Ausgabe 11 - 2013
Ausländische Mitarbeiter im Fokus
Diversity Management findet sich zunehmend in den Unternehmen. Viele Firmen investieren inzwischen in die Förderung von Frauen, auch die Vorteile von altersgemischten Teams werden mehr und mehr erkannt. Eine Gruppe von Mitarbeitern geht dabei oft leer aus: Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln. Vielfältige Potenziale bleiben dadurch ungenutzt.
,,Ay Yildiz“ ist türkisch und heißt übersetzt Mond und Stern. Ay Yildiz ist seit 2005 auch eine Tochtergesellschaft des Mobilfunkanbieters E-Plus. Die Ethnomarke spricht türkischstämmige Kunden in Deutschland an und bietet ihnen günstige Tarife in die Türkei. Innerhalb von nur zwei Jahren war Ay Yildiz bei über 80 Prozent der Zielgruppe bekannt. Das Erfolgsrezept ist so einfach wie überzeugend: Die meisten Mitarbeiter bei Ay Yildiz haben türkische Wurzeln. Sie wissen genau, mit welchen Inhalten und welcher Bildsprache sie ihre Kunden ansprechen müssen. Die Marke präsentiert sich in den türkischen Nationalfarben rot und weiß. Auch Mond und Stern, die beiden Elemente der türkischen Flagge, sind Teil des Logos. Webseite, Videokampagnen und Werbeplakate sind auf Deutsch und Türkisch. Und die Mitarbeiter wissen, dass auch bei geschäftlichen Beziehungen kulturelle Besonderheiten eine wichtige Rolle spielen. So enden zum Beispiel Pressekonferenzen, die in den Fastenmonat Ramadan fallen, mit einem gemeinsamen Fastenbrechen.
Einseitige Förderung in deutschen Unternehmen
Das Beispiel von E-Plus zeigt: Interkulturelle Kompetenzen im Unternehmen eröffnen Zugänge zu internationalen Märkten und neuen Kunden. Ganz nebenbei verbessern sie auch das Image des Unternehmens. Allerdings fahren deutsche Unternehmen ziemlich eingleisig, wenn es darum geht, die Vielfalt ihrer Teams zu fördern. Bei einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Roland Berger gaben 80 Prozent der Firmen an, dass sie sich allein darauf konzentrieren, Frauen zu fördern. Die Integration von Beschäftigten aus anderen Kulturen wird dagegen zaghaft angegangen. Zwar halten es 70 Prozent der Befragten für unbedingt notwendig, ausländische Mitarbeiter zu fördern. Praktisch ergreifen jedoch gerade einmal 20 Prozent der Unternehmen Maßnahmen in dieser Richtung. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: „Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln besitzen das marktspezifische Mentalitätsverständnis und die notwendigen Sprachkenntnisse, die unabdingbar sind, wenn Firmen neue Märkte für sich erschließen wollen“, erklärt Carolin Griese-Michels, Leiterin des Geschäftsbereichs Corporate Responsibility bei Roland Berger Strategy Consultants. Die Investition in die Vielfalt würde sich laut Griese-Michels lohnen: Rund 21 Milliarden Euro könne die deutsche Wirtschaft sparen, wenn sie der Unterschiedlichkeit den Weg frei machen würde. Die Fluktuation würde sinken und Mitarbeiter fühlten sich dem Unternehmen stärker verbunden.
Mit Vielfalt gegen den Fachkräftemangel
Und nicht nur das: Unternehmen könnten dem sich mehr und mehr zuspitzenden Fachkräftemangel entgegensteuern, wenn sie nur Immigranten ins Boot holen würden. Die Einwanderer sind im Durchschnitt jünger, besser ausgebildet und haben häufiger einen Hochschulabschluss als die deutsche Mehrheitsbevölkerung. Das geht aus dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hervor.
Allerdings reicht es nicht aus, nach qualifizierten Bewerbern im Ausland Ausschau zu halten und Stellenanzeigen international zu schalten. Um Fachkräfte aus dem Ausland in die Bundesrepublik zu locken und die hiesigen zu halten, müssen deutsche Unternehmen erst attraktiv werden. Zwar ist die Zahl der Einwanderer nach Deutschland in den letzten Jahren stark gestiegen. 30 000 Menschen sind 2011 gekommen. Doch ihr Aufenthalt ist nur von kurzer Dauer. Gerade einmal rund 40 Prozent der 2011 aus den EU-Ländern Eingewanderten blieben länger als bis Ende 2012. Das ist das Ergebnis des „Migrationsausblick“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Hälfte der Griechen kehre schon innerhalb eines Jahres in die Heimat zurück. Bei den Spaniern bliebe nur jeder Dritte länger als zwölf Monate.
Willkommenskultur etablieren
Wer Vielfalt im Unternehmen will, muss sich also ins Zeug legen und Strukturen schaffen, die Offenheit für andere Ethnien signalisieren. Diversity will gemanagt sein. Viele große Unternehmen erkennen das allmählich und setzen eigens dafür geschulte Diversity Manager ein, die sich um die Bedürfnisse ethnischer Minderheiten kümmern – ebenso wie um die der älteren Kollegen, Menschen mit Behinderung, Schwulen, Lesben und Frauen. Doch auch kleinere Unternehmen können eine Willkommenskultur etablieren, die nicht zwingend mit hohen Kosten verbunden ist. Eine Analyse des RKW-Kompetenzzentrums, die eine Rekrutierungsaktion für spanische Ingenieure in Stuttgart untersuchte, zeigt, dass sich junge Zuwanderer vor allem Hilfe bei der Wohnungssuche und bei administrativen Angelegenheiten wünschen. Kochabende für Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturkreisen oder Mentoren- und Sprachtandems können ein erster Schritt sein, Fachkräfte aus anderen Ländern willkommen zu heißen. Denn oft ist es ein Kollege, der Tipps geben kann, wo die guten Restaurants in der Stadt sind, der zufällig weiß, wo eine Wohnung frei wird und der beim Ausfüllen von Formularen helfen kann.
Praxisbeispiel 1
IKEA Deutschland
„Die Vielfalt in unserem Unternehmen spiegelt die kulturelle und ethnische Buntheit unserer Gesellschaft wider. Das ist der Schlüssel unseres Erfolgs“, sagt Franka Johne, HR-Spezialistin Retention Management bei IKEA Deutschland. Seit 2011 ist sie bundesweit verantwortlich für Diversity Management und Mitarbeiterbindung. Rund 15 400 Mitarbeiter mit 97 verschiedenen Nationalitäten beschäftigt das schwedische Möbelunternehmen in Deutschland. „Erst durch die verschiedenen Erfahrungen und Blickwinkel können wir den Bedürfnissen unserer breiten Kundengruppen gerecht werden und gut mit unseren internationalen Geschäftspartnern zusammenarbeiten.“
Im Jahr 2001 hat IKEA Deutschland damit begonnen, ein strategisches Diversity Management aufzubauen. Zustande gekommen ist dabei zum Beispiel ein Netzwerk namens „MosaikCoolTour“, in dem sich Kollegen aus verschiedenen Nationen austauschen. Zudem finden in den einzelnen Einrichtungshäusern regelmäßig Diversity Workshops statt, in denen unbewusste Vorurteile unter anderem gegenüber ausländischen Mitmenschen aufgedeckt und gemeinsam diskutiert werden. Diversity-Experten in den einzelnen Einrichtungshäusern unterstützen das zentrale Diversity Management. Sie organisieren zum Beispiel Sprach- und Kulturpaten, die neuen Kollegen bei der deutschen Sprache helfen und sie in die Unternehmenskultur einführen. Damit keine der guten Ideen aus den Filialen verloren geht, stellt Ikea erfolgreiche Praxisbeispiele in einem Diversity-Handbuch vor. Darin finden sich auch Maßnahmen, wie ausländische Mitarbeiter ihre Religion und Kultur im Arbeitsalltag ausüben können. Zum islamischen Fastenmonat Ramadan öffnen viele Einrichtungshäuser zum Beispiel die Mitarbeiterrestaurants früher oder später – je nach Bedarf. In vielen Einrichtungshäusern hängen Weltkarten, die zeigen, aus welchen Ländern die Kollegen kommen oder Kalender, die alle christlichen, islamischen, jüdischen, buddhistischen und hinduistischen Festtage aufführen. Und es finden Kochabende statt, an denen Mitarbeiter für ihre Kollegen kochen und ihre Nationalgerichte vorstellen.
