Ausgabe 11 - 2011
„Es wird wichtiger für Unternehmen, als Arbeitgeber für sich Werbung zu machen“

Der demografische Wandel und seine Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft sind derzeit in aller Munde. Auch die Beraterinnen und Berater der Managementvermittlung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) beobachten gespannt die gegenwärtige Entwicklung. Unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit beraten und vermitteln sie Führungskräfte der oberen und obersten Leitungsebenen. Die Personalwirtschaft sprach mit Klaus Schuldes, Bereichsleiter der ZAV-Managementvermittlung.
Personalwirtschaft: Herr Schuldes, welche langfristigen Herausforderungen sehen Sie für die weitere Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes?
Schuldes: Die demografische Entwicklung in Deutschland wird in den kommenden Jahren zu der größten Herausforderung für den Arbeitsmarkt. Zwar scheint sich ein akuter Fachkräftemangel derzeit noch auf bestimmte Branchen und Regionen zu beschränken, aber wir stehen erst am Anfang einer langfristigen Entwicklung. Gefragte Fachkräfte werden sich stärker als bisher ihre Arbeitgeber aussuchen können, und sie werden dabei nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Das gilt auch für erfahrene und spezialisierte Führungskräfte.
In ihrem Papier „Perspektive 2025“ hat die Bundesagentur für Arbeit ausführlich dargelegt, welchen Beitrag sie zur Fachkräftesicherung leisten kann. Die Förderung bisher am Arbeitsmarkt unterrepräsentierter Gruppen sowie der notwendigen überregionalen Mobilität der Arbeitnehmer spielen dabei eine wichtige Rolle.
Auf welche Veränderungen müssen sich die Unternehmen einstellen?
In Zukunft entscheidet nicht nur ein Kriterium, zum Beispiel das Gehalt, über die Attraktivität eines Arbeitgebers für potenzielle Mitarbeiter. Ausschlaggebend wird ein ganzes Bündel an Kriterien sein. Dazu gehören flexible und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle ebenso wie eine attraktive Perspektive, was die persönliche und fachliche Weiterentwicklung betrifft. Durch eine größere Vereinbarkeit von Beruf und Familie können zum Beispiel Frauen stärker für Führungs- oder Spezialistenpositionen gewonnen werden.
Wie können Unternehmen auf diese Entwicklung reagieren?
Die Unternehmen sind gut beraten, ihre Attraktivität für die besten Köpfe auf dem Markt solide und transparent deutlich zu machen. Unternehmen werden in Zukunft nicht mehr nur ihre Produkte oder Dienstleistungen bewerben, sondern sich auch als Arbeitgeber sichtbar positionieren müssen. Dieses „Employer-Branding“ haben bereits zahlreiche, vor allem größere Unternehmen in ihre Zukunftsstrategie aufgenommen.
Daneben müssen sich Unternehmen noch stärker als bisher den Themen Personalentwicklung und Personalbindung widmen. Die rechtzeitige Entwicklung gut qualifizierten Nachwuchspersonals auch im Führungskräftebereich wird zu einem Schlüssel für den dauerhaften Fortbestand gerade vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen.
In Zukunft hat das Unternehmen bei der Gewinnung der Besten die Nase vorn, das am ehesten dem steigenden Bedürfnis der jungen Fach- und Führungskräftegeneration nach immateriellen Angeboten gerecht wird. Für manche Unternehmen bedeutet dies Pionierarbeit, für andere die Weiterentwicklung bereits bestehender Praxis.
Die Generation der jungen Managerinnen und Manager von heute ist auch dadurch geprägt, dass sie ihre berufliche Identität nicht nur an einem Arbeitgeber festmacht, sondern häufiger neue Herausforderungen an anderer Stelle sucht. Was bedeutet das für die Unternehmen?
Es deckt sich mit unserer Beobachtung, dass die berufliche Flexibilität bei jungen Managerinnen und Managern stark ausgeprägt ist. Das ist ein Vorteil, wenn es um geografische Mobilität geht. Es kann sich zu einem Nachteil für ein Unternehmen entwickeln, da diese Flexibilität einen erhöhten Wechselwillen beinhaltet. Suchenden Unternehmen erscheint so zwar das Bewerberangebot entsprechend groß. Andererseits ist es eine konkrete Gefahr für diejenigen Unternehmen, die möglicherweise kurz vor dem Verlust einer ihrer besten Köpfe stehen. Um mit diesem Phänomen umzugehen, gibt es keinen Königsweg. In Zukunft wird der Wettbewerb um die besten Köpfe den Arbeitsmarkt generell und im Besonderen im Führungskräftesegment bestimmen. Wie bereits beschrieben, wird dieser Wettbewerb nicht mehr nur an einigen „hard facts“ festgemacht, sondern entscheidet sich maßgeblich an Werten wie Mitarbeiterorientierung, berufliche Entwicklungsperspektive, Unternehmensethik et cetera.
