Ausgabe 11 - 2011
Lob der Nachhaltigkeit
Auf allen Ebenen wird gegenwärtig Nachhaltigkeit gefordert –nachhaltige Geschäftsfeldstrategien, nachhaltige Geschäftsmodelle bis hin zu nachhaltigen Vergütungskonzepten. Wie die Mitarbeiterbefragung als Instrument einer nachhaltigen Personalarbeit eingesetzt werden kann, zeigt das Beispiel der Bremer Landesbank.
Der Kontext des Nachhaltigkeitsdiskurses zeigt, dass nicht ausschließlich originär ökologische Überlegungen im Zentrum der Betrachtungen stehen. Der aktuelle Diskurs hat einen größeren Radius – auch und gerade weil er auf dem ökologischen Ressourcenbegriff und damit auf einer reflektierten Einsicht in die Endlichkeit, Erschöpfbarkeit und Schutzwürdigkeit natürlicher Ressourcen basiert.
Die Betrachtung der Humanressourcen ergibt sich daraus automatisch. Sicherlich, bislang war an den meisten Konzepten des „Nachhaltigen Personalmanagements“ kein Unterschied zu gängigen Modellen und Methoden zu erkennen. „Nachhaltig“ geriet ein ums andere Mal zu einem ebenso wohlklingenden wie nichtssagenden Beiwort und teilt damit das Schicksal von Ausdrücken wie „ganzheitlich“, „integriert“ oder „strategisch“. „Alter Wein in neuen Schläuchen“ – eine richtige Zustandsbeschreibung für das Worthülsengebimmel im Personalmanagement.
Der Unterschied, der den Unterschied macht
Worin also soll jetzt der Unterschied, der den Unterschied macht, bestehen? Entscheidend ist der Begriff „Ressource“. Es geht nicht um artifizielle Prozesse im Personalressort, nicht um eine vollständige Instrumentierung der Personalarbeit oder selbst-referentielle HR-Business-Partner-Modelle. Es geht um die strategische und operative Konzentration auf die Humanressourcen.
Nicht im Sinne des volltönenden Bekenntnisses zur Bedeutung dieser Ressource, sondern um die konsequente Ausrichtung der Personalarbeit an den Geboten der Nachhaltigkeit. Im Zentrum stehen dabei zwei Kernbegriffe, der „Substanzerhalt“ und der „Substanznachschub“.
Nachhaltige Personalarbeit zielt auf den Erhalt und die Erweiterung personalisierter (physischer, psychischer, sozialer und intellektueller) Leistungsfähigkeit. An diesem Ziel sind Ablauf- und Aufbauorganisation des Personalressorts auszurichten, gerade mit Blick auf die zentralen Umgebungsfaktoren der Betriebs- und Personalwirtschaft. Das sind: die globale Güter- und Wissensökonomie, die zunehmende Volatilität und Risikointensität komplexer werdender Märkte, der demografische Wandel, die Nivellierung staatlicher Bildungssysteme und die Transformationen innerhalb der eigentlichen Wertschöpfungsstrukturen.
Kurzfristige, an rascher Erfolgssteigerung orientierte Investitionsstrategien sind in diesem Umfeld dysfunktional. Das gilt für Investitionsgüter wie für Humanressourcen gleichermaßen. Tatsächlich geht es um eine nachhaltige Bewirtschaftung dieser Ressourcen. Mit den Kernbegriffen „Substanzerhalt“ und „Substanznachschub“ rücken Handlungsfelder wie das Betriebliche Gesundheitsmanagement, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Diversity Management, die interne und externe Personalrekrutierung, das Personalrisikomanagement, die Anwerbung und Qualifizierung von Managementnachwuchs auf der Agenda des Personalers ganz nach oben.
