Ausgabe 10, Special Gesundheitsbranche - 2015
Konstruktives Feedback hilft allen

In Personalentwicklungskonzepten deutscher Krankenhäuser rücken überfachliche Kompetenzen stärker in den Fokus. Viele Kliniken setzen in diesem Zusammenhang auf mehrperspektivisches Feedback als Instrument der Führungskräfteentwicklung.
Den Anstoß dazu, sich noch intensiver mit dem Thema Führungsqualität im Universitätsklinikum Köln auseinanderzusetzen, gab eine Mitarbeiterbefragung, die einige Aspekte der Führungskultur als optimierungswürdig identifizierte und zudem zeigte, dass Führung intern unterschiedlich gelebt und wahrgenommen wird. Deshalb erfolgte die Neuentwicklung eines Kompetenzmodells für Führungskräfte. Um sicherzustellen, dass dieses Einzug in den Arbeitsalltag hält und um die Anforderungen an Führungskräfte transparent zu machen, wurde unter anderem beschlossen, den Katalog an Personalentwicklungsinstrumenten um ein bedarfsbezogenes Führungsfeedback zu erweitern (siehe Abbildung). Das Kompetenzmodell bildete dafür die Grundlage.
Abbildung
Mehrperspektivisches Führungsfeedback

Die Führungskraft bekommt eine strukturierte und systematisierte Rückmeldung von Mitarbeitern, Vorgesetzen, Kollegen und weiteren Schnittstellenpartnern zu arbeitsbezogenem Verhalten. Gleichzeitig nimmt sie eine Selbsteinschätzung vor.
„Gute Führung“ wird relevanter
Ähnlich wie in Köln setzt sich an vielen Kliniken vermehrt die Erkenntnis durch, dass die Leistung eines Krankenhauses zunehmend auch von der Qualität seiner Führungskräfte abhängt. Hinzu kommt, dass schlechtes Führungsverhalten – auch im Klinikumfeld – nach wie vor einer der wichtigsten Gründe für Mitarbeiterunzufriedenheit ist. Dazu verschärft sich der Leistungsanspruch im Gesundheitswesen stetig: Zwar steht die bestmögliche Versorgung des Patienten weiterhin im Mittelpunkt, aber Wirtschaftlichkeits- und Qualitätskennzahlen spielen eine immer zentralere Rolle und der Druck, sich weiter zu rentablen Dienstleistungsunternehmen zu entwickeln, wächst.
So haben sich auch die Anforderungen an Führungskräfte im Klinikumfeld gewandelt – eine hohe Fachkompetenz allein ist längst nicht mehr ausreichend. Überfachliche Qualifikationen gewinnen an Relevanz und es gilt, sich konstruktiv mit der eigenen Führungsrolle auseinanderzusetzen.
Viele Wege führen zum Feedback
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass viele in der Privatwirtschaft seit langer Zeit erfolgreich eingesetzte Personalentwicklungsinstrumente auch in Kliniken Einzug halten. Zur Förderung der Führungsqualität setzen dabei viele Krankenhäuser auf Führungsfeedbacks. Deren Implementierung kann mit Blick auf die Zielsetzung des einzelnen Hauses und die Einbettung in die Organisation unterschiedlich ausfallen.
Anhand von Beispielen aus vier Feedback-Projekten wird nachfolgend aufgeführt, welche Herausforderungen und Erfolgsfaktoren in verschiedenen Phasen der Umsetzung im Klinikkontext zu berücksichtigen sind.
Fragebogenentwicklung
Um eine Übertragung der Ergebnisse in den Arbeitsalltag sicherzustellen, sollte der Fragebogen möglichst realitätsnah gestaltet sein. Die größte Herausforderung liegt dabei in der heterogenen Mitarbeiterstruktur eines Krankenhauses, die bei der Fragebogenentwicklung einen inhaltlichen Spagat verlangt: Die Aussagen müssen so formuliert sein, dass Kollegen unterschiedlichster Arbeitsbereiche diese bewerten können; gleichzeitig sollten sie aber spezifisch genug sein, um aus dem Ergebnis konkrete Schlüsse ziehen zu können.
Die Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin GmbH, die ihren Führungskräften seit 2011 Feedback-Prozesse anbietet, bezog die relevante Zielgruppe direkt in die Fragebogenentwicklung mit ein: Visionäre Interviews mit potenziellen Feedback-Teilnehmern gaben Aufschluss über Kernaspekte von Führung und ermöglichten somit die Identifikation zentraler Kompetenzen und deren Überführung in verhaltensbezogene Aussagen.
Das Klinikum Stuttgart, welches Führungsfeedback seit 2014 klinikweit einsetzt, griff für die Entwicklung des Fragebogens auf bestehende Führungsgrundsätze zurück und das Universitätsklinikum Köln nutzte eine Evaluationsbefragung, um im Nachgang an die Pilotdurchführung inhaltliche Anpassungen vorzunehmen und die Akzeptanz des Instruments zu erhöhen.
Prozessdesign
Das Prozessdesign des Führungsfeedbacks richtet sich klar an der jeweiligen Zielsetzung aus. Hierzu zählt neben der Frage nach dem Grad des Feedbacks – von wie vielen Arbeitspartnergruppen Rückmeldungen erfolgen – unter anderem auch die Entscheidung, ob die Erhebung in bedarfsbezogenen Einzeldurchführungen oder Befragungswellen erfolgen soll.
