Aufrecht gehen
Einem Mitarbeiter mitzuteilen, dass man sich von ihm trennen möchte, zählt nicht zu den beliebtesten Aufgaben der Personalerzunft. Ein Trennungsmanagement auf Augenhöhe, an dessen Ende ein Aufhebungsvertrag mit einer entsprechenden Abfindung und anderen Goodies steht, ermöglicht es dem Mitarbeiter, erhobenen Hauptes in die weitere berufliche Zukunft zu gehen.
Die Hürden für eine Kündigung liegen in Deutschland hoch. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist, wenn überhaupt, nur über einen langen Zeitraum durchsetzbar. Die betriebsbedingte Kündigung ist kaum oder überhaupt nicht mehr durchsetzbar, wenn man nicht strikt nach Sozialauswahl abbaut. Hinzu kommt, dass es besonders bei Führungskräften auch aus Gründen zur Trennung kommen kann, die der Mitarbeiter nur bedingt zu verantworten hat, so beispielsweise durch Veränderungen der Aufgaben, Nichtpassung zur Firmenkultur oder aber auch durch den Wechsel des Vorgesetzten. Letztlich können Arbeitsverhältnisse auch ohne eindeutig zuzuordnende Schuld nach dem Zerrüttungsprinzip scheitern. Daher bietet es sich an, nicht immer den Weg der Kündigung, sondern den des Aufhebungsvertrages zu gehen, durch den das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wird. In der Regel erkauft der Arbeitgeber sich dies durch Abfindungszahlungen. Im Folgenden soll dargelegt werden, dass nicht die Höhe der Abfindung ausschlaggebend ist, sondern die Gestaltung der Trennung und die ganzheitliche Betrachtung der Bedürfnisse des Arbeitnehmers.
Sachebene versus emotionale Ebene
Zunächst ist der ungewollte Verlust des Arbeitsplatzes ein traumatisches Erlebnis. Psychologisch nimmt der Arbeitnehmer die arbeitgeberseitige Kündigung oft als Angriff auf seine Person wahr und wird häufig mit dem biologischen Grundmuster von Flucht oder Gegenangriff reagieren. „Flucht“ kann hier mehrere Komponenten haben: Es kann tatsächlich der Versuch sein, dem Auflösungsgespräch zum Beispiel durch Krankheit aus dem Weg zu gehen, oder aber die Verleugnung der Situation. Der Gegenangriff ist in der Regel der Gang zum Anwalt, um die Konditionen der Abfindung zu optimieren. Da nun im Prinzip wechselseitig die Grundeinstellung „Ich bin okay, Du bist nicht okay“ im Raum steht, werden nun häufig erbitterte Diskussionen über Geldbeträge geführt. Diese Diskussion steht aber eigentlich stellvertretend für etwas ganz anderes. Da man eben genau über das, was eigentlich auf einer emotionalen Eben stattfindet, nicht reden kann oder will, wird stellvertretend über Geld gestritten. Ein höherer Abfindungsbetrag kann dieses Problem zwar nicht lösen, erweckt aber durch ein Ringen um Positionen statt um Bedürfnisse den Eindruck, sich auf einer Ebene durchgesetzt oder sogar gerächt zu haben. Letztlich ist dies dysfunktionales Verhalten, das zum einen dazu führt, dass die Abschlüsse teuer werden, und das auf der anderen Seite das Problem auf der emotionalen Ebene nicht löst.
Verhandlung auf Augenhöhe
Insofern ein Dialog noch möglich ist, muss dieser auf der Ebene „Ich bin okay, Du bist okay“ geführt werden. Kommunikativ ist es daher wichtig, die gekündigte Person als solches von den Gründen, die zu einer Auflösung führen, zu trennen. Es ist zunächst zu klären, wer das Gespräch arbeitgeberseitig führt. Je nach Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem bietet es sich an, die Gespräche über eine neutrale Person zu führen. Auch andersherum kann es unter Umständen sinnvoll sein, die Gespräche nicht mit dem Mitarbeiter, sondern mit einem Bevollmächtigten zu führen. Dies birgt allerdings das Risiko in sich, dass beispielsweise ein Anwalt seine Rolle darin sieht, die Höhe der Abfindung zu steigern statt die Situation ganzheitlich lösen zu wollen. Grundsätzlich gilt, darzulegen, weshalb die Trennung notwendig ist, ohne jedoch die Person in Frage zu stellen. Ein heikler Punkt ist die Frage, inwiefern es sinnvoll ist, tatsächlich die Vergangenheit aufzuarbeiten. So kann man Verständnis für die notwendige Trennung erreichen. Es kann aber auch dazu führen, dass man auf Nebenkriegsschauplätze ausweicht und „Richtig“ oder „Falsch“ aus der Vergangenheit aufarbeitet, jedoch wenig über die Gegenwart oder die Zukunft redet. Wichtiger ist es, die Relativität von Passung darzulegen und so die Person von der Sachaussage zu trennen. Häufig kann man an diesem Punkt auch gemeinsam relativ schnell zu dem Schluss kommen, dass auch der Gekündigte sich in der aktuellen Situation nicht mehr wohlfühlt. Als Ergebnis sollte die Erkenntnis stehen, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im beiderseitigen Interesse ist.
