Ausgabe 11 - 2011
Spitzenkräfte sehnen sich nach Flexibilität
Auch Spitzenkräfte wünschen sich zunehmend flexiblere Arbeitszeiten. Doch nur wenige nehmen die Angebote ihrer Unternehmen tatsächlich an. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die von Unternehmen entwickelten Modelle nur selten den Bedürfnissen ihrer Top-Leute entsprechen.
Oft mangelt es den Angeboten an sichtbarer Unterstützung durch die Geschäftsführung – etwa einem Vorstand, der Work-Life-Balance vorlebt, so das Ergebnis der Studie der Unternehmensberatung Bain&Company „Flexible work models: How to bring sustainability to a 24/7 world“. Insgesamt wurden mehr als 3300 Spitzenkräfte aus Europa, den USA und Asien befragt, davon rund 38 Prozent Frauen. Alle Studienteilnehmer arbeiten in herausfordernden Positionen, tragen große Verantwortung und sind unberechenbaren Arbeitsabläufen sowie Termindruck ausgesetzt.
Grundsätzlich hat die Studie ein sehr hohes Interesse an flexiblen Arbeitszeitmodellen ermittelt: 94 Prozent der weiblichen und 78 Prozent der männlichen Spitzenkräfte interessieren sich für die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten. Tatsächlich nutzen davon aber nur die Hälfte der Frauen (46 Prozent) und weniger als ein Drittel der Männer (25 Prozent) entsprechende Angebote. Frauen, so die Studie, würden somit doppelt so oft flexible Arbeitszeitmodelle nutzen wie Männer. Obwohl 60 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, werden diese nur in 18 Prozent der Fälle breit in Anspruch genommen. Andererseits zeigt sich, dass unter den Befragten die Angst vor dem Karriere-Aus, sollten sie tatsächlich entsprechende Angebote annehmen, weit verbreitet ist. So äußerte eine europäische Senior Bankerin (aus der Kategorie 56 bis 65 Jahre) ihre Bedenken, dass das Top-Management den Wunsch nach flexibler Arbeit als Schritt in Richtung Rente interpretieren könnte.
Flexibel, um sich vor der Arbeit zu drücken?
Kollegen könnten denken, man wolle sich vor der Arbeit drücken, führte ein jüngerer Studienteilnehmer an. Um die Skepsis von Top-Talenten gegenüber flexiblen Zeitmodellen zu beseitigen, muss die Geschäftsführung solche Angebote sichtbar unterstützen und am besten selbst nutzen. „Dazu gehört auch die Kommunikation von Erfolgsgeschichten, also prominenten Beispielen aus dem Unternehmen, die flexibel arbeiten und dennoch Karriere machen“, sagt Dr. Gunther Schwarz, Partner und Experte für Personalstrategien bei Bain & Company. In der Studie gaben 86 Prozent der Befragten an, dass die Unterstützung seitens der Führungsspitze ein ausschlaggebendes Kriterium für ihre Abwägung sei, flexible Arbeitszeitangebote zu nutzen.
Werden den Beschäftigten gut umgesetzte und im Unternehmen akzeptierte Arbeitszeitmodelle angeboten, steigen deren Loyalität und Arbeitszufriedenheit deutlich. Wie die Bain-Studie zeigt, empfehlen Mitarbeiter ihren Arbeitgeber oder dessen Produkte in diesen Fällen häufiger weiter. Die Bindung zum Unternehmen steigt bei Männern um 25 Prozent und bei Frauen sogar um 40 Prozent. Insbesondere die viel beschworene „Generation Y“ weiß laut Studie die Möglichkeit zum flexiblen Arbeiten zu schätzen: Rund 86 Prozent der befragten „Millenials“ erwarten ein entsprechendes Angebot von ihrem potenziellen Arbeitgeber. „In Deutschland gibt es großen Nachholbedarf, wenn es um flexible Arbeitszeitmodelle für Fach- und Führungskräfte geht“, sagt Gunther Schwarz. „Ich kenne kaum ein Unternehmen, das heute bereits den unterschiedlichen Bedürfnissen seiner Spitzenleute gerecht wird.“ Dabei seien gerade flexible Arbeitszeiten, so Schwarz, ein ausgezeichnetes Argument, um bei zunehmendem Fachkräftemangel Top-Qualifizierte anzuwerben und langfristig im Unternehmen zu halten.
Gerade mit Blick auf das Thema „Gleichberechtigung“ erweist sich der Mangel an flexiblen Arbeitszeitmodellen als Hemmschuh: Je höher es die Karriereleiter hinaufgeht, desto weniger Frauen finden sich in diesen Sphären. Es überrascht wenig, dass noch 2009 nur drei Prozent der „Fortune 500“-Unternehmen einen weiblichen CEO hatten.
Auf die Ansprüche der Führungskräfte eingehen
Damit flexible Arbeitszeitmodelle intensiv von Spitzenkräften genutzt werden, sollten sie so unterschiedlich sein wie die Top-Performer selbst, raten die Macher der Flexi-Studie. Für ein Unternehmen heißt das, zunächst die speziellen Ansprüche und Vorstellungen seiner Führungskräfte zu erfassen. Dazu sollten sie unter anderem die Mitarbeiter um ihren Input bitten, um den Bedarf der verschiedenen Flexi-Modelle richtig zu kennen. Auch das Herausstellen von „Success Stories“ kann die Mitarbeiter dazu ermutigen, flexible Arbeitszeitmodelle auch zu nutzen. Sind die Bedürfnisse der Top-Qualifizierten erkannt und erfasst, empfiehlt Bain-Partner Schwarz ein Mitglied der Unternehmensführung als Ansprechpartner für flexibel arbeitende Spitzenkräfte zu ernennen. Dieser Ansprechpartner soll


gleichzeitig den Erfolg der verschiedenen Modelle im Unternehmen kommunizieren. Zusätzlich sollte ein Mentor den Aufstieg von flexibel arbeitenden Nachwuchskräften fördern.
All diese Maßnahmen können dazu beitragen, die Vorbehalte gegen flexible Arbeitszeitmodelle im Unternehmen und bei den Top-Leuten abzubauen. „Aufgrund der Alterung unserer Gesellschaft und zu geringer Zuwanderung werden uns schon bald viel weniger qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen als wir benötigen. Jetzt haben die Unternehmen die Chance, durch maßgeschneiderte Arbeitsangebote die besten Talente langfristig an sich zu binden“, so Bain-Partner Gunther Schwarz. Eine „Einheitsgröße“ kann und sollte es in Sachen flexibler Arbeitszeiten nicht geben.
Autor
Sven Frost
- Die Kulturschaffenden
- Wunsch und Wirklichkeit
- Spitzenkräfte sehnen sich nach Flexibilität
- „Teilzeitmodelle und Karriere lassen sich nicht kombinieren“
- Auf Stärken bauen
- Alles im Lot
- Bewusstsein für exzellente Führung
- Köpfe statt Kopfnoten
- Wachstum unterstützen
- Lob der Nachhaltigkeit
- Gehälter fair und transparent gestalten
- Dialog im Dunkeln
- HR-Innovationen auf dem Prüfstand
- „Das Entwicklungslabor der Zukunft ist das Web 2.0“
- HR zum mündigen Partner machen
- Von der Qualifizierung zur Strategieumsetzung
- Was es bei Transfermaßnahmen zu beachten gilt
- „Es wird wichtiger für Unternehmen, als Arbeitgeber für sich Werbung zu machen“
- Heikle Post