Ausgabe 11 - 2011
Wachstum unterstützen
Nach Jahren der Kostenkürzung stehen für HR-Abteilungen nun die Unterstützung des Unternehmenswachstums sowie das Risikomanagement und strategische Fragen im Vordergrund. Das zeigt die aktuelle HR-Service-Delivery-Studie von Towers Watson.
Sieben Trends in den Bereichen „HR-Management“, „Technologie“ und „HR-Service-Delivery-Modell“, die im Folgenden beschrieben werden, lassen sich anhand der Ergebnisse der HR-Service-Delivery-Studie 2011 erkennen. Für die Studie befragt Towers Watson jedes Jahr HR- und HR-IT-Führungskräfte weltweit – im Frühjahr 2011 zum vierzehnten Mal. Dabei stehen Service Delivery-Prozesse und -Methoden sowie die entsprechende Technologie und das Talent Management im Mittelpunkt. Insgesamt 500 global und regional aktive Unternehmen verschiedenster Branchen aus den USA, Kanada und Asien sowie aus Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (EMEA) wurden 2011 befragt. Eine Zusatzbefragung lieferte weitere spezifische Erkenntnisse und Trends zu HR-Shared-Service-Organisationen.
Wachstum unterstützen
Das Thema „Kosten“ verliert weltweit an Bedeutung, bleibt in Europa aber wichtig. Während „Cost Cutting“ im Krisenjahr 2009 weltweit zu den wichtigsten HR-Themen gehörte (Platz drei auf der globalen HR-Agenda), wird es hier 2011 weltweit kaum noch genannt. Anders in der Region EMEA: Hier stehen die Kosten noch auf Platz eins der HR-Agenda. Jedoch hindert dies Unternehmen nicht mehr so stark daran, neue Initiativen zu starten, wie es noch in den Krisenjahren der Fall war.
Um die Kosten im HR-Bereich zu steuern und die Leistungsfähigkeit des HR-Bereichs nachzuweisen, ist ein umfassendes HR-Controlling für die Unternehmen unabdingbar. Dieses wird jedoch stärker als bisher strategisch ausgerichtet, indem nicht nur quantitative und qualitative Daten erhoben werden, sondern diese auch in einen sinnvollen Wirkungszusammenhang gebracht werden. Durch die Identifizierung von Ursachen und deren Effekten können strategisch zielführende Lösungen entwickelt werden.
Unternehmen konzentrieren sich auf Wachstum. Dem langsam sinkenden Kostendruck entspricht der Trend zu wachstumsorientierten Themen. So fordern Linienmanager zunehmend HR-Services, die ihnen dabei helfen, ihre Business-Ziele zu erreichen. Daher genießen wachstums- und entwicklungsorientierte Themen in den HR-Bereichen einen hohen Stellenwert. Dazu gehören zum Beispiel die strategische Personalplanung, die Nachfolgeplanung und das Recruiting, das seit 2009 von Rang elf auf nun Rang vier der globalen HR-Agenda aufgestiegen ist: Unternehmen lösen ihre durch die Finanzkrise verstärkten Wachstumsblockaden wieder mit strategischen Initiativen. Für deren Umsetzung brauchen sie sowohl einen kompetenten HR-Bereich als auch unternehmensweit genügend engagierte und fähige Mitarbeiter sowie Klarheit darüber, wo diese rekrutiert werden können. Wichtig ist dabei, dass deutsche und europäische Unternehmen vor allem in Asien, Osteuropa und Südamerika wachsen, da die europäischen Kernmärkte stagnieren oder schrumpfen.
Risikomanagement hat Priorität. Das Thema „Definition von HR-Kennzahlen“ schoss 2009 „aus dem Nichts“ auf Platz sechs der HR-Agenda. In der Krise wollten Unternehmen vor allem ihre Kostenrisiken beherrschen. Jetzt fällt das Thema zurück auf Platz neun der globalen HR-Agenda. Allerdings hat das Thema Risikomanagement nur relativ zu den anderen Themen an Bedeutung verloren – Kennzahlensysteme zur Erfassung von Kosten, Effizienz und Effektivität werden weiter ausgestaltet. Nun richtet sich der Betrachtungsschwerpunkt jedoch vor allem auf wachstumsorientierte Risiken, etwa in Bezug auf das Talent-Management und die Nachfolgeplanung. Auch die häufig mangelnde Flexibilität, auf Lastspitzen in der HR-Arbeit zu reagieren, wird als ein großer Risikofaktor gesehen.
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Trends im Bereich HR Service Delivery 2011

Quelle: HR-Service-Delivery-Studie, Towers Watson 2011
Gegenwärtig entwickelt sich ein neues Risikoverständnis in den Unternehmen. An die Stelle der althergebrachten Vorstellung, dass Risiko an sich etwas Schlechtes ist, tritt die Überzeugung, dass Risikominimierung nicht um jeden Preis sinnvoll ist. Es wird für die Unternehmen immer wichtiger, Humankapital als Investment zu erkennen und das Risiko als etwas Nutzbares anzunehmen. Auch hier zeigt sich, dass ein angemessenes HR-Controlling den Unternehmen maßgeblich hilft, Risiken zu analysieren und besser einschätzen zu können.