Strukturierter Dialog mit den Mitarbeitern ist essenziell
Nachhaltiges Personalmanagement ist ohne ein differenziertes Verständnis für die spezifischen Anforderungen der Mitarbeiter nicht zu realisieren. Personaler, die die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Belegschaft, im Ganzen wie in relevanten Teilen, nicht einzuschätzen wissen, können keine „nachhaltige Personalwirtschaft“ betreiben. Das ist unmöglich. Um eine Einschätzung vornehmen zu können, ist der regelmäßige und strukturierte Dialog mit den Mitarbeitern essenziell.
Empirische Studien belegen einen signifikanten Zusammenhang zwischen Feedback-systemen und nachhaltigem Geschäftserfolg. Aus Sicht der Bremer Landesbank sind Mitarbeiterbefragungen daher ein wesentliches Element dezidiert nachhaltiger Unternehmensführung und Personalarbeit.
Gemeinsam mit der Unternehmensberatung Homburg & Partner konzentriert sich die Bremer Landesbank in ihrer (elektronisch durchgeführten) Mitarbeiterbefragung auf die Zufriedenheit, Loyalität und Motivation der Belegschaft sowie auf 13 darauf einwirkende Leistungsbereiche. Im Einzelnen sind das die Strategiewahrnehmung und die Imagebeurteilung durch die Beschäftigten, die Zufriedenheit mit der Arbeitstätigkeit, der Kooperation und der Arbeitszeitgestaltung. Ferner das subjektive Belastungsempfinden, die Wahrnehmung der Kommunikationskultur sowie die Einschätzung der Arbeitssituation und Arbeitsplatzausstattung. Und schließlich die Mitarbeitereinschätzung zur Beurteilungssystematik, zu Entwicklungsmöglichkeiten, zur Führungskultur und zur Vergütung.
Zufriedene Mitarbeiter, unterdurchschnittliche Leistung
Sachlich und methodisch im Zentrum steht der Commitment-Index. Dieser erfasst den Grad der emotionalen Verbundenheit mit der Organisation, der kontinuierlichen Leistungsbereitschaft sowie der aktiven intrinsischen Motivation. Anders als die geläufigen Indizes zur Mitarbeiterzufriedenheit steht der Commitment-Index in direktem Zusammenhang mit dem Niveau der Mitarbeiterproduktivität. Denn: Mitarbeiter können hoch zufrieden sein und gleichwohl ein unterdurchschnittliches Leistungsniveau markieren.
Im Ergebnis entsteht eine Vier-Felder-Matrix mit folgenden „Typen“:
-
„Innere Kündiger“ (geringe Zufriedenheit, geringe Loyalität),
-
„Mitläufer“ (geringe Zufriedenheit, hohe Loyalität),
-
„Job Hopper“ (hohe Zufriedenheit, geringe Loyalität),
-
„Überzeugte“ (hohe Zufriedenheit, hohe Loyalität).
Der heuristische Wert dieser Typologie ist deutlich höher einzuschätzen als die grob anmutende Darstellung. Die Commitment-Typologie ist für die Bremer Landesbank daher ein zentrales Ergebnis der regelmäßigen Mitarbeiterbefragung. Durch die Messung des Einflusses der einzelnen Leistungsbereiche, wie die Mitarbeiterbeurteilung, -vergütung und -entwicklung sowie das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) auf den Commitment-Index, lassen sich die Treiber des Commitments innerhalb der Bremer Landesbank lokalisieren. Dadurch können gezielt Maßnahmen zu dessen Steigerung im Sinne des „Substanzerhalts“ und des „Substanznachschubs“ abgeleitet werden. Das Feedback der Mitarbeiter zu den Personalinstrumenten ermöglicht es, die wichtigsten personalwirtschaftlichen Stellhebel zu identifizieren und so systematisch Stärken aus- und Schwächen abzubauen.