Die Universitätsmedizin Greifswald, die Führungskräften aus dem pflegerischen und medizinischen Bereich seit 2012 ein 360-Grad-Feedback bereitstellt, entschied sich für eine individuelle On-demand-Variante, im Rahmen derer die Feedback-Empfänger gemeinsam mit der zuständigen Pflegedienst- oder Zentrumsleitung den Prozess anstoßen.
Eine andere Möglichkeit ist, dass der Prozess von den Führungskräften einmal innerhalb von zwei Jahren eigenverantwortlich mittels eines Intranet-Anmeldeformulars gestartet werden kann.
Information und Kommunikation
Unabhängig von der Durchführungsform haben sich im Klinikkontext Maßnahmen zur Erhöhung von Transparenz und Akzeptanz als sehr wichtig für einen reibungslosen Ablauf herausgestellt. Um den Datenschutzanforderungen gerecht zu werden, gilt es beispielsweise auf die hohen Anonymitätsstandards und die Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister zu verweisen. Darüber hinaus hat es sich als hilfreich erwiesen, die Geschäftsleitung sowie Mitarbeitervertreter sichtbar und umfassend in die Kommunikation einzubeziehen. Das Klinikum Stuttgart setzt hier auf ein mehrstufiges Kommunikationskonzept, das über Ziele, Ablauf und Folgeaktivitäten informiert. Neben der Nutzung von Werbeplakaten, Mitarbeiterzeitung und Intranet werden Informationsveranstaltungen angeboten. Zudem stehen für Feedback-Empfänger und -Geber Flyer zur Verfügung, die rollenspezifische Fragen zum Prozess beantworten.
Effiziente Durchführung
In einem Arbeitsumfeld mit hohem Zeitdruck sollte der eigentliche Prozess der Feedback-Erhebung schlank und effizient sein. Es empfiehlt sich, eine Online-Plattform einzusetzen, die einfach zu handhaben ist und Ergebnisberichte automatisiert erstellt. Gleichzeitig sollte das Tool den klinikspezifischen Prozess flexibel abbilden können.
So lässt sich beispielsweise die Teilnehmerbenennung unterschiedlich gestalten. In den Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin GmbH benennen Führungskräfte gemeinsam mit der Personalentwicklung ihre Feedback-Geber anhand einer Anmeldeliste, über die diese dann zum Prozess eingeladen werden. Im Klinikum Stuttgart werden dagegen die Feedback-Geber direkt mittels eines Auszuges aus der zentralen Mitarbeiterdatenbank hinterlegt und vom Feedback-Nehmer überprüft.
Auch die flankierende Nutzung von Papiereinladungen oder -fragebögen kann sinnvoll sein. So erhalten die Mitarbeiter ohne eigene E-Mail-Adresse beim Arbeitgeber eine gedruckte Einladung mit individuellen Log-in-Daten. Anschließend können sie ihr Feedback von jedem Gerät mit Internetzugang abgeben. Alternativ ist es auch möglich, den Fragebogen händisch auszufüllen und zur anonymen Auswertung an den externen Dienstleister zu senden.
Schritte der Nachbereitung
Über die Erstellung eines Ergebnisreports hinaus empfiehlt sich der Einsatz eines strukturierten Nachbereitungsprozesses, um die individuelle Auseinandersetzung mit dem Feedback sicherzustellen. Die meisten Häuser bieten Feedback-Empfängern die Möglichkeit, im Vieraugengespräch mit einem Coach die Ergebnisse zu interpretieren, eigene Stärken und Entwicklungsbereiche zu identifizieren und Entwicklungsziele zu erarbeiten. In der Universitätsmedizin Greifswald können der resultierende Entwicklungsplan direkt online hinterlegt und individuelle Entwicklungsschritte gemeinsam mit der Personalentwicklung überwacht werden. In allen Fällen ist als weiterer – teils verpflichtender – Schritt die Besprechung der Ergebnisse mit dem Vorgesetzten vorgesehen. Dieses Gespräch kann auch für die Ableitung individueller Entwicklungsmaßnahmen genutzt werden. Schließlich bespricht die Führungskraft relevante Ergebnisse auch mit den eigenen Mitarbeitern. Neben dem Dank für die Teilnahme dient dieser erfolgskritische Schritt auch einer Konkretisierung des Feedbacks und der Überprüfung eigener Hypothesen.
Führungsqualität entwickelt sich
In der Evaluationsbefragung des Universitätsklinikums Köln gaben über 75 Prozent der Teilnehmer an, mit dem Feedback-Prozess zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Gleichzeitig wurden Optimierungspotenziale identifiziert, die bei der klinikweiten Einführung des Instruments berücksichtigt werden können. Auch bei Zufriedenheitsmessungen in anderen Häusern zeigten sich ähnlich gute Werte. Die positiven Rückmeldungen sind ein Signal dafür, dass das Instrument Führungsfeedback immer stärker an Akzeptanz gewinnt. Als fester Bestandteil der Personalentwicklung leistet es in zunehmendem Maße einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Führungsqualität und -kultur sowie der Zusammenarbeit.
Autoren
Thomas Flock, Projektleiter und Berater für strategische Personal- und Organisationsentwicklung, meta | five gmbh, Köln,
t.flock@meta-five.com
Alexandra Hiekel, Geschäftsführerin, meta | five gmbh, Köln,
info@meta-five.com
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