Arbeitserleichterung durch Software-Lösungen
Software as a Service befindet sich im Aufwind. Um ihre HR-Programme effizient zu managen, setzen Unternehmen zunehmend auf HR-IT-Lösungen: 52 Prozent der Teilnehmer planen „ungefähr gleiche“ Investments wie vor einem Jahr, 34 Prozent sogar „höhere“ oder „viel höhere“. Vor allem steigt der Bedarf an flexiblen und einfachen globalen Anwendungen. Dazu gehören in erster Linie Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS-Lösungen), bei denen ein externer Dienstleister Anwendungen und IT-Infrastruktur web-basiert zur Verfügung stellt. Derartige Lösungen sind aus Sicht der Teilnehmer vor allem deshalb vorteilhaft, weil sie schnell und kostengünstig implementiert werden können, umfassende Funktionen bieten und einfach verwaltet werden können. Entsprechend sind 2011 rund 23 Prozent der neu geplanten Software-Implementierungen als SaaS-Lösungen geplant – vor drei Jahren waren dies noch weniger als ein Prozent.
ESS-Anwendungen entlasten den HR-Bereich. Employee Self Services rund um allgemeine Mitarbeiterdaten werden von nahezu allen befragten Unternehmen angeboten: Mitarbeiter können etwa ihre Gehaltsabrechnung online einsehen oder ihre Adresse und andere persönliche Daten selbstständig ändern. Mittlerweile werden dabei auch die erhofften Zeit- und Kosteneinsparungen in den Service-Centern beziehungsweise durch die HR-Administration erreicht, denn die ESS-Anwendungen sind ausgereifter als noch vor ein paar Jahren und werden von den Mitarbeitern stärker genutzt. So geben 90 Prozent aller in Europa befragten Personalmanager an, dass ESS-Lösungen ihre Arbeit wesentlich erleichtern. In den HR-Service-Centern beziehungsweise der Personalverwaltung bestätigen dies 81 Prozent der Befragten in Europa.
Zudem haben sich ESS-Funktionen im Rahmen des Talent Managements fest etabliert: Die meisten teilnehmenden Unternehmen bieten Mitarbeitern die Möglichkeit, interne Stellenangebote anzusehen (90 Prozent), sich darauf zu bewerben (87 Prozent) und ihre Performance-Ziele und -Ergebnisse „einzusehen und gegenzuprüfen“ (64 Prozent). In der Nutzung von Self-Service-Lösungen überholt Europa (54 Prozent der Unternehmen) sogar die USA (52 Prozent).
Neuausrichtung als strategischer Business-Partner
Die Steigerung der HR-Service-Delivery-Effizienz bleibt wichtig. Auch wenn Kosteneinsparungen weniger wichtig werden, behält das Thema „Effizienz“ aus Sicht der Studienteilnehmer seine Bedeutung bei. Die „Verschlankung von Prozessen und Systemen“ steht seit 2007 konstant auf den obersten Rängen der HR-Top-Themen (2011: Rang zwei). Allein 61 Prozent aller Befragten in Europa haben in den letzten 18 Monaten ihre Kernprozesse analysiert und optimiert. Heute geht es vor allem darum, die operative Exzellenz zu steigern, die HR-Services also nicht nur kostengünstig, sondern auch schnell und kundenfreundlich zu „liefern“. Dies bedeutet häufig auch die Automatisierung bzw. Unterstützung von HR-Prozessen durch IT-Systeme und standardisierte Abläufe über verschiedene Standorte hinweg.
Sowohl die Effizienz der gesamten HR-Funktion als auch die Leistung und Wirksamkeit verschiedener HR-Prozesse werden genauer geprüft und gegebenenfalls optimiert. Dies trifft insbesondere auf die Bereiche Talent- und Nachfolgemanagement sowie Performance Management zu.
Die strategische Herausforderung wächst. Den durch Effizienzsteigerungen gewonnenen Freiraum nutzen Personalmanager zunehmend, um ihre Rolle als strategischer Business Partner zu stärken. Die „stärkere Einbindung in strategische Geschäftsthemen“ wird nun endlich auf den drei ersten Plätzen der HR-Agenda genannt. So haben 51 Prozent aller Befragten in Europa den Personalbereich in den letzten 18 Monaten neu auf die Rolle des Business Partners ausgerichtet und nachhaltig für ihre strategischen Aufgaben qualifiziert. Umgekehrt wird das Leistungsversprechen des HR-Bereichs, dem Geschäft als strategischer Partner zur Seite zu stehen, von den Geschäftsbereichen auch stärker eingefordert.