Kostenrahmen abstecken
Erst dann macht es Sinn, über die Konditionen des Ausscheidens zu reden. Hierbei ist es wichtig, die Bedürfnisse des Mitarbeiters ganzheitlich zu betrachten. Eine hohe Barabfindung in den Mittelpunkt zu stellen, greift zu kurz. Es ist entscheidend vor dem Eintritt in die Verhandlungen, den Rahmen abzustecken, in dem sich die Abfindung bewegen darf. Hierbei wird teilweise immer wieder die Regelabfindung von 0,5 Monatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit zugrunde gelegt. Dies ist unrealistisch, da kein Arbeitsgericht einem Gekündigten weniger zusprechen würde und die juristische Eskalation damit vorprogrammiert ist. Insofern sollte man als Minimalkosten für die Aufhebung ein Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit zugrunde legen. Die Obergrenze hängt letztlich natürlich vom Leidensdruck des Unternehmens und der rechtlichen Position ab, sollte sich aber in einem realistischen Korridor von circa ein bis zwei Monatsgehältern bewegen. Problematisch ist allerdings, dass sich bei relativ kurzen Firmenzugehörigkeiten auf diese Art selten attraktive Summen anbieten lassen. Es ist entscheidend, klare Grenzen der Verhandlung zu kennen und gegebenenfalls abzubrechen. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn das Scheitern der Verhandlungen nicht im Interesse des Mitarbeiters ist.
Bedürfnismuster
Nicht alle Bedürfnisse des Mitarbeiters können mit einer Abfindungszahlung abgedeckt werden. Andere Leistungen können jedoch bei guter Verhandlung mit dieser verrechnet werden. Folgende Bereiche sind zu berücksichtigen:
Employability
Die Frage nach dem Arbeitsmarktwert spielt eine entscheidende Rolle. Im Einzelfall kann es für den Mitarbeiter sehr sinnvoll sein, an individuellen Weiterbildungs- oder Entwicklungsmaßnahmen teilzunehmen. Hier ist darauf zu achten, keine Placebo-Maßnahmen zu vereinbaren, sondern zielführende Maßnahmen, die noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses durchgeführt werden, abzuleiten. Für den Arbeitnehmer ergeben sich daraus die Vorteile einer qualifizierten Beratung sowie die günstige steuerliche Behandlung der Kosten. In einem Fall musste ein Unternehmen betriebsbedingt nach einem Firmenkauf Stellen abbauen. Die Angst der Betroffenen war auf ihre niedrige Employability zurückzuführen. Mit marktgerechten Fortbildungsmaßnahmen konnte diese gesteigert werden. Der Verhandlungserfolg war auf zwei Ebenen zu beobachten: auf der Sachebene, aber auch auf der Beziehungsebene, da die betroffenen Arbeitnehmer sich mit ihren Sorgen ernst genommen fühlten. Die Kosten für die Maßnahme waren teilweise mit Abfindungsansprüchen verrechnet worden. Zur Employability gehört natürlich auch das Arbeitszeugnis. Anwälte berichten in den letzten Jahren vermehrt davon, dass Arbeitgeber Zeugnisse verweigern, falsche Personen unterschreiben lassen oder aber formale Kriterien nicht einhalten, was zu Gerichtsprozessen führt. Dies und die Unsicherheit vieler Arbeitnehmer in Bezug auf die in Deutschland übliche Zeugnissprache (Angst vor verdeckten Botschaften) machen es sinnvoll, das Arbeitszeugnis als Anlage des Aufhebungsvertrags in das Gesamtpaket einzubeziehen.
Materielle Sicherheit
Insbesondere Arbeitnehmer mit Familie haben ein hohes Bedürfnis nach materieller Sicherheit. Das betrifft die Kontinuität bei den Einnahmen, aber auch Aspekte der Sozialversicherung. Je nach Lebensalter und Wohnort kann die Suche nach einer neuen Stelle sich länger hinziehen als die Kündigungsfrist und es ist beruhigend zu wissen, dass man sich nicht unter Druck für ein Stellenangebot entscheiden muss. Die Frage, welchen Stellenwert dieser Punkt hat, entscheidet sich natürlich auch an der individuellen Unsicherheitstoleranz des Arbeitnehmers. Hier kann einer der entscheidenden Knackpunkte für das Gelingen oder Misslingen einer Aufhebungsvereinbarung liegen, zumal in Deutschland die Angst vor Verelendung tief in unserer Kultur verankert ist. Eine Möglichkeit, dem Mitarbeiter hier eine Brücke zu bauen liegt darin, mögliche Abfindungszahlungen auf eine Verlängerung der Kündigungsfrist anzurechnen, die Kündigungsfrist arbeitnehmerseitig extrem zu verkürzen und bei früherem Ausscheiden dann die Restsumme als Abfindung doch noch auszuzahlen. Für den Arbeitgeber fallen in diesem Fall zusätzliche Lohnnebenkosten an.
