Ausgabe 11 - 2011
Auf Stärken bauen
Die 3M Deutschland GmbH hat mit einer Lerntradition gebrochen. Anstatt sich in der Personalentwicklung auf die Behebung von Defiziten der Mitarbeiter zu konzentrieren, setzt das Unternehmen konsequent auf die Stärkenorientierung. „Build on Strengths“ (BoS) heißt die Maxime. Für diesen durch HR angestoßenen Kulturwandel ist 3M mit dem ersten Platz beim Deutschen Personalwirtschafts-Preis belohnt worden.
Defizitorientierte Führung und Personalentwicklung ist in vielen Unternehmen Alltag. Und so geht es in den jährlichen Mitarbeitergesprächen oft nur um das, was noch nicht ausreicht, gefolgt von einer „Gap-Analyse“ im Hinblick auf die Schwächen und entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen. Viel Energie und Geld fließt in das Aufarbeiten von Defiziten anstatt in die Förderung von Stärken. Die Personalpolitik der 3M Deutschland GmbH bricht mit dieser Tradition und strebt ein Umdenken an: Bereits im Jahr 2007 wendete sich der Personalbereich der Idee der Stärkenorientierung zu, um eine Win-Win-Situation für das Unternehmen und die Mitarbeiter zu erreichen. Jeder Mitarbeiter hat persönliche Talente und individuelle Stärken. Daher ist und war es das Ziel, durch Wertschätzung und Stärkenförderung das gesamte Potenzial der Mitarbeiter für 3M noch nutzbarer zu machen und einen „Best Fit“ von Stärken und Tätigkeiten zu erreichen.
Der Nutzen der Stärkenorientierung
„BoS“ wurde bei 3M bereits vor der Wirtschaftskrise initiiert und in der Krise weiter vorangetrieben: Seit dem Jahr 2008 ist die Initiative fest als strategisches Ziel bei der 3M Deutschland GmbH verankert. Mit dem Verständnis der Initiative als Kulturwandel war sie ursprünglich auf drei bis fünf Jahre angelegt. Doch ein wirkliches Ende ist heute noch nicht abzusehen, da der Ansatz im Unternehmen Wurzeln geschlagen hat und immer weiter wächst. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten hilft BoS, optimale Rahmenbedingungen für Bestleistung zu schaffen und das persönliche Engagement zu fördern. Zudem werden qualifizierte Arbeitskräfte aufgrund des demografischen Wandels künftig extrem umkämpft sein, sodass Unternehmen mehr und mehr gefordert sind, Mitarbeiter zu binden und deren Potenzial voll auszuschöpfen. Arbeitgeber, die in ein aktivierendes Betriebsklima investieren, werden in Zukunft somit einen deutlichen Wettbewerbsvorteil haben. Aber auch schon heute zeichnet sich der große Nutzen ab, den die Investition in die Stärkenorientierung mit sich bringt (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1
Nutzen der Initiative „Build on Strengths“

Demnach konzentriert sich die stärkenorientierte Personalentwicklung auf die Frage, welche vorhandenen Stärken im Unternehmen zur Verfügung stehen und wie diese optimal (für den Mitarbeiter und das Unternehmen) eingesetzt und/oder gefördert werden können. Das Ziel: der „Best Fit“ zwischen Mitarbeitern und Aufgaben, der dann erreicht ist, wenn
- 1.
die Personalplanung einer stärkenorientierten Strategie folgt,
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die Aufgaben den Stärken des jeweiligen Mitarbeiters entsprechen,
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eine optimale Aufgabenverteilung innerhalb von Abteilungen erreicht ist und
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Projektteams so zusammengestellt sind, dass sich die Stärken der Teammitglieder ergänzen.
Die Maßnahmen
Kultur ist nicht einfach durch eine Maßnahme zu ändern – das versteht sich von selbst. Aus diesem Grunde hat 3M an verschiedenen Stellhebeln der Veränderung angesetzt. Auf der individuellen Ebene – dem einzelnen Mitarbeiter –, der kollektiven Ebene sowie der organisationalen Ebene.
