen können.
Überschreitet der Abschluss einer größeren Zahl von Aufhebungsverträgen gegebenenfalls mit anderen arbeitgeberseitigen Trennungen die Schwellenwerte des § 17 KSchG, so ist wiederum eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Bei Trennungen in diesem Umfang ist regelmäßig auch der Betriebsrat wegen Betriebsänderung zu beteiligen (Interessenausgleich und Sozialplan).
Altersteilzeit
Durch Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung kann eine halbe Stelle abgebaut werden. Für den Arbeitgeber birgt solch eine Vereinbarung jedoch den Nachteil, dass er regelmäßig Aufstockungsbeträge bezahlen muss und daher die Personalkosten nicht halbieren kann. Soweit diese Aufstockungsbeträge 20 Prozent des Teilzeitarbeitsentgelts betragen, sind sie steuer- und rentenrechtlich beitragsfrei. Altersteilzeit wird seit 2010 nicht mehr durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert. Allerdings schied eine Förderung schon immer in den meisten Fällen aus, wenn hiermit Personal reduziert werden sollte: Eine Förderung setzte die Wiederbesetzung der freien Stelle voraus.
Transfergesellschaften/-agenturen
Transfergesellschaften haben sich zu einer empfehlenswerten Outplacement-Leistung entwickelt. Die Arbeitnehmer scheiden meist sehr zeitnah durch eine Vereinbarung mit Arbeitgeber und Transfergesellschaft aus, Kündigungsfristen sind nicht einzuhalten. Kündigungsschutzverfahren sind dann ausgeschlossen. Die Arbeitnehmer haben auch erhebliche Vorteile, was die Akzeptanz erhöht. Sie werden qualifiziert, beziehen bis zu zwölf Monate Transferkurzarbeitergeld und können sich länger als im Falle einer Kündigung aus einer bestehenden Anstellung heraus neu orientieren. Der Arbeitgeber finanziert neben dem Honorar für die Transfergesellschaft sogenannte Remanenzkosten für nicht vom Transferkurzarbeitergeld gedeckte Entgelte bei Nichtarbeit sowie meist Aufschläge. Wenn der Arbeitgeber die durch Wegfall der Kündigungsfristen ersparten Entgelte in die Transfergesellschaft einbringt, kann der Verbleib der Arbeitnehmer in der Transfergesellschaft meist bis zu der doppelten Zeit ihrer Kündigungsfrist bis maximal zwölf Monate finanziert werden. Sogenannte Transferagenturen werden meist den Transfergesellschaften vorgeschaltet, sie sind auch isoliert möglich. Sie haben während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses Maßnahmen zum Gegenstand, die eine Neuorientierung der Betroffenen fördern sollen. Auch Transferagenturen werden von der Bundesagentur für Arbeit gefördert.
Weitere Maßnahmen
Arbeitszeitabbau: theoretisch denkbar ist auch der Abbau von Kapazitäten durch generelle Reduzierung der Arbeitszeit. Kündigungen kann dieses Modell meist schon nur in größeren Einheiten vermeiden helfen. Angesichts der arbeitsvertraglichen Situation ist der Arbeitgeber regelmäßig auf das Einvernehmen aller betroffenen Arbeitnehmer angewiesen. Praktisch steht dem sehr häufig die persönliche Lebensplanung vieler Arbeitnehmer im Wege, die die mit der Arbeitszeitverkürzung einhergehende Entgeltkürzung nicht dauerhaft tragen können.
Umstrukturierungen: Die Zusammenlegung von Betrieben oder Unternehmen kann unter anderem mittels Hebung von Synergien und Optimierung von Strukturen Instrument zur Personalreduzierung und Kostensenkung sein. Solche Maßnahmen erfordern häufig einen großen Organisationsaufwand. Bei Betriebseinschränkungen, -stilllegungen und -verlegungen muss auch der erhebliche zeitliche und finanzielle Aufwand der allfälligen Verhandlungen über Interessenausgleiche und Sozialpläne berücksichtigt werden. Vorteil der vollständigen Stilllegung eines Betriebs ist der Wegfall der Sozialauswahl bei Kündigungen, da die Sozialauswahl betriebsbezogen erfolgt. Das Prozessrisiko bei etwaigen anschließenden Kündigungsschutzverfahren wird hierdurch erheblich gemindert.
Nutzung der natürlichen Fluktuation: Einstellungsbeschränkungen schließlich können einfach und kostengünstig gehandhabt werden, begründen allerdings auch die Gefahr eines Mangels an qualifizierten Arbeitskräften.
Autoren
Dietmar Heise, Rechtsanwalt, Partner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Stuttgart,
dietmar.heise@luther-lawfirm.com
Eva Bartel, Rechtsreferendarin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Stuttgart,
eva.bartel@luther-lawfirm.com
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