Angst vor Gesichtsverlust
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist für den Arbeitnehmer eine persönliche Angelegenheit. So bleibt auch immer die Frage nach der Außenwirkung in der Firma und im sozialen Umfeld. Auf der materiellen Ebene bedeutet das, dass man klären muss, wie mit bestimmten Statussymbolen wie zum Beispiel dem Firmenwagen umzugehen ist. Auf einer persönlichen Ebene kann der Aufhebungsvertrag mit verbindlichen Absprachen regeln, wie eine Sprachregelung in Bezug auf die Gründe des Ausscheidens und die Formulierung der Information darüber an die Belegschaft aussehen kann.
In einem konkreten Fall drohten die Verhandlungen zu einem Aufhebungsvertrag zu scheitern, obschon das geschnürte Paket für den Mitarbeiter in dem Maße vorteilhaft war, dass es alle materiellen Bedürfnisse berücksichtigte. Für den Arbeitnehmer in diesem Fall war es aber aus emotionalen Gründen wichtig, in der Firma seinen Ausstand zu feiern. Dem stand der Vorgesetzte kritisch gegenüber, da das Vertrauensverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits ziemlich zerrüttet war. Der zuständige Personalleiter konnte dann eine Lösung vermitteln, die darin bestand, dass der Ausstand gefeiert wurde und der Vorgesetzte daran teilnahm, um sicher zu stellen, dass keine negativen Aussagen über ihn getroffen wurden.
Neuorientierung
In vielen Fällen verlaufen Karrieren oft linear, das heißt auch bei einem punktuellen Scheitern orientieren sich viele Mitarbeiter nicht grundsätzlich neu. Trotzdem ist es für die Entscheidung über die weitere berufliche Zukunft wichtig zu verstehen, worin das Scheitern begründet lag. Daher ist es sinnvoll, dies als separaten Prozess zu gestalten, beispielswiese im Rahmen eines Outplacement. Allerdings hat die Realität gezeigt, dass es zunehmend schwieriger wird, dem Arbeitnehmer die Dienstleistung des Outplacement schmackhaft zu machen. In vielen Fällen endet die Verhandlung dann damit, dass die Kosten für das Outplacement der Abfindung zugeschlagen werden.
Ein anderer Aspekt der beruflichen Neuorientierung hängt mit Fragen der materiellen Sicherheit zusammen. Gerade gescheiterte Führungskräfte wechseln nach ihrer Angestelltenzeit auch gerne in die Freiberuflichkeit. Damit ist natürlich eine nicht unerhebliche materielle Unsicherheit verbunden. Die Gestaltung des Übergangs in die Selbstständigkeit kann viele Facetten haben. Nicht unüblich ist die verbindliche Vereinbarung von Aufträgen mit dem ehemaligen Arbeitgeber. Das kann durchaus sinnvoll sein, birgt aber auch das Risiko in sich, dass der ehemalige Arbeitnehmer mit dem Rollenverständnis einer Führungskraft an die Aufgaben eines Beraters herangeht. Juristisch kann diese Geschäftsbeziehung als Scheinselbstständigkeit gewertet werden. Sinnvoller kann es an dieser Stelle sein, auf jene Maßnahmen zurückzugreifen, die grundsätzlich materielle Sicherheit bieten und/oder der Weiterqualifizierung dienen.
Augenhöhe als Erfolgsfaktor
Da die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses nur in Übereinkunft mit dem Mitarbeiter erfolgen kann, ist die richtige Verhandlungsstrategie entscheidend. Nicht die Höhe der Abfindung gibt den Ausschlag, denn ein Ringen um Geld ist an vielen Punkten nur ein Stellvertreterkrieg für ungelöste Probleme auf einer anderen Ebene. Eine Verhandlung kann aber nur dann stattfinden, wenn beide Verhandlungspartner auf Augenhöhe stehen und es keine Gewinner und Verlierer gibt. Zum einen spielt sich dies auf der Ebene der Grundeinstellung zum Verhandlungspartner ab. Zum anderen geht es aber darum, Positionen zu überwinden und die grundlegenden Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen. Angebote im Aufhebungsvertrag müssen dann gezielt diese Bedürfnisse adressieren.
Autor
Prof. Dr. Thorsten Krings, Professor für Personal und Bildungsmanagement, DHBW Mosbach,
krings@dhbw-mosbach.de
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