Die Grundlage hierfür bildet das dreiteilige Service-Delivery-Modell von Dave Ulrich (Ulrich, „Human Resource Champions“, 1997; Ulrich/Brockbank, „The HR Value Proposition“, 2005), das in vielen HR-Bereichen verankert ist, und dessen Umsetzung kontinuierlich weiter ausgefeilt wird. Für das Jahr 2011 und 2012 haben 50 Prozent aller Befragten in Europa vor, ihre HR-Organisation dementsprechend in Shared Services, HR-Center of Expertise und HR-Businesspartner umzuwandeln beziehungsweise zu optimieren. Die Aufteilung der Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen Business Partner, Center of Excellence und Service Center sowie die Leistungen im Service Center stehen regelmäßig auf dem Prüfstand. Geplant werden für die kommenden Jahre außerdem das Outsourcen von ausgewählten HR-Aktivitäten (15 Prozent) sowie die Überführung dezentraler Einheiten in eine zentrale HR-Einheit (10 Prozent).
Shared Services auf dem Vormarsch
Die Ergebnisse der allgemeinen HR-Service-Delivery-Studie zeigen, dass das HR-Service-Center-Prinzip die Leistungserbringung des HR-Bereichs immer stärker prägt. Besonders europäische Unternehmen beschäftigen sich aktiv mit der Entwicklung von HR-Shared-Service-Centern (HR-SSC). So nutzen in Europa vor allem große Unternehmen mit mehr als 20 000 Mitarbeitern ein internes HR-SSC (insgesamt 86 Prozent aller befragten Großunternehmen gegenüber 42 Prozent der kleineren Unternehmen mit weniger als 5000 Mitarbeitern). Dabei ist die kombinierte Nutzung von internen und externen HR-SSC-Leistungen beliebter als rein externe Lösungen, bei dem jegliche administrative, transaktionsintensive Aktivitäten ausgelagert werden. Eine Zusatzbefragung zu Shared Services, die im Rahmen der Studie alle zwei Jahre durchgeführt wird, gibt weitere Aufschlüsse. An der Zusatzbefragung haben weltweit 75 global agierende Unternehmen, die aktuell HR-Shared-Services nutzen, teilgenommen. Auch hier bleibt die Effizienz in der Leistungserbringung ein Top-Thema. Effizienzsteigerungen werden hier durch die Nutzung erprobter HR-SSC-Technologien wie etwa automatische Anrufverteilung und -weiterleitung, Case Management-Tools, Tools für das Wissensmanagement, Dokumentenmanagement oder eForms erreicht.
Ebenso wichtig ist die Steigerung der Servicequalität und Benutzerfreundlichkeit. Die Studienergebnisse zeigen, dass bei der generellen Einschätzung der Kundenzufriedenheit 31 Prozent aller Unternehmen „wie erwartet“ abschneiden, 36 Prozent leicht und 31 Prozent weit über den Erwartungen liegen. Die Kundenzufriedenheit wird bei 36 Prozent aller befragten Unternehmen durch eine regelmäßige Befragung ihrer Shared Services, bei 25 Prozent durch eine Befragung zum Case Management und bei zwölf Prozent durch persönliches Feedback gemessen. Ein gutes Drittel (37 Prozent) der befragten Unternehmen erheben die Kundenzufriedenheit jedoch gar nicht. Die „Fehlerfreiheit bei der Fallbearbeitung und Transaktionen“ bietet hier die Grundlage für Kundenzufriedenheit und Servicequalität. Zwar beurteilt der Großteil (73 Prozent) aller Mitarbeiter (also der internen Kunden) die Servicequalität des Shared-Service-Centers als gut bis sehr gut. Das bedeutet aber auch, dass 27 Prozent die Qualität (sehr) schlecht bis gerade akzeptabel finden. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der Wahrnehmung der Servicequalität durch die Manager. Es gilt also auch weiterhin, an der Qualität und Effizienz im Shared-Service-Center zu arbeiten.
Zentrale Handlungsfelder
Die skizzierten Themen und Trends prägen die HR-Arbeit deutlich. Für Personalmanager empfiehlt es sich, ihre Aufmerksamkeit vor allem auf folgende Aufgaben zu konzentrieren:
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Wachstumsblockaden lösen – und auf strategische Themen wie das Talent Management, die Nachfolgeplanung und die Rekrutierung setzen.
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Risiken managen – und dabei neben Kostenrisiken auch wachstumsorientierte Risiken in den Blick nehmen.
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HR-Effizienz steigern – und dazu HR-Prozesse und HR-Systeme optimieren, um die operative Exzellenz zu gewinnen, die aus „HR-Zielgruppen“ zufriedene Kunden macht und der Personalabteilung Freiraum für Wachstumsthemen schafft.
Autoren
Martin Wolff, Practice Leader HR Service Delivery/Strategie und Organisation, Towers Watson Frankfurt,
martin.wolff@towerswatson.com
Judith Schönthal, Consultant, Towers Watson Frankfurt,
judith.schoenthal@towerswatson.com
Elfrun Heuck, Consultant, Towers Watson München,
elfrun.heuck@towerswatson.com
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