Ohne Daten kein professionelles Mobility Management

International tätige Unternehmen tun sich schwer damit, bei Auslandsentsendungen die richtigen Daten zu sammeln und auszuwerten. Das birgt enorme Risiken, wie der achte Global Mobility Effectiveness Survey der Unternehmensberatung EY zeigt.
Für den Geschäftserfolg von Unternehmen wird es immer wichtiger, weltweit die richtigen Mitarbeiter am richtigen Ort zu haben. Die Anzahl der im Ausland beschäftigten Fach- und Führungskräfte in den Konzernen ebenso wie im international tätigen Mittelstand steigt kontinuierlich. Dabei nehmen nicht nur die klassischen Entsendungen zu, sondern auch kurzfristige Auslandseinsätze wie Auslandsdienstreisen und -projekteinsätze. Es gibt mehr Führungskräfte mit grenzüberschreitenden Mehrfachfunktionen und grenzüberschreitend tätige Pendler. Gleichzeitig fordern die Unsicherheit in den globalen Märkten und Entscheidungen in der Politik größere Flexibilität und schnellere Reaktionen auf aktuelle Ereignisse wie beispielsweise den Brexit. Nicht zuletzt stehen die Mobility-Experten zunehmend unter dem Druck, den Return on Investment der Auslandseinsätze transparent zu machen. Zur Bewältigung dieser vielfältigen Herausforderungen ist ein stringenter und intelligenter Umgang mit den jeweils relevanten Daten unerlässlich.
Denn wie Unternehmen Daten erfassen, analysieren und nutzen, beeinflusst nahezu jeden Aspekt des globalen Mobility Managements – von der strategischen Planung über die Kostentransparenz und -effizienz bis hin zur Auswahl geeigneter Mitarbeiter. Aus diesem Grund hat sich die Unternehmensberatung EY mit ihrem achten „Global Mobility Effectiveness Survey“ unter dem Titel „Tomorrow's workforce: data driving mobility“ dem immer bedeutsamer werdenden Thema gewidmet. Zur Effektivität ihrer Datenauswertung wurden weltweit mehr als 200 Mobility-Verantwortliche international tätiger Unternehmen befragt.
Möglichkeiten nicht ausgeschöpft
Das deutliche und zentrale Ergebnis des aktuellen Surveys: Die Möglichkeiten moderner Datenerfassung und -auswertung werden von den HR/Mobility-Abteilungen der Unternehmen längst nicht ausgeschöpft. In 52 Prozent der Unternehmen haben sie nach eigenen Angaben keinen ausreichenden Zugriff auf die relevanten Daten, um globale Mobility-Trends zu identifizieren oder vorherzusehen. Eine noch größere Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft bei der Evaluierung der Auslandseinsätze. So halten 72 Prozent der Firmen den Erfolg ihrer Entsendungen nicht nach – obwohl 93 Prozent der Befragten erklären, dass genau dies wichtig wäre (Abbildung 1).
Zumindest in der Theorie wissen die Unternehmen also: Das systematische Nachhalten des Entsendungserfolges ermöglicht klare Aussagen über die Effektivität der Mobility-Programme und lässt gleichzeitig Rückschlüsse auf diejenigen Faktoren zu, die zum Gelingen eines Auslandseinsatzes beitragen. Sinnvolle Auswertungen sind hier: Wie hoch ist der Anteil der abgebrochenen Auslandsaufenthalte? Wie gut konnte der Entsendete im Ausland seine Ziele erfüllen? Wie viele Mitarbeiter haben kurz nach der Rückkehr gekündigt?
Abbildung 1
Evaluierung der Auslandseinsätze

72 Prozent der befragten Firmen halten den Erfolg ihrer Entsendungen nicht nach – obwohl 93 Prozent der Befragten erklären, dass genau dies wichtig wäre.