Es ging darum, Impulse zu setzen, anstatt sie nur zu empfangen – jede Abteilung, jedes Team, jeder Einzelne ist aufgefordert, den Gedanken der Stärkenorientierung weiterzutragen. Denn ein erfolgreicher Kulturwandel verlangt Beteiligung. Im Folgenden werden ausgewählte Maßnahmen, die eine besonders große Wirkung erzielt haben, näher vorgestellt.
Impulsveranstaltungen
Die Kommunikation von „Build on Strengths“ startete mit zielgruppenorientierten Impulsveranstaltungen jeweils für Führungskräfte und Mitarbeiter. Ziel dieser Impulsveranstaltungen war es, erste Informationen zu BoS zu vermitteln, die Mitarbeiter neugierig zu machen und sie zur aktiven Teilnahme an dem Veränderungsprozess einzuladen.
Die Impulsveranstaltungen für Führungskräfte wurden in Form von kurzen Impulsreferaten durch einen externen Referenten und Spezialisten zum Thema durchgeführt, an denen alle Führungskräfte der 3M Deutschland GmbH teilnahmen. Die Impulse für Mitarbeiter wurden in Form von Großgruppenveranstaltungen von externen Moderatoren für jeweils 150 bis 300 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten durchgeführt. Insgesamt nahmen rund 70 Prozent aller Mitarbeiter teil. Dabei stand nicht die reine Informationsvermittlung im Vordergrund, sondern vielmehr die Aktivierung der Mitarbeiter als Teil des Veränderungsprozesses und ein Austausch zu Fragen wie „Welche Stärken bringt 3M zur Bewältigung dieses Kulturwandels mit?“, „Welche persönliche Stärke kann ich dazu beitragen?“, „Welche hilfreichen Gedanken und Fragen möchte ich 3M zur Bewältigung dieses Kulturwandels mit auf den Weg geben?“. Die Ergebnisse flossen in den folgenden Prozess ein.
Trainings
Aufbauend auf den Impulsveranstaltungen fanden extern durchgeführte zweitägige Führungskräftetrainings zum Thema „Stärkenorientierte Führung“ statt, an denen bis heute bereits circa 70 Prozent aller Führungskräfte teilgenommen haben. Für die Mitarbeiter werden analog dazu zweitägige Trainings zum Thema „Auf Stärken bauen“ durch ein externes Trainingsunternehmen angeboten, an denen bereits circa 40 Prozent aller Mitarbeiter aus allen Bereichen teilnahmen. In diesen Trainings beschäftigen sich die Mitarbeiter mit ihren eigenen Potenzialen und wie sie diese für sich und das Unternehmen noch besser nutzbar machen können. Sie schaffen sich dadurch neue Handlungsspielräume und mehr Sicherheit und werden in ihrer Eigenverantwortung, den Prozess weiter zu tragen, gestärkt.
BOS-Team Workshops
Um den stärkenorientierten Ansatz noch konkreter im Arbeitsalltag zu verankern und die Transfer-Lücke zwischen dem Ansatz auf der individuellen Ebene durch die Trainings und dem Ansatz auf kollektiver Ebene zu schließen, werden so genannte BoS-Team Workshops angeboten. Hier erarbeitet das Team gemeinsam mit der Führungskraft mithilfe kreativer Methoden Ideen und Maßnahmen, wie BoS nachhaltig im Team gelebt werden kann. Unterstützt werden die Führungskraft und das Team dabei durch externe Moderatoren, die aufgrund ihrer Erfahrungen aus den Trainings „Auf Stärken bauen“ mit dem Prozess vertraut sind.
Neben diesen durch die Personalentwicklung initiierten Maßnahmen haben sich weitere Maßnahmen und Projekte entwickelt, die sich als integrativer Ansatz wie ein roter Faden durch die gesamte Personalpolitik der 3M Deutschland GmbH ziehen. Beispielsweise:
Internal Mobility
In einem neuen Leadership Development-Programm beschäftigte sich eine Projektgruppe damit, wie qualifizierte Mitarbeiter durch interne Karrieremöglichkeiten an das Unternehmen gebunden werden können. Das Projektteam analysierte die Bereitschaft zur internen Mobilität und erarbeitete Lösungen, wie Mitarbeiter, die sich gemäß ihrer Stärken auf neues Terrain wagen, ermutigt und darin unterstützt werden können.
Human Capital Planning
Gemäß des Business Plans wird neben dem quantitativen Bedarf für die nächsten fünf Jahre auch der qualitative Aspekt betrachtet: Welche Mitarbeiter-Funktionen und -Stärken sind erforderlich und wo muss Personalentwicklung übergreifend, individuell und zielführend ansetzen. Das bedeutet auch, offene Führungspositionen stärkenorientiert zu besetzen und in die stärkenorientierte Entwicklung von potenziellen Nachfolgern zu investieren.
Integration in die Konzeption neuer Programme
Im Vorfeld eines Pilotprogramms für High Potential Manager mit dem Schwerpunkt „Changemanagement“ fand zum Beispiel eine stärkenorientierte Auswahl der Kandidaten statt, das heißt wer heute schon besonders gut in fachlich und sozial komplexen Themenstellungen ist und daher am besten auf die individuelle „Change-Stärke“ bauen kann. Die Teilnehmer durchliefen ein 360°-Feedback und benannten Stärken, die sie während des Programms einsetzen und weiter ausbauen möchten. Am Ende des Programms stand eine Reflexion der persönlichen Stärken, deren Einsatz und Weiterentwicklung.
Training & Coaching
Mit Einführung von „Build on Strengths“ wurden alle externen Trainer über den Ansatz der Stärkenorientierung informiert und es wurde gemeinsam überlegt, wie der Blickwinkel der Trainingsinhalte noch mehr dahingehend ausgerichtet werden kann. Das hatte teilweise Umkonzipierungen zur Folge – und auch individuelle Führungskräfte-Coachings folgen seit 2008 „Build on Strengths“, sind daher immer ressourcenorientiert ausgerichtet.
Leading Women
Für die Initiative der internen „Leading Women“ der 3M Deutschland GmbH wurde ein maßgeschneidertes stärkenorientiertes Training durchgeführt. Anschließend beschäftigten sich die Teilnehmerinnen damit, wie sie den Ansatz weiter ins Unternehmen tragen können.
Kundenveranstaltungen
Für einen Teil der 3M-Kunden wurden Veranstaltungen angeboten, in denen sie sich über die neue stärkenorientierte Ausrichtung der 3M Deutschland GmbH informieren konnten.
Implementierung in Tochterfirmen
„Build on Strengths“ wurde nicht nur bei der 3M Deutschland GmbH eingeführt, sondern auch bei den Tochterunternehmen 3M ESPE AG und Dyneon GmbH implementiert – und das jeweils auf eine Art und Weise, die zum Standort passt und sich an den lokalen Bedarfen ausrichtet.
Die Erfolge
Die Qualität der Einzelmaßnahmen sind durch Feedbackbögen laufend gesichert, und die Teilnehmer zeigen deutlich ihre Begeisterung. Da dieser Kulturwandel jedoch mehr ist als die Summe aller Maßnahmen, gleicht er eher einer Reise, auf der der Weg der Veränderung das Ziel ist.
Abbildung 2
Ziele des stärkenorientierten Kulturwandels

Aus diesem Grunde kann der Kulturwandel auch noch nicht abschließend evaluiert werden. Doch drei Fakten – wirtschaftlicher Erfolg, hohe Arbeitgeberattraktivität und ein hohes Mitarbeiterengagement –bestätigen die Wirksamkeit des eingeschlagenen Wegs schon heute: Der Gesamtumsatz der 3M Deutschland GmbH stieg im ersten Halbjahr 2011 um 16 Prozent auf 360 Millionen Euro. Das Great Place To Work Instituts zeichnete die 3M Deutschland GmbH 2011 nach 2010 zum zweiten Mal als den besten Arbeitgeber in der Kategorie 2000 bis 5000 Mitarbeiter aus. In der Befragung begründeten viele Mitarbeiter ihr Feedback auch mit dem stärkenorientierten Ansatz und der damit erlebten Eigenverantwortung und Wertschätzung. Auch der Gewinn des Personalwirtschaftspreises untermauert die 3M-Überzeugung: Wertschätzung und Unternehmenserfolg schließen sich nicht aus, sie bedingen sich gegenseitig.
Autorinnen
Anja Dondrup, Leiterin Personalentwicklung, 3M Deutschland GmbH,
adondrup@mmm.com
Anke Haulena, Spezialistin Personalentwicklung, 3M Deutschland GmbH,
ahaulena@mmm.com
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