Wenn zu erwarten ist, dass das Angebot an qualifizierten Mitarbeitern in Zukunft knapper wird – ist es dann nicht konsequent, dass Unternehmen verstärkt auch auf das Potenzial erfahrener und älterer Fach- und Führungskräfte zurückgreifen?
Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass gerade im Kreis der älteren Fach- und Führungskräfte ein großer Schatz an Erfahrung und Expertise ungenutzt schlummert. Andererseits haben viele Unternehmen erkannt, dass ein gesunder Mix aus jungen und älteren Mitarbeitern einen konstruktiven Beitrag zum Unternehmensklima leistet, interne Lerneffekte inklusive. Diversity Management ist deshalb für die Unternehmen ein ganz wesentliches Instrument, um die angesprochenen Herausforderungen zu meistern.
Welche Möglichkeiten bestehen noch, dem Engpass an Fach- und Führungskräften zu begegnen?
Auf dem deutschen Arbeitsmarkt herrscht nach wie vor auf Unternehmensseite in vielen Bereichen eine stark ausgeprägte Branchen-Mentalität. Das bedeutet, dass die Unternehmen nicht das gesamte Potenzial an vorhandenen Fach- und Führungskräften ausschöpfen, sondern Kandidatinnen und Kandidaten ausblenden, die nicht aus ihrer eigenen Branche kommen. Branchenkenntnisse sind natürlich wichtig. Das sollte allerdings nicht dazu führen, sich gegen den Zugang vielleicht branchenfremder, aber gut qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber zu sperren. Eine Zusatzqualifizierung oder ein praxisbezogenes Coaching können oft mit vergleichsweise geringem Aufwand dazu führen, dass sogenannte branchenfremde Kandidatinnen und Kandidaten zum Gewinn für das Unternehmen werden. Es ist zu wünschen, dass die Unternehmen auch in dieser Hinsicht Chancen erkennen und nutzen.
Wie können Sie Unternehmen bei der Suche nach neuen Führungskräften konkret unterstützen?
Die ZAV-Managementvermittlung verfügt über einen Bewerberpool mit 4000 Führungskräften, aus dem sie Unternehmen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen kann. Aktuelle mehrjährige Führungserfahrung sowie überregionale Mobilität werden bei der Aufnahme in diesen Pool vorausgesetzt. Wir beraten die Unternehmen aber auch allgemein zur Ausschreibungs- und Rekrutierungsstrategie, zum Beispiel im Hinblick darauf, wie die gewünschten Bewerberinnen und Bewerber am besten angesprochen werden können. Gerade für den Mittelstand ist das interessant, da wir so dazu beitragen können, die oft knappen Kapazitäten im Bereich Human Resources in diesen Unternehmen zu entlasten. Übrigens zählen zu unseren Auftraggebern nicht nur Wirtschaftsunternehmen, sondern auch öffentliche Einrichtungen, Stiftungen und so weiter. Neben der Vermittlung von Führungskräften kann die ZAV Unternehmen aber auch dabei unterstützen, Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren, sollte eine Stelle nicht über den deutschen Arbeitsmarkt zu besetzen sein.
Ihr Angebot steht aber nicht nur Arbeitgebern zur Verfügung.
Die eine Seite kommt ja ohne die andere Seite nicht aus. Führungskräfte auf der Suche nach einer neuen leitenden Position erhalten von uns ebenfalls umfassende Beratung und Hilfe in allen Phasen des Bewerbungsprozesses. Sie beginnt damit, dass wir gemeinsam Möglichkeiten bei der Stellensuche erörtern und passende Strategien erarbeiten. Auch ganz praktische Hilfestellungen wie die Optimierung von Bewerbungsunterlagen oder die Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch zählen dazu. Nicht zuletzt schlagen wir natürlich unseren Bewerberinnen und Bewerbern passende Stellen vor oder versuchen mit ihnen Alternativen ausfindig zu machen.
Was für Alternativen könnten das sein?
Für erfahrene Führungskräfte mit der richtigen Idee kann zum Beispiel das Thema Unternehmensgründung interessant sein. In unseren „Phoenix-Seminaren“ unterstützen wir seit zehn Jahren ehemalige Führungskräfte auf dem Weg in die Selbstständigkeit, angefangen bei der Ausarbeitung eines tragfähigen Geschäftskonzepts. 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben wir seitdem auf dem Weg zum eigenen Unternehmen begleitet.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Weitere Infos: www.zav.de
Auf einem Symposium am 5. Dezember 2011 in Bonn widmet sich die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) dem Thema Demografie-Management und Fachkräftesicherung. Neben dem Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit Raimund Becker werden namhafte weitere Referenten aus Wirtschaft und Verbänden das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und Lösungsansätze diskutieren. Die Veranstaltung richtet sich vornehmlich an Unternehmen des Mittelstandes.
Weitere Informationen zu der Veranstaltung sowie Teilnahmeunterlagen erhalten Sie unter: Tel.: 0228 713-1500, E-Mail: zav-bonn.mv@arbeitsagentur.de
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