Wichtig: den Entsendungserfolg nachhalten
Gleichzeitig gilt es, die Gründe für Erfolg oder Misserfolg zu ermitteln: Wurde der Kandidat ausreichend auf den Auslandseinsatz vorbereitet? Hatte er auch nach seiner Rückkehr eine klare Karriereperspektive? Oftmals – so zeigt die Erfahrung – liegt die Kündigung nach einem Auslandsaufenthalt in unklaren Entwicklungschancen nach der Rückkehr begründet. Die Entscheidung, gar nicht erst ins Ausland zu gehen, hängt hingegen häufig mit der familiären Situation zusammen. Würden diese und weitere Erkenntnisse systematisch erhoben, können daraus Gegenmaßnahmen abgeleitet werden – das stringente Einbeziehen der Karrieremöglichkeiten des Partners etwa oder aber eine bessere Vorbereitung des Mitarbeiters. Letztere liegt nach den Angaben der Unternehmen aktuell jedoch eher im Argen. So geben 42 Prozent der Befragten an, dass interkulturelles Know-how und interkulturelle Kompetenzen bei der Auswahl potenzieller Auslandsmitarbeiter keine Rolle spielen. Weniger als 35 Prozent erklären, dass die Mitarbeiter vor der Entsendung ein interkulturelles Training oder Coaching erhalten. Dabei zeigt sich in der Praxis: Mangelndes Bewusstsein für die Besonderheiten unterschiedlicher Kulturen erschwert eine Führungstätigkeit ebenso wie die Teamarbeit im Ausland erheblich. Und: Scheitert ein Auslandsaufenthalt oder kündigt der Mitarbeiter kurz danach, war ein Großteil der oftmals beachtlichen Investition umsonst.
Keine ausreichende Verknüpfung mit dem Talent Management
Sehr deutlich wird damit: Es ist sinnvoll, die Daten aus dem Bereich Mobility mit dem Talent Management zu verknüpfen. Fragen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben: Welche Mitarbeiter eignen sich für eine Entsendung und sind auch bereit für einen Auslandsauftenthalt? Welche persönlichen Kompetenzen korrelieren mit einem erfolgreichen Auslandseinsatz? Welche Fähigkeiten konnte der Entsendete im Ausland ausbauen oder hinzugewinnen? Wirkt sich ein Auslandsaufenthalt positiv auf die Karriere aus? Eine ebenfalls zentrale Frage lautet: Haben wir genügend Mitarbeiter, die sich – auch bei kurzfristigem Bedarf – für einen Auslandseinsatz gewinnen lassen? Muss sie verneint werden, kann das Unternehmen womöglich nicht schnell genug auf Geschäftsmöglichkeiten im Ausland reagieren.
Laut EY-Survey erklären 41 Prozent der Unternehmen die mangelnde Anbindung des Mobility-Programms an das Talent Management zu einer der größten Herausforderungen für ein schlagkräftiges Entsendungsmanagement (Abbildung 2, Seite 34). 44 Prozent der Befragten nennen die fehlende Kostentransparenz, die ebenfalls nur über die stringente Auswertung aller betreffenden Daten erreicht werden kann. Aktuell jedoch können viele Unternehmen die Kosten für ihre Auslandsentsendungen nicht exakt beziffern. Einer der Gründe dafür ist, dass die Ausgaben nicht zentral erfasst werden: Gehaltskosten, Reisekosten, Umzugskosten oder die Schulgebühren für die Kinder werden häufig unterschiedlichen Kostenstellen zugerechnet. In der Folge fehlt der Gesamtüberblick. Das Unternehmen hat keine gesicherte Grundlage, um zu entscheiden, ob zum Beispiel eine Entsendung günstiger ist als einen neuen Mitarbeiter vor Ort zu suchen oder ob finanzielle Gründe für regelmäßige Geschäftsreisen eines Mitarbeiters sprechen. Lediglich 18 Prozent der Unternehmen geben an, für diese Entscheidungen eine verlässliche Datengrundlage zu haben.