„Wir wollen mit diesen Aktionen, das Bewusstsein und die Wertschätzung für andere Kulturen wecken“, sagt Franka Johne und betont: „Ein gutes Diversity Management setzt allerdings nicht nur auf Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, sondern auch auf Frauen, Menschen mit Handicap, ältere Kollegen und die vielen weiteren Erfahrungen und Lebenssituationen. Unsere Gesellschaft ist vielfältig und das sollte ein Unternehmen widerspiegeln, wenn es erfolgreich sein will.“ Unternehmerische Erfolge ließen sich dabei vor allem am Wachstum und den steigenden Kundenzahlen feststellen. „Wir fördern bewusst gemischte Teams. Dadurch haben wir zum einen die Teamleistungen verbessern können. Zum anderen verstehen wir durch die unterschiedlichen Ansichten und Biografien der Teammitglieder die Lebenssituationen unserer vielfältigen Kunden besser. Der Erfolg gibt uns Recht. Wir wachsen seit Jahren.“
Praxisbeispiel 2
pme Familienservice
„Wir sind in den letzten Jahren gewachsen und tragen damit auch eine gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Darina Doubravová, Diversity Managerin der pme Familienservice Gruppe. Über 1 400 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen an 30 Standorten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien. Die Angebote sind so vielfältig wie die Belegschaft und reichen von der Kinderbetreuung über Krisenberatung bei Burnout bis hin zur Beratung bei pflegebedürftigen Angehörigen. „Wir fördern eine offene Unternehmenskultur, die unseren verschiedenen Talenten viel Raum für ihre Entwicklung lässt. Daraus schöpfen wir unser Potenzial.“
Insgesamt arbeiten in der pme Familienservice Gruppe Mitarbeiter aus 48 Nationen. „Wir leben Vielfalt schon lange. Nur haben wir das bisher nicht nach außen getragen und hatten keine Strategie“, sagt Darina Doubravová. Vor einem Jahr begann sie gemeinsam mit Kollegin und Projektmanagerin Anja Umbreit ein Diversity Management aufzubauen. Nach dem ersten Schritt – der Unterzeichnung der Charta der Vielfalt – startete der pme Familienservice eine interne Umfrage zum Thema Vielfalt. „Wir wollen konstruktiv mit der Vielfalt in unserem Unternehmen umgehen. Dazu müssen wir aber wissen, wo wir stehen“, sagt Anja Umbreit. Ein Schwerpunkt der Umfrage lag unter anderem auf der kulturellen und religiösen Vielfalt: Welche Bedenken und unbewusste Denkmuster haben die Mitarbeiter gegenüber anderen Kulturen im Arbeitsalltag? Was bedeutet es für unsere ausländischen Kollegen und Kolleginnen, wenn religiöse Feste wie zum Beispiel Weihnachten gefeiert werden?
Noch in diesem Jahr will der pme Familienservice eine bundesweit gültige Diversity Policy einführen. „Es ist uns wichtig, dass die Werte der Policy von jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter getragen werden. Sie müssen wissen, dass wir gezielt Vielfalt fördern und es nichts Ungewöhnliches ist, wenn Kollegen mit einem ausländischen Akzent am Empfang oder in der Beratung sitzen“, sagt Darina Doubravová. Doch das alleine reiche noch nicht aus. „Wenn wir eine vielfältige Belegschaft haben wollen, müssen wir uns auch damit beschäftigten, wie die bunten Teams effektiv zusammenarbeiten können. Und dazu brauchen wir für jeden Standort ein gutes Einbeziehungsmanagement.“
Das ist für den pme Familienservice umso wichtiger, als er als Träger von rund 80 Kitas und Kinderkrippen zukünftig auch in anderen EU-Ländern nach Mitarbeitern Ausschau halten will. „Deutschlandweit herrscht ein großer Mangel an pädagogischem Fachpersonal. Wir denken, dass Fachkräfte aus Spanien oder Polen unseren Arbeitsalltag bereichern und frischen Wind reinbringen. Und wir gewinnen dadurch interkulturelle Kompetenzen und neue Sichtweisen“, meint Darina Doubravová. Unterschiede im Arbeitsrecht und in der Anerkennung der Zeugnisse seien dabei die größten Hürden, die auf das Unternehmen zukämen.
Die Umsetzung einer Diversity-Strategie sei jedoch auch kein kurzfristiges Projekt, das in ein oder zwei Jahren abgeschlossen ist. „Der stete Tropfen höhlt den Stein“, sagt Anja Umbreit und ergänzt: „Es ist aber bereits in alle Standorte durchgedrungen, dass es ein zentrales Diversity Management gibt. Immer mehr Kollegen kommen mit Fragen und Anregungen auf uns zu. Die Resonanz ist groß. Das war das Ziel, welches wir uns für dieses Jahr gesteckt haben.“
Fachkräfte-Blog des RKW-Zentrums: http://www.fachkraefte-blog.de/uber-den-blog/ Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: „Willkommenskultur – Leitfaden für Unternehmen“
Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR): Migrationsland 2011, Jahresgutachten mit Migrationsbarometer
Roland Berger Strategy Consultants: Diversity & Inclusion. Eine betriebswirtschaftliche Investition, 2012
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Migrationsausblick 2013, RKW Kompetenzzentrum, 2011
Autorin
Sabrina Ludwig, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, pme Familienservice GmbH, Berlin,
sabrina.ludwig@familienservice.de
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