Ein Expatriate kommt selten allein
Häufig hat ein potenzieller Expatriate einen berufstätigen und karriereorientierten Partner an seiner Seite. Mit der Tatsache dieser Doppelkarrierepaare müssen sich Unternehmen auseinandersetzen, wenn sie ihre Mitarbeiter für einen Auslandseinsatz motivieren möchten. Denn der Partner entscheidet mit, ob es in die Ferne geht.
Grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten prägen heutzutage das Leben von immer mehr Unternehmen – das globale Denken und Agieren sind längst in allen Branchen zum Alltag geworden. In diesem Kontext überrascht es nicht, dass die internationalen Mitarbeitereinsätze kontinuierlich an Bedeutung gewinnen. Deren strategische Vorbereitung und operative Umsetzung werden jedoch oft unterschätzt. Bereits die Wahl der geeigneten Kandidaten stellt häufig eine besondere Hürde dar. In den Zeiten des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels bekommen die sogenannten Doppelkarrierepaare eine immer stärkere Bedeutung. Sie prägen nicht zuletzt das Profil der Entsendezielgruppe eines Unternehmens nachhaltig und sind somit als eine Herausforderung für die Personalverantwortlichen zu sehen.
Was sind eigentlich Doppelkarrierepaare und wie werden sie im Kontext der internationalen Mitarbeitereinsätze behandelt? Dieser Beitrag widmet sich diesem im HR-Bereich nicht ganz unbekannten Thema, das jedoch in der Praxis oft vernachlässigt oder eher unsystematisch behandelt wird. Es werden Lösungsansätze skizziert, die dem Best Practice-Modell entsprechen und als Anregung für eine strukturierte Vorgehensweise genutzt werden können.
Phänomen unter Führungskräften
Als Doppelkarrierepaare (Dual Career Couples) werden Beziehungen bezeichnet, in denen beide Partner, oft aufgrund eines hohen Bildungsniveaus, ihrem Beruf stark karriereorientiert nachgehen und sich gegenseitig in eigenen Karrierevorhaben beeinflussen. Dieses Modell ist heutzutage immer weiter verbreitet. Doppelkarrierepaare sind nach wie vor oft unter den Führungskräften, insbesondere unter den weiblichen Führungskräften vorzufinden. Hierzu gehören in erster Linie die Geburtsjahrgänge aus den 60er- und 70er-Jahren (die sogenannte Generation X) aber ebenso – wenn auch nicht so zahlreich vertreten – die in den 50er-Jahren geborenen Baby-Boomer. Dank eines kontinuierlichen Wertewandels und einer steigenden Hochqualifizierung von Frauen werden auch Fachkräfte (insbesondere mit akademischer Ausbildung), die in den 80er-Jahren geboren wurden und demnach der Generation Y angehören, zunehmend von dem Doppelkarrierephänomen betroffen sein. Auf der Expatriate-Wartebank sitzen also Mitarbeiter, die sowohl im Privaten als auch im Beruflichen durch unterschiedliche Erfahrungen geprägt sind und somit auch unterschiedliche Erwartungen an ihre Weiterentwicklung und natürlich auch an die Auslandseinsätze haben. Es liegt also auf der Hand, dass alle diese Zielgruppen, was die Thematik Doppelkarrierepaare angeht, mit differenzierten Programmen und Angeboten angesprochen werden müssen.
Karrierebewusste Partner werden vernachlässigt
Während der Familie eines potenziellen Entsendekandidaten grundsätzlich (und wie die Praxis zeigt auch zu Recht) eine wichtige Rolle in dem Entsendeprozess beigemessen wird, tun sich die Personalverantwortlichen immer noch schwer, dem berufstätigen Partner in einem Doppelkarrieremodell gezielt und ausreichend Aufmerksamkeit zu widmen.
Viele Entsenderichtlinien bieten familienorientierte Lösungen an, die über alle Phasen des Entsendeprozesses hinweg in Anspruch genommen werden können. Dazu gehören insbesondere Leistungen im Bereich der sprachlichen und interkulturellen Vorbereitung, Wohnungs- und Schulsuche oder auch diverse Relocation Services, die neben einem klassischen Umzug und einer aufenthaltsrechtlichen Beratung, temporäre Betreuung vor Ort bei der Eingewöhnung und später auch beim Rückumzug beinhalten können. Nur in seltenen Ausnahmefällen findet man darunter spezifische Angebote, die gezielt auf die Bedürfnisse eines berufstätigen Partners eingehen und mit einer strukturierten Lösung auf seine besondere Situation anlässlich des Auslandseinsatzes reagieren. Und die kann sich in der Tat, unter Umständen sogar zweimal – zum Beginn und zum Ende des Auslandseinsatzes – als besonders schwierig erweisen. Denn der karriereorientierte Partner muss häufig seine berufliche Entwicklung in die Waagschale werfen und nicht selten mit erheblichen finanziellen Einbüßen, einem potenziellen Karrierebruch oder zumindest mit einer befristeten Karriereumstellung rechnen, wenn er sich zusammen mit dem Expatriate auf das Abenteuer Entsendung einlässt. So können selbst attraktive Auslandsangebote durch die Vernachlässigung eines karrierebewussten Partners ihre besondere Anziehungskraft schnell verlieren. Die Folge sind üblicherweise abgelehnte oder vorzeitig abgebrochene Auslandseinsätze. Gerade die Letzteren entwickeln sich nicht selten zu einer versteckten Kostenfalle.
Unternehmensfokussiert, aber fair
Was kann man also tun, um dem Problem der Doppelkarrierepaare mit effektiven und zugleich effizienten Mitteln zu begegnen? Wichtige Anmerkung vorweg: Es gibt keinen goldenen Weg, den man den Personalverantwortlichen auf der Suche nach einer geeigneten Lösung aufzeigen könnte. Jedes Unternehmen ist anders und ebenfalls anders können die Umstände sein, welche die Auslandseinsätze und somit auch die relevanten Entsendungsregeln innerhalb einer international ausgerichteten Organisation prägen. Hier seien nur als Beispiel besondere Zielländer oder eine notwendige Entsendungsdauer genannt, die nachhaltig Einfluss auf diverse Entsendungsmodalitäten ausüben können und demnach immer im Vordergrund stehen und sorgfältig untersucht werden müssen.
Im Rahmen bleiben:
Zu erwarten, dass ein Arbeitgeber, der Mitarbeiter ins Ausland entsendet, zugleich für die entgangenen Einkünfte des begleitenden Partners aufkommt, wäre von jeglicher Entsendungsrealität weit entfernt. Es lässt sich nicht leugnen, dass eine Entsendung neben der beruflichen immer auch noch die private und persönliche Perspektive des Mitarbeiters beinhaltet und als solche gezwungenermaßen auch mit privaten Vor- und Nachteile verbunden ist. Mit anderen Worten: Es kann nicht die Aufgabe des Arbeitgebers sein, den Mitarbeiter vor allen entsendungsbezogenen Risiken und Nachteilen zu schützen.
Leistungen als Unterstützung für Doppelkarrierepaare
- 1.
Begleitung des Partners durch einen externen Fachberater in der Phase der Entsendungsvorbereitung
- 2.
Look-and-see- und Jobhunting-Trips, die gezielt für den berufstätigen Partner angeboten werden
- 3.
Sprachliche und interkulturelle Vorbereitung, die insbesondere auf fachliche Bedürfnisse des Partners eingeht
- 4.
Beratungsleistungen bei Umqualifizierung, Fortbildung oder Stellensuche im Ausland, die auch in Form von Pauschalzuwendungen angeboten werden
- 5.
Weiterführende Fachberatung während des Auslandseinsatzes (zum Beispiel durch den Steuerberater)
Tipps zur individuellen Einschätzung der Lage von Doppelkarrierepaaren
-
Untersuchen Sie die Entsendungs-Stakeholder: Ist das Thema „Doppelkarrierepaare“ in Ihrem Unternehmen von Bedeutung? Welche Zielgruppen sind davon betroffen? Welche Förderungsmittel stehen Ihnen zur Verfügung?
-
Prüfen Sie die praktizierten Entsendungsmodelle: Gibt es Entsendungsprogramme, die per se die Mitnahme eines Partners ausschließen oder zumindest in Frage stellen (wegen Entsendungsdauer, Infrastruktur im Zielland oder Entfernung zum Heimatland)?
-
Nehmen Sie einzelne Regelungen unter die Lupe: Wie können die Relocation-Leistungen (Hin- und Rückumzug, Unterkunft im Ausland, Heimreisen) im Hinblick auf den berufstätigen Partner flexibilisiert werden? Welche Leistungen werden für die Familienunterstützung angeboten und wie können sie im Hinblick auf die Förderung der Doppelkarrierepaare erweitert werden?
-
Prüfen Sie Ihre Organisation: Gibt es bereits interne Strukturen, sowohl im Heimatland als auch im Ausland, die eine Förderung für Doppelkarrierepaare ermöglichen? Gibt es Lösungsansätze, um den Erfahrungsaustausch mit Ex-Expatriates zur Förderung der Doppelkarrierepaare zu nutzen?
-
Schauen Sie sich Ihre Umgebung an: Gibt es bereits wirtschaftliche Beziehungen und Verbindungen im Ausland, die zur Förderung der Doppelkarrierepaare genutzt werden können? Was machen die anderen Akteure des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens, die sich ebenfalls mit Doppelkarrierepaaren beschäftigen?
Entsendungsprogramme flexibilisieren:
Eine Option zur Behandlung der Doppelkarrierepaare ist – soweit aus der geschäftlichen Perspektive möglich – eine differenzierte Vorgehensweise hinsichtlich der anwendbaren Entsendungsformen, insbesondere in Bezug auf die Dauer einer Entsendung. Ist der Partner aufgrund seiner beruflichen Situation nicht dazu bereit ins Ausland zu gehen, empfiehlt es sich, über kurz- bis mittelfristige Auslandseinsätze nachzudenken, die langfristige Modelle ersetzen und natürlich zugleich ausreichend Flexibilisierung beim Thema Reisen aufweisen. Bezogen auf bestimmte Regionen lässt sich eine Auflockerung und somit auch eine gewisse Individualisierung der Entsendungsmodelle durch immer häufiger vorkommende Commuter-Programme erreichen. Der daran teilnehmende Mitarbeiter pendelt regelmäßig zwischen zwei oder sogar mehreren Ländern (z.B. im inneneuropäischen Ausland), kehrt regelmäßig an seinen Wohnort im Heimatland zurück und kann somit auch sein Privatleben in der gewöhnten Form weiter pflegen.
Den berufstätigen Partner im Fokus behalten:
Die Personalverantwortlichen sind gut beraten, wenn sie immer konsequent – im Idealfall bereits bei der Suche nach dem geeigneten Entsendekandidaten – an die Familie und natürlich auch an den berufstätigen (womöglich karriereorientierten) Partner denken. Dies bedeutet vor allem eine strukturierte Vorgehensweise bei der Entsendungsvorbereitung und Durchführung, die ihren Ausdruck unter anderem in klar formulierten Entsenderegeln für Doppelkarrierepaare finden soll. Dieser Schritt führt weg von individuellen, einzelfallbezogenen Lösungen hin zu Regeln, die eindeutig die Position des Arbeitgebers und somit auch den Bereich der zulässigen Leistungen aufzeigen. Damit soll auch klar kommuniziert werden, was definitiv nicht vom Arbeitgeber gefördert wird.
Zu einer strukturierten Betreuung gehört auch eine vollumfängliche Beratung durch die interne Personalabteilung, die von Anfang an den begleitenden Partner in den Entsendungsprozess einbeziehen soll. Auch wenn es nicht die Aufgabe des Arbeitgebers ist, alle entsendungsbezogenen Nachteile auszugleichen, soll er es schon als seine Pflicht betrachten, die möglichen Risiken rechtzeitig aufzuzeigen.
Netzwerke nutzen
Wer dem berufstätigen Partner über die in der Checkliste aufgeführten Leistungen hinaus eine noch intensivere Betreuung anbieten will, muss sich früher oder später näher mit dem Thema Netzwerke beschäftigen. Hierunter werden insbesondere externe Verbindungen zu den anderen Wirtschaftsakteuren im Ausland verstanden, die in erster Linie eine aktive Vermittlung von potenziellen Arbeitsstellen ermöglichen sollen. Dass diese Form der Zusammenarbeit oft viel Vorbereitungszeit erfordert und auf gegenseitiger Unterstützung der beteiligten Parteien beruht, macht diesen Lösungsweg natürlich nicht gerade besonders schnell und leicht umsetzbar. Darüber hinaus bietet es sich auch an, über interne Netzwerke zur Unterstützung der Doppelkarrierepaare nachzudenken. Zum einen sind diese ebenfalls als Option für die Stellenvermittlung zu sehen, können aber auch als Plattform zum Erfahrungsaustausch unter Expatriates genutzt werden. Die Förderung für Doppelkarrierepaare ist für das Personalmanagement ein wichtiges und vielfältiges Thema, das in strukturierter Form auch in die Entsendeprogramme eines Unternehmens eingebunden werden soll. Der Weg zu einer gut durchdachten Lösung, die interessant für die Mitarbeiter und zugleich tragbar für den Arbeitgeber ist, muss für jedes Unternehmen aus dem eigenen Entsendungskontext erarbeitet werden. Das Ziel soll dabei die Festlegung eines allgemeinen Handlungsrahmens sein, der nach wie vor flexible Lösungsoptionen zulässt und dem Expatriate eine klare Botschaft übermittelt, fair und seriös beraten zu werden.
Autorin
Agnieszka Stajkowska, Global Mobility Beraterin, PriceWaterhouseCoopers, Stuttgart,
agnieszka.stajkowska@de.pwc.com
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