Vermeidbare Compliance-Risiken
Der dritte große Bereich beim Zusammenspiel von Daten und Mobility betrifft den Bereich Compliance – einen Punkt, der von den Unternehmen sogar als besonders wichtig eingeschätzt wird. So geben fast 59 Prozent der Befragten gestiegene Compliance-Risiken und verschärfte regulatorische Anforderungen als größte Herausforderung für das Management von Mobility-Programmen an (Abbildung 2). Hier hilft die kontinuierliche Aktualisierung und Auswertung der Daten dabei, oftmals gravierende Geldstrafen und Steuernachzahlungen zu vermeiden. Beachtet werden müssen unter anderem die jeweils aktuellen und sich stets ändernden Steuergesetze, Sozialversicherungsbestimmungen ebenso wie eine korrekte Gehaltsabrechnung. Wichtig ist es zudem, nicht unerwartet auf einwanderungsrechtliche Restriktionen zu stoßen. Schließlich können auch sie verhindern, dass die richtigen Mitarbeiter am richtigen Ort eingesetzt werden können. Insgesamt drohen bei Compliance-Verstößen große Imageschäden.
Obwohl sie den Punkt Compliance für besonders wichtig halten, räumen die befragten Unternehmen auch hier Defizite ein: 75 Prozent geben an, dass sie einen detaillierteren Einblick in ihre globalen Risiken benötigen. Nur zwölf Prozent der Befragten erklären, dass alle lokalen Mobility- und Payroll-Experten ausreichendes Know-how haben, um die immer komplexer werdenden Gehaltsdaten ordnungsgemäß zu erfassen und an die entsprechenden Stellen weiterzugeben. 37 Prozent geben an, dass sie keinen formalen Prozess haben, um die Abrechnung zu kontrollieren. Und es ist davon auszugehen, dass viele andere bislang lediglich partielle Systeme entwickelt haben.
Geht es um Compliance-Risiken wie Visapflichten, Einwanderungsgesetze, Steuern und Sozialversicherung, sind sich die Befragten einig, dass die Geschäftsreisenden (Short Term Business Travellers) für die Unternehmen der Risikofaktor Nummer eins sind. Wegen ihres Ad-hoc-Charakters und einer häufigen Abwicklung ohne Einbindung der Personalabteilung sowie mangelnder Datenerfassung und Überwachung stellen die kurzzeitigen grenzüberschreitenden Tätigkeiten eine enorme Herausforderung dar. Aus diesem Grund sind die Unternehmen auch bereits tätig geworden: 76 Prozent der für den Report befragten Unternehmen gaben an, dass sie für diese Zielgruppe entweder bereits eine formale Policy haben oder aber beabsichtigen, eine solche einzuführen. Bei den Unternehmen aus dem Gas- und Ölsektor liegt die Zahl bei 81 Prozent, bei Finanzunternehmen sogar bei 90 Prozent.
Abbildung 2
Zentrale Herausforderungen im Mobility Management

Compliance-Risiken gelten als größte Herausforderung bei Auslandsentsendungen. Aber auch die mangelnde Anbindung des Mobility-Programms an das Talent Management wird von den Befragten hervorgehoben.
BEPS erhöht die Risiken
Noch risikoreicher für die Firmen können die kurzfristigen Auslandsreisen durch BEPS werden – kurz für: Base Erosion and Profit Shifting. Hier haben sich mehr als 60 Staaten geeinigt, gegen den schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne vorzugehen. Von der OECD wurden Handlungsempfehlungen erarbeitet, die auch bereits auf Länderebene umgesetzt werden. Für Unternehmen erhöhen sie das Risiko unerwarteter Steuerbelastungen ebenso wie die Reporting-Pflichten für ihre Aktivitäten im Ausland deutlich. Das liegt unter anderem daran, dass Unternehmen künftig aus steuerlicher Sicht schneller eine Betriebsstätte im Ausland gründen als bisher. Entscheidend ist die Anwesenheit der Mitarbeiter vor Ort ebenso wie die Art ihrer Tätigkeit. Daher sollten Unternehmen künftig dokumentieren können, wann ihre Mitarbeiter wo und in welcher Funktion zur Wertschöpfung beitragen. Das gilt auch für die Kurzzeitentsandten ebenso wie für grenzüberschreitend tätige Geschäftsführer und Vertriebsmitarbeiter, die im Ausland Kerngeschäft betreiben, lokale Vertragsverhandlungen durchführen oder in solche eingebunden sind.
Dringend klären müssen die Unternehmen daher gerade auch aus diesem Grund, ob sie über geeignete Systeme zum Tracking und Monitoring von Auslandseinsätzen verfügen. Die Ergebnisse der Datenauswertungen müssen auch der Steuer- und der HR-Abteilung zugänglich gemacht werden. Unternehmen, die kein entsprechendes Erfassungssystem haben, sollten diesen Punkt dringend auf ihre Agenda setzen.
Ein großes Hindernis bei der Datenerfassung und -analyse über alle Bereiche von Mobility hinweg: Die Daten liegen – zum Beispiel für eine vollständige Kostenübersicht, aber auch für die Optimierung von Talent-Management-Programmen – granular über das Unternehmen verteilt vor und werden nicht zentral erfasst und ausgewertet. Genau dies jedoch ist in Zukunft wichtig. Damit die Datensammlung und – analyse nicht nur zentral, sondern zudem sinnvoll erfolgen kann, müssen die Unternehmen diejenigen Fragen identifizieren, die sie im Sinne eines stringenten Mobilitätsmanagements beantworten möchten. Sie sollten für sich klären: Welche Daten benötige ich, um bessere Entscheidungen treffen zu können?
Ein Großteil der Unternehmen hat keine klare Strategie
Nicht zuletzt sollen die gewonnenen Daten dabei helfen, die Mobility-Management-Strategie eines Unternehmens zu schärfen. Damit jedoch ist bei vielen Firmen ein weiterer wunder Punkt getroffen. Denn der vorausgegangene EY-Survey aus dem Jahr 2014/15 hat gezeigt: Ein Großteil der Unternehmen hat gar keine Strategie, wenn es um Global Mobility geht. 63 Prozent erklärten, Global Mobility-Entscheidungen würden planlos und lediglich als Reaktion auf akuten Bedarf getroffen. Und das obwohl viele Unternehmen die Vorteile eines effektiven Global-Mobility Managements und auch die Risiken einer fehlenden Strategie erkannt haben. Knapp zwei Drittel der Teilnehmer gaben zudem an, der Return on Investment von Global Mobility in ihrem Unternehmen würde „nicht“ oder „noch nicht“ gemessen.
Nimmt man die zentralen Ergebnisse beider Reports zusammen, zeigt sich für die Unternehmen gleich doppelter Handlungsbedarf. Sie benötigen eine schlagkräftige Strategie und gleichzeitig eine gezielte Auswertung und Erfassung der Mobility-Daten. Beides zusammen verbessert ihre Mobilitätsentscheidungen erheblich und macht die Mobility-Abteilungen zu einem wertvollen Strategiepartner für die Geschäftsführung. Andersherum gilt: Wird das Mobilitätsmanagement nicht entsprechend professionalisiert, kann das die Umsetzung der Strategie und auch den Erfolg des Unternehmens gefährden.
Autoren
Ulrike Hasbargen, Partnerin im Bereich People Advisory Services, Leiterin der Region GSA (Germany, Switzerland, Austria), EY, München,
ulrike.hasbargen@de.ey.com
Ingo Todesco, Partner im Bereich People Advisory Services, Leiter Mobility GSA, EY, Düsseldorf,
ingo.todesco@de.ey.com
Studie zum Anforden
Den kompletten Global Mobility Effectiveness Survey können Sie bei Melanie Rottgardt kostenfrei anfordern: melanie.rottgardt@de.ey.com
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