Dabei ist zu beachten, dass eine Mitarbeiterbefragung stets nur so gut wie der Umgang mit ihren Ergebnissen ist. Das zeigt jede Befragung aufs Neue. Und ist eine weitere Verpflichtung zur Nachhaltigkeit. Außerdem ist die Art des Umgangs mit den Ergebnissen zugleich ein kultureller Indikator. Hier wird in besonderem Maße ersichtlich, wie sehr Wille und Fähigkeit zum strukturierten Dialog mit den Mitarbeitern organisationskulturell ausgeprägt sind. In der Bremer Landesbank stellt die Nachbereitung der Mitarbeiterbefragung – verglichen mit der eigentlichen Befragung – daher die größere Investition dar.
Dabei wird nahezu idealtypisch vorgegangen: Im Anschluss an die Ergebnispräsentation vor dem Vorstand und den Executives der Bremer Landesbank werden die Führungskräfte und Mitarbeiter über die Befragungsergebnisse informiert. Zunächst stehen dabei nur Grundlinien und Eckwerte im Vordergrund; die Mitteilung von Detailergebnissen ist einer späteren Phase vorbehalten. Trotz unterschiedlicher Informationskanäle wird in dieser ersten Informationskaskade durchgehend dasselbe Material verwertet. Die Konsistenz der Information ist während der gesamten Aufbereitung der Mitarbeiterbefragung von außerordentlicher Bedeutung. Mitarbeiterbefragungen sind prekäre Interventionen; sie steigern stets die Sensitivität der Organisation und ihrer Mitglieder. Insofern können Qualität, Präzision und Sorgfalt in der Aufbereitung der Befragungsergebnisse gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Personalressorts übernimmt moderierende Rolle
Die Weitergabe, Kommentierung und Interpretation der bereichsspezifischen Befragungsergebnisse obliegt den Bereichsleitern und den jeweils beauftragten Führungskräften. Hier sind – auch das zeigen aktuelle Studien zur nachhaltigen Unternehmensführung – differenzierte Dialogformate neben der eigentlichen Befragung (Workshops, Foren, Audits et cetera) einzusetzen; das Personalressort übernimmt eine moderierende Rolle und unterstützt in der Organisation geeigneter Veranstaltungen sowie in der Bereitstellung der erforderlichen (externen) Ressourcen. Handlungsfelder, die in den einzelnen Unternehmensbereichen vermehrt identifiziert werden, finden in bankweiten, ebenfalls durch das Personalmanagement strukturierten Initiativen ihren Niederschlag. All das zeigt: Die Durchführung periodischer Mitarbeiterbefragungen will wohlüberlegt sein. Wer ihre Ergebnisse ernst nimmt, muss sich auf einen Prozess einstellen, der Monate und Jahre in Anspruch nehmen wird. Diesem Aufwand steht ein Effekt gegenüber, der sich anders nicht realisieren lässt: Mitarbeiterbefragungen stellen den kommunikations- und informationspolitischen Kern des nachhaltigen Personalmanagements dar. Personaler, die beanspruchen, den „Substanzerhalt“ und den „Substanznachschub“ in den Humanressourcen zu gewährleisten, sind fundamental auf den strukturierten Dialog mit der Belegschaft angewiesen. Dazu gibt es im Rahmen des nachhaltigen Personalmanagements keine Alternative.
Nur so lassen sich personalwirtschaftliche Maßnahmen und Initiativen aufsetzen, die eine langfristig wettbewerbsdifferenzierende Personalstruktur sichern. Nachhaltiges Personalmanagement, das sich zur „Navigation“ des Instrumentariums der Mitarbeiterbefragung bedient, ist essenziell und existentiell für außerordentliches „Commitment“ der Mitarbeiter, für Hochleistungsorganisationen. Und das erwiesenermaßen.
Autoren
Dr. Viktor Lau, Leiter Personal- und Organisationsentwicklung, Bremer Landesbank, Bremen,
viktor.lau@bremerlandesbank.de
Janina Moritz, Analyst, Prof. Homburg GmbH, Mannheim,
janina.moritz@homburg